Die Corona-Krise trifft viele Firmen hart. Die Politik versucht zu helfen. So wurde auch die Insolvenzpflicht ausgesetzt. Dies war anfangs sinnvoll, führt aber zunehmend zu Zombie-Firmen, die nur noch schein-lebendig sind. Finanzexperten erwarten für das erste Halbjahr 2021 mehr Insolvenzen und Kreditausfälle. Davon betroffen wären am stärksten die Sparkassen. Die Corona-Krise könnte so von der Realwirtschaft auf den Bankensektor springen. Steht uns eine Bankenkrise ins Haus?
Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragt monatlich rund 350 Finanzexperten aus Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen nach ihren Einschätzungen und Erwartungen der Wirtschaftsentwicklung. Die neueste Umfrage zeigt, dass man sich mehr und mehr um sogenannte Zombie-Firmen sorgt.
Der Hauptgrund hierfür: die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht. Normalerweise müssen Unternehmen innerhalb von drei Wochen Insolvenz anmelden, sobald ihnen bekannt ist, dass sie sich in einer ernsthaften Schieflage befinden. Dazu gehört in erster Linie, dass sie ihren fälligen Zahlungsverpflichtungen, zum Beispiel Kreditraten, nicht mehr nachkommen können. Insolvenzverschleppung ist eine Straftat und kann bis zu drei Jahre Gefängnis für Geschäftsführer nach sich ziehen.
Bereits im März, kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, hat der Bundestag jedoch beschlossen, dass diese strenge Regel ausgesetzt wird, zunächst bis zum 30. September, dann verlängert bis zum 31. Dezember 2020. Im einzelnen bedeutet dies, dass:
- Geschäftsführer während der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten nur eingeschränkt für Zahlungen haften, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens vornehmen,
- an betroffene Unternehmen gewährte neue Kredite nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sind,
- die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für drei Monate eingeschränkt ist.
Schutz vor Folgen der Corona-Krise
Diese Regelungen schützen Unternehmen, die von der COVID-19-Pandemie betroffen sind. Schuldner werden also zu Lasten ihrer Gläubiger wie Banken und Lieferanten geschützt. Sie werden künstlich am Leben gehalten. Dadurch soll ihnen Zeit für die Sanierungsbemühungen und Verhandlungen mit ihren Gläubigern verschafft werden. Diese Vorschriften greifen damit flankierend zu den umfassenden staatlichen Hilfsprogrammen.
Die Folge ist, dass zwar einerseits die hart betroffenen Firmen nicht sofort Pleite gingen. Dies hat die deutsche Wirtschaft stabilisiert. Andererseits werden so die negativen Folgen der Corona-Krise zeitlich verlagert. Sie werden auch stärker zu Lasten der Gläubiger verlagert, da das Insolvenzrecht auch ein Schutz für Banken und Vorlieferanten ist.
Der politisch erwünschte Schutz vor Corona-Insolvenz führt aber dazu, dass mehr Unternehmen zu Zombieunternehmen werden, die eigentlich Insolvenz anmelden müssten. So befürchten 97% der vom ZEW befragten Experten einen Anstieg an Zombieunternehmen (starke Zunahme: 39%, geringe Zunahme: 58%). Den entscheidenden Grund hierfür sehen insgesamt 61% in der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.
Des Weiteren werden staatliche Kredite über die KfW (23 Prozent) und das Kurzarbeitergeld (17 Prozent) als Ursachen genannt. Kaum einen Einfluss auf den Anstieg an Zombieunternehmen wird dagegen der Senkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 16% beigemessen.
Finanzexperten sorgen sich
Nun sorgen sich Finanzexperten immer mehr wegen der Nachteile, die die Aussetzung der Insolvenzanmeldepflicht mit sich bringen. Die Mehrzahl der von ZEW befragten Fachleuten erwarten mehr Insolvenzen innerhalb der nächsten sechs Monate. Mehr Zombies könnten also von scheinlebendig auf wirklichtot kippen.
Von dieser Entwicklung bleibt der Bankensektor nicht verschont, da mehr Pleiten auch mehr Kreditausfälle bedeuten. Banken kriegen ausgeliehenes Geld nicht mehr zurück.
Von den befragten Experten erwarten mehr als 90%, dass in den nächsten Wochen und Monaten mehr Kredite notleidend werden. Fast 50% erwarten sogar einen starken Anstieg der Anzahl der Kreditausfälle. Beim ausfallenden Kreditvolumen erwarten allerdings nur 25% einen starken Anstieg und 64% einen leichten Anstieg. Es werden also viele Kreditausfälle erwartet, die aber eher kleinere Kreditbeträge umfassen. Davon seien in überdurchschnittlich die Sparkassen betroffen, die vor Ort Darlehen an mittelständische und kleinere Firmen vergeben. Ähnlich dürfte es den Volks- und Raiffeisenbanken ergehen.
Zumindest im Fall der Sparkassen sind damit auch alle Bürger betroffen, weil Sparkassen in kommunalem Eigentum sind. Ihre Gewinne fließen teilweise den kommunalen Haushalten zu. Wenn aber Kredite ausfallen, gehen die Gewinne und damit die Ausschüttungen zurück. Die kommunalen Haushalte werden in einer sowieso schon schwierigen Finanzlage zusätzlich belastet.
Gleiches gilt auch für örtliche Sportvereine, soziale und kulturelle Einrichtungen. Sie sind Empfänger der allseits sehr beliebten lokalen Sponsoringmaßnahmen der Sparkassen. Kreditausfälle und geringere Gewinne könnten zu knapperen Spendierhosen führen.
Trotzdem: Bankenkrise nicht in Sicht
Kommt es wegen der vermehrten Kreditausfälle zu einer Bankenkrise? Möglicherweise sogar zu einem Dominoeffekt wie in der 2008er Bankenkrise? Nein, sagt ZEW-Wissenschaftlerin Dr. Karolin Kirschenmann: „Angesichts der zunehmenden Warnungen bezüglich einer möglichen anstehenden Bankenkrise betonen die Banken selbst, dass sie in den Jahren seit der Finanzkrise ihre Eigenkapitalausstattung deutlich verbessert und ausreichend Vorsorge getroffen hätten. Auch die Bankenaufseher sehen das deutsche Finanzsystem als Ganzes als robust an, auch wenn einige der schwächsten Banken die Krise vermutlich nicht überstehen würden.“
Also: Die eine oder andere Bank wird die Zombiezunahme nicht überstehen, aber eine große Bankenkrise kommt nicht auf uns zu. Immerhin etwas Positives in der heutigen Zeit.