Danke dafür, dass ihr mich jetzt ‚an die Leine gelegt‘ habt, Ihr Deppen!

Foto: Robin Patzwaldt

Seit heute liege ich hier sprichwörtlich an der Corona-Leine. Als Anwohner des Kreis Recklinghausen darf ich mich ab sofort nicht mehr weiter als 15 Kilometer von meinem Wohnort entfernen. Andererseits darf mich auch niemand mehr besuchen, der weiter als diese Distanz von mir entfernt wohnt.

Abgesehen davon, dass ich das zuvor in den vergangenen Wochen auch freiwillig schon nicht mehr gemacht hatte, ärgert mich diese irrwitzig anmutende Regelung aber jetzt dann doch.

Diese Maßnahme, machen wir uns nicht da gar nichts vor, ist aus purer Verzweiflung von der Landesregierung so getroffen worden. Das erkennt man schon daran, dass Armin Laschet & Co. zuvor eigentlich in NRW darauf komplett darauf verzichten wollten, und es auch jetzt nicht durchgängig anwenden, wenn die 7-Tage-Inzidenz übe den Wert von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner angestiegen ist.

Das alleine ist alles natürlich in dieser Inkonsequenz schon kritikwürdig genug. Dieser Text von mir heute soll sich aber in erster Linie gar nicht damit beschäftigen. Die Politiker zu kritisieren ist mir zu einfach. Natürlich tun sie sich schwer, machen Fehler.

An dieser Stelle soll es heute um die noch immer tagtäglich zu beobachtende Unbelehrbarkeit viel zu vieler Mitmenschen gehen, deren Weigerung sich adäquat zu verhalten, uns hauptverantwortlich in diese irre, völlig unbefriedigende Situation gebracht haben.

Erinnert sich von euch hier noch jemand an den ersten Lockdown vom vergangenen Frühjahr. Sicherlich! Und erinnert ihr euch auch noch daran, wie vergleichsweise still das öffentliche Leben damals über Wochen stand?

Das Ergebnis war, dass wir die Infektionszahlen wieder ganz gut in den Griff bekommen haben.

Klar, damals kam uns noch mehr zupass als nur das veränderte Verhalten der Leute. Im Frühjahr 2020 wurde das Wetter schon besser, es viel uns allen leichter geschlossene Räume zu meiden und auch die Angst vor dem Ungewissen, was durch die Pandemie auf uns zukam, war größer als heute. Von der aktuell um sich greifenden Mutation des Virus einmal ganz abgesehen. Alles zugestanden.

Trotzdem ist es mehr als ärgerlich in diesen Tagen zu beobachten, dass sich ein deutlich größerer Teil der Leute im Alltag eben auch längst nicht mehr so konsequent an die vom RKI gepredigten RKI+L-Regeln hält wie vor rund neun Monaten.

Im Frühjahr 2020 waren die Straßen wie leergefegt, wurden Einkaufswagen in Supermärkten noch konsequent desinfiziert, hielten die Leute bestmöglich Abstand zueinander.

Jetzt haben wir zwar schon seit November offiziell wieder Lockdown, das gesellschaftliche Leben ist jedoch immer noch deutlich umtriebiger als im vergangenen Frühling.

Egal ob auf den Skipisten, Straßen, in den Geschäften, in der Wirtschaft, überall geht es derzeit deutlich aktiver zu als damals.

Kein Wunder also, dass es uns diesmal auch nach vielen Wochen der Beschränkungen nicht zu gelingen scheint, die Zahlen nachhaltig zu reduzieren. Bestenfalls halten wir die Lage einigermaßen unter Kontrolle. Parallel dazu sterben die heruntergefahrenen Bereiche der Wirtschaft trotzdem, während andere sich notgedrungen irgendwie durchwursteln.

Nun also dann auch hier in NRW jetzt diese ‚Leinen-Regelung‘. Wenn auch, kurioser Weise nicht wirklich konsequent und durchgängig angewendet.

Hier im Kreis Recklinghausen ist die Inzidenz jetzt kreisweit über 200. In meinem Wohnort, in Waltrop, liegt sie schon länger darüber. Da wurde lange Zeit nicht darauf reagiert. Erst jetzt, wo der ganze Kreis zum Hot-hot-Spot 😉 wurde, werden weitere Maßnahmen getroffen. Dass die Leute da vergeblich nach einem Sinn und Zweck suchen, das ist wirklich nicht erstaunlich.

Die Konsequenz, die Logik der Schutzmaßnahmen, all das geht uns allen schrittweise immer mehr verloren. Selbst für mich als konsequentem Befürworter eines harten Corona-Kurses, fällt es in diesen Tagen immer schwerer das Ganze nachzuvollziehen und gegenüber anderen, vielleicht nicht so ‚linientreuen‘ 😉 Zeitgenossen zu rechtfertigen.

Dabei ist es doch im Kern ganz einfach: Wenn all diese Idioten, die ich in meinem Alltag treffe, die trotz Lockdown auf dem benachbarten Sportplatz fast täglich Fußballspielen, die, die sich im Supermarkt unnötig eng zusammenfinden, die, die tagtäglich die Straßen des Landes mit ihren sicherlich nicht immer wirklich notwendigen PKW-Fahrten verstopfen, sich wieder konsequenter verhalten würden, dann bräuchte es sicherlich auch für einige Regionen keinen ‚Leinenzwang‘.

Es sind doch am Ende die Bürger selber, die mit ihrem eigenem Verhalten bestimmen, was die Politik mit uns allen veranstalten muss, um die Lage im Land einigermaßen im Griff zu behalten.

Wer sich also konsequent an alle Regeln hält, der wird von diesen Querulanten bestraft, nicht von der zugleich immer mehr in Erklärungsnot befindlichen Politik. Aber diese unbelehrbaren Zeitgenossen zu erreichen, sie in ihrer Ignoranz irgendwie mit Fakten zu beeindrucken, das dürfte uns vermutlich schon gar nicht mehr gelingen, wie ein Blick in die Welt da draußen gerade Tag für Tag leider zeigt.

 

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Ke
Ke
3 Jahre zuvor

Der Artikel beachtet in keinster Weise, dass im Beruf etc der Bürger oft nicht wählen kann. Es gibt eben auch massive staatliche Versäumnisse. Insbesondere auch in den Behörden und in der Politik selber, wo man nur zählte, wenn man viele Meetings mit vielen Aktenordner machte.

Die Gesundheitsämter hatten 50 Fälle als verfolgbar gehalten, fast ein Jahr später können sie nicht mit 150 umgehen. Bei besseren Prozessen, mehr Personal etc.

Herr Rummenigge aus Söders Corona Reich schafft es nicht , eine Maske richtig aufzusetzen. Alles ist aber offensichtlich egal.

Dass jetzt die Menschen an einer schwachsinnigen Corona Leine gekettet werden , die noch viele Ausnahmen hat, zeigt doch nur , dass man sich endgültig von Kausalitäten verabschiedet hat und nur irgendwas Krasses verbietet, das dann doch nicht kontrolliert wird.

Es ist ein Totalversagen von Politik und den Kontrollorganen im Bereich Altenheime.

D

Ingenhorst
Ingenhorst
3 Jahre zuvor

Endlich verwendet in diesem unbedeutendem Blog ein Autor das Wort, für das ich als Kommentator ebenhier vor Monaten belächelt und zurechtgewiesen würde: LINIENTREU.

Stefan Laurin
Admin
3 Jahre zuvor

Es sind die Politiker, die es nicht schaffen schnell zu impfen, die Schulen und Altenheime zu sichern und die Menschen mit einem Verordnungschaos verwirren. Wenn einer Schuld hat, ist es der politisch-verwaltungstechnische Komplex.

Ali Mente
Ali Mente
3 Jahre zuvor

"Wenn die Millionen von Unvernünftigen sich konsequenter an die gebotenen Regeln halten würden, wären wir alle deutlich besser dran."

Würden alle konsequent drei mal am Tag beten, hätten wir Corona schon längst besiegt. Schuld an der jetzigen Situation sind nur die Atheisten.

Axel
Axel
3 Jahre zuvor

Man kann keine Vernunft von seinen Mitmenschen erwarten bzw. tut man gut daran, etwaige Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Die Erwartungshaltung an die Politik und speziell an die Impfpolitik ist dagegen gerechtfertigt. Ich sehe es jetzt – wo doch der Impfstoff da is – so, dass man hier schleunigst in die Gänge kommen sollte.

Eigenverantwortung + rasches Impfgeschehen, die Kombination scheint mir derzeit angebracht. Und sich über die Gedankenlosigkeit oder sogar Idiotie der Anderen Gedanken machen? Nee danke, das sorgt nur für schlechte Laune …

DAVBUB
DAVBUB
3 Jahre zuvor

@ Autor: Immerhin leben Sie nicht in in einer Coronadiktatur: Sie dürfen alles tun, was der Staat Ihnen noch erlaubt.

ccarlton
ccarlton
3 Jahre zuvor

Welche Jahreszeit haben wir noch mal? Winter, das ist die, wo sich jedes Jahr virale Atemwegserkrankungen stark verbreiten. Die Zahlen sind dieses Jahr etwas höher als sonst, weil zur Grippe Corona dazukommt und weil mit Ausnahme von Tübingen sich scheinbar niemand in der Politik auf den Winter vorbereitet hat. Deswegen sterben die sehr alten Leute in deutlich erhöhter Anzahl.

Dieses Staatsversagen den Bürgern zuzuschreiben ist, sagen wir mal sehr regierungstreu.

Walter Stach
Walter Stach
3 Jahre zuvor

"Entweder oder"?

Nein; Beides hat zu geschehen .
Der "Staat" hat…..
Die Gesellschaft hat…
Keiner der Beiden kann alleine die Pandemie erfolgreich bekämpfen ; jeder bedarf des Anderen.
Simple Einsichten? Ja, meine ich.

"Beide" bemühen sich m.E. ihrer Veranwortung nachzukommen.

"Beide" machen Fehler -schuldhaft, also fahrlässig oder vorsätzlich? Darüber wäre zu streiten; grobfahrlässig -denkbar auf staatlicher Seite? Vorsätzlich in Teilen der Gesellschaft?

Mir scheint, daß es im gemeinsamen Kampf gegen die Pandemie nichts, gar nichts bringt. gemachte Fehler und weiter zu erwartenden Fehler aufzugreifen, und zwar offennkundig nicht -nicht immer- mit dem primären Ziel, aus ihnen zu lernen, sondern um all diese Fehler als Knüppel "gegen die andere Seite" zu nutzen -einerseits seitens gesellschaftlich relevante Kräfte (Teile der Medienwelt, einige politische Parteien, Querdenker" pp- )gegen den Staat , seine Institutionen, seine Akteure und andererseits seitens "staatliche Akteure" gegen Personen, Personengruppe in der Gesellschaft).
Das Alles hinterläßt bei mir den Eindruck, daß es oftmals oder gar regelmäßig primär darum zu gehen scheint, "Schuld" ausmachen und um "Schuldige" benennen zu wollen, weil….?
Um die Frage nach dem "Weil" beantworten zu können, sollte, bevor Weiteres geprüft , bedacht und behauptet wird, zunächst in jedem Einzelfall der Frage nachgegangen werden welche individuellen Interessen und Ziele bzw. welche gruppenspezifischen Interessen und Ziele die jeweiligen Akteure lenken und leiten könnten. Und da gäbe es Einige zu benennen, die -selbstverständlch – nicht miteinander kompatibel sind.

Also
kein Entweder oder -sh einleitend-
noch
absolut richtig oder absolut falsch bzw, ein absolut fehlerfreies oder fehlerhaften Tun und Unterlassen,

sondern der offene Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft, der die sog. Fehlerkultur immanent ist, und die nach demokratischen Regeln auf staatlicher Ebene zu Entscheidungen unter Achtung wesentlicher rechtstaatlicher Prinzipien kommt, eben auch in Zeiten einer Pandemie.

Ich meine, das Bemühen , um die (Be-)Achtung des Letzteren sei trotz allem was in Gesellschaft und Staat bisher geschehen ist, derzeit geschieht und mutmaßlich noch über Monate geschehen wird , immer noch für"unserer" Gesellschaft und für "unseren Staat" das sie prägend Fundament -ein zunehmend wackeliges und das nicht nur wegen er Pandemie?

Robin,
meine o.a. Wortmeldung kann verstanden werden als Versuch, von konkreten Problematiken, z.B. von dem von Dir bekannten, abzulenken. Das ist nicht meine Absicht.

Da mich solche Nachdenklichkeiten davor zu bewahren vermögen -nicht immer, aber immer öfter-,
mich über ein verträgliches Maß hinaus zu ärgern oder mich in maßloser Wut zu verlieren und dabei u.a. Gefahr laufe, grenzen-, schrankenlos "über Gott und die Welt" zu schimpfen

-einerseits wegen des Verhaltens von Bürgern im Alltag (eine Masken in der Innenstadt, kein Abstand beim Einkauf, Treffen alkoholisierter Jugendliche, fußballspielende Kinder, Handwerker auf Baustellen ohne Masken, ohne Abstände pp.-;

andererseits dann, wenn ich eklatante Fehlleistungen "auf staatlicher Ebene" zu registrieren habe, z.B. aktuell aufgrund eines Artikels im SPIEGEL +), der sich expliziert mit dem Tun/Unterlassen des Bundesgesundheitsministers befaßt-

dient mein o.a. Beitrag lediglich der Erklärung meines relativ distanzierten, in der Sache und im Ton zurückhaltenden Umganges mit alldem, was ich tagtäglich in den Medien, u.a. hier bei den Ruhrbaronen , an Meinungsbeiträgen zur Pandemie zu lesen bzw. zu hören bekomme. Und dabei wird es bleiben.

+)
DER SPIEGEL, Nr. 29.1.2021 S. 24 ff. "Der Vielversprechende"

Robin,
in diesem Sinne
bleibe gesund und ärgere Dich nicht "über ein verträgliches Maß" hinaus.

abraxasrgb
abraxasrgb
3 Jahre zuvor

+1 zu Stefan … dem regierungsfreundlichen Narrativ den Bürgern Verantwortung bzw. protestantisch Über-Ichig Schuld zuzuweisen verfehlt völlig das desaströse Totalversagen von Politik und Verwaltung (die, das ist richtig und wichtig zu erinnern, auch nur “Bürger” sind).

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