Ich habe vor einer Woche über das Theater beim Regionalverband Ruhr rund um das Cross-Border-Leasing geschrieben. Nun, das Durcheinander und die Panik gehen weiter. Es geht um alles. Nach meinen Informationen bemüht sich der Verband derzeit mit Hilfe der holländischen Beratungsfirma Rebelgroup darum, ein grenzüberschreitendes Geschäft für seine Abfalltochter AGR aus dem Jahr 2003 rückgängig zu machen, um Millionenschäden zu vermeiden.
Damals verkaufte der RVR-Vorgänger, der Kommunalverband Ruhr, für insgesamt rund 300 Mio Euro die Müllverbrennungsanlage RZR I an einen amerikanischen Investor und leaste diese direkt wieder zurück. Laufzeit der Verträge: bis 2028. Angeblich sollten bei diesem Geschäft keine Risiken auflaufen, hieß es damals. Alleiniges Ziel sei es gewesen, einen Steuervorteil in den USA zu erzielen und diesen Steuervorteil zwischen Investor, Verband und dessen Tochter AGR zu teilen.
Knapp fünf Jahre später zeigt sich heute, dass dies leider eine Fehleinschätzung war. Mir liegt ein internes Papier des Regionalverbandes vor, in dem erklärt wird, aufgrund der Krise am Finanzmarkt sei es notwendig, den Hauptgeschäftspartner auszutauschen. Betroffen davon ist die amerikanische Versicherungsgesellschaft und Kreditfinanzierer MBIA aus dem Ort Armonk im Bundesstaat New York. Das Risiko liegt nach meinen Informationen bei rund 75 Mio Euro.
Der RVR hatte bei der MBIA einen Großteil der Einnahmen aus dem Cross-Border-Geschäft hinterlegt. Dieses Geld sollte sich dort zu einem garantierten Zinssatz wie auf einem Sparbuch vermehren und nach Ablauf der Vertragslaufzeit an den Investor, eine Tochtergesellschaft der KeyBank aus Cleveland inOhio ausgeschüttet werden. Damit, so der Plan, hätte der RVR das Eigentum an der Müllverbrennungsanlage in Herten zurückbekommen.
Leider ist es anders gekommen. Wegen hochspekulativer Geschäfte ist die MBIA tief in die Krise geschlittert. Es ist unklar, ob das Unternehmen tatsächlich überlebt. Das hat direkte Aufwirkungen auf das RVR-Sparbuch bei dem amerikanischen Konzern. Die Zinsen sind nicht mehr so hoch. Damit droht aber das gesamte Geschäft rund um das Cross-Border-Leasing zu kollabieren. Der RVR trägt jetzt das Risiko. Auch wenn das intern bestritten wird. Tatsache ist jedoch, dass der RVR der Vertragspartner und Leasingnehmer ist. Er hat dann selbst Sub-Leasingverträge mit der AGR abgeschlossen. Wenn der Deal also platzt, haftet der Verband. Er könnte sich vielleicht an der AGR schadlos halten – müsste sie dann aber wohl in die Pleite treiben. Und das ist unrealistisch.
Wie aus den vorliegenden Unterlagen hervorgeht, muss der Verband aus dem Ruhrgebiet nun einen Ersatz für die MBIA bringen. Dies kann auf mehreren Wegen geschehen. Der Verband könnte wie die Stadt Bochum für rund 75 Mio Euro amerikanische Staatsanleihen kaufen und diese zu Gunsten der Key Bank hinterlegen. Er könnte auch einen anderen Dienstleister suchen, der mit einem tadellosen Ruf ausgestattet ist und die Zahlungsverpflichtungen übernimmt.
Doch diese Möglichkeiten scheiden nahezu aus. Der Verband hat bei einem Etat von rund 53 Mio Euro kaum finanzielle Spielräume, um Anleihen zu kaufen. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass sich ein Finanzinvestor meldet, der die Millionenverpflichtungen MBIA zu einem ähnlich günstigen Tarif übernimmt. Maximal fünf Anbieter sollten sich bis zum 5. Januar in einer Ausschreibung um den Deal bewerben. Nun heißt es intern, dass die Ausschreibung wohl ergebnislos auslaufen soll- ohne Entscheidung. Man stützt die Hoffung lieber auf den letzten Weg.
Der RVR bemüht sich, die MBIA dazu zu bewegen, dass hinterlegte Geld herauszurücken. Damit will der Verband dann die Key Bank ausbezahlen. Sollte dies gelingen, würde er selbst zum Träger des Cross-Border-Leasings. Das bedeutet. der Verband würde seine eigene Müllverbrennungsanlage an sich selbst vermieten.
Aber auch diese Option scheint nicht risikolos. So ist bis jetzt unklar, wie viel Geld der Regionalverband nachschießen müsste, sollte die MBIA die Einlagen rausrücken. Die Rede ist hier von einem Millionenbetrag, der noch nicht genau beziffert werden könne, da die Gespräche noch laufen. Zudem müssen auch andere Banken dem Deal zustimmen, die ebenfalls an dem Geschäft beteiligte. Zunächst steckt unter anderem die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hinter dem Cross-Border-Leasing. Die LBBW hat ein besonderes Interesse an der AGR. Sie hat noch einmal über 100 Mio Euro über Kredite in die Müllfirma gesteckt. Von hier aus ist kaum mit Schwierigkeiten zu rechnen – solange sie nicht auf eigene Kasse gehen.
Aber zumindest die norddeutsche Landesbank Nord LB hat sich bislang skeptisch geäußert. RVR-Chef Heinz-Dieter Klink sagte zwar, die Bank habe schon zugestimmt. Aus Kreisen der Bank ist allerdings zu hören, dass die Gespräche noch laufen – ergebnisoffen. Ein Krisengespräch vor zwei Wochen lies die Bank platzen.