Uta Rotermund hielt am 26. Januar bei der Finissage der Ausstellung Eckhard Gerber im alten Museum am Ostwall eine Rede – wir geben diese hier wieder:
Sehr geehrter Herr Prof. Gerber ,
Zuallererst herzlichen Dank an Sie, für die Möglichkeit heute hier anwesend sein und sprechen zu können! Sehr geehrte Damen und Herren, Ich bin Uta Rotermund, ich arbeite als Kabarettistin und ich bin gebürtige Dortmunderin. Und ich darf Ihnen sagen, diese Stadt liefert immer wieder grossartige Spielvorlagen, wobei das Kabarett die Realität dieser Stadt nicht toppen kann. Ich stehe hier für die „Bürgerinitiative Rettet das ehemalige Museum am Ostwall“. Die Bürgerinitiative ist ein Zusammenschluss von Menschen aus vielfältigen und unterschiedlichen Arbeitsbereichen.
Wir sind also der Traum eines jeden Politikers, denn wir sind ein Zusammenschluss der so vielzierten „mündigen Bürgerinnen und Bürger“ . Und Sie, meine Damen und Herren sind es auch. Sie sind die mündigen Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Sie sind diejenigen, für die die Politiker dieser Stadt Politik machen…zumindest behaupten sie das. 80% aller Entscheidungen, die ihr Leben bestimmen, werden auf kommunaler Ebene getroffen. Wann meine Damen und Herren hat Ihnen ein Politiker dieser Stadt zuletzt zugehört?
Dieses traumhafte Haus , in dem Sie jetzt zu Gast sind , ist zum Abriss freigegeben, wenn der Rat der Stadt Dortmund seinen Beschluss nicht überdenkt. Diese grandiose Idee geht auf einen Antrag der CDU-Fraktion zurück. Ein Antrag , in dem es u.a. lautet : „Die Verwaltung wird beauftragt, das Gebäude des ehemaligen Museums am Ostwall inklusive des dazugehörigen Grundstücks schnellstmöglich zu marktüblichen Konditionen zu veräußern. Jeglichen Überlegungen, das exponierte Gebäude interessierten Dritten kostenlos oder lediglich durch Übernahme der Betriebskosten dauerhaft zur Verfügung zu stellen, erteilt der Rat eine Absage.“ In der direkten Sprache des Ruhrgebietes heisst dies: Plattmachen, egal was is ! Diesem Antrag hat der Rat zugestimmt. So zerstört man das Gesicht einer Stadt. Wer hat davon einen Vorteil ? Politiker sollten die Labels ihrer Finanziers auf dem Jackett tragen. Die Frage meine Damen und Herren geht an Sie : Wem gehört die Stadt ?
Die CDU hat diesen Antrag unter dem Aspekt eingereicht: „Haushaltskonsolidierung durch Einzelprojekte“ Fakt aber ist, so schreibt es das Gesetz vor : Der Erlös des Verkaufs darf nicht für den Haushalt verwendet werden. Das Geld steht nur als allgemeine finanzielle Rücklage zur Verfügung. Die Argumentation, der Verkauf und Abriss dieses Hauses sanierten den Haushalt der Stadt ist eine gezielte und rechtswidrige Fehlinformation. Die Abrissbirne ist keine Lösung für eine verfehlte Politik. Ich möchte dazu einen kleinen Exkurs machen. Nun ist ja, wie Sie der Presse entnehmen konnten, unser aller OB in einer plötzlichen Kehrtwende seiner eigenen Meinung zum vorzeitigen Rücktritt entschlossen. Aber nur damit er dann jetzt im Mai auch wiedergewählt werden kann.
Allerdings vor der Wahl ist er jetzt noch einmal seinen Aufgaben nachgekommen und mit einigen weiteren Stadtoberhäuptern des Reviers nach Berlin gefahren, um vom Bund mehr Geld für die Infrastruktur und die Sozialaufgaben zu fordern und am besten auch zu erhalten. Denn so lautet das Credo dieser Stadt: Es ist kein Geld da ! Nun ist Geld nicht einfach wech , wie man im Ruhrgebiet sagt. Es dematerialisiert sich nicht. Es ist also nicht wech , es ist nur woanders. Und dann ist die Frage, wer er es hat und wofür es verwendet wird. Fakt ist, z.B. dass die Stadt Dortmund von den 13.Mill. des Bildungs- und Teilhabepaketes, das der Bund der Stadt Dortmund zur Verfügung gestellt hat, nur 9 Mill. abgerufen hat.
Und diese 9.Mill. wurden auch nicht nur für den vorgesehenen Zweck verwendet, sondern laut Aussage des grünen Landtagsabgeordneten Mario Krüger benutzt, um Löcher im Sozialhaushalt zu stopfen. Ernst Prüsse von der SPD hat dies sogar mit einer Pressemitteilung dementiert, mit dem Satz : „Herr Krüger liegt falsch, wenn er behauptet , das mit dem Geld etwas anderes angefangen wurde, als die Löcher im Sozialhaushalt zu stopfen!“ Sie müssen jetzt keine intellektuelle Gymnastik machen. Es heisst, was es heisst : Krüger hat Recht ! Das hat Prüsse bestimmt nicht sagen wolllen, aber in der Siegessicherheit eines SPD-Barockfürsten kann man schon mal unbeabsichtigt der Wahrheit den Vortritt geben. Was lehrt uns das: Vor dem Denken das Gehirn einschalten! Tatsache ist : Die Stadt Dortmund hat in den letzten drei Jahren mehr Geld von Bund und Land erhalten , als überhaupt ausgegeben wurde und zwar jedes Jahr mehr als im Jahr zuvor. Allein für das laufende Jahr 2014 nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz NRW 529 Mill. Euro vom Land.
Das sind 38.Mill. Euro mehr als im letzten Jahr . Mehr als jede andere Stadt in NRW erhalten hat. Dieses Geld muss man erst einmal sachgerecht ausgeben können. Man kann es natürlich auch wie im Jugendamt mit über 20.Mill.versacken lassen oder in den Bezirksverwaltungen wie z.B. Hombruch mit einer halben Million zum Privatgebrauch aus dem Fenster fliegen lassen oder Dienstreisen, die keine sind, abrechnen oder aber auch eine ganze Abteilung befördern , um einem kleinen Wahlhelferlein den Karrieresprung zu ermöglichen. Es gibt ungeahnte Möglichkeiten, meine Damen und Herren, Ihr Geld , denn es ist Ihr Geld , zu verschwenden, zu verplempern, zu verbrennen. Soweit zu dem Credo dieser Stadt : Es ist kein Geld da !
Die Abrissbirne für dieses Haus ist eine Nebelkerze für eine Politik der Inkompetenz! Und damit keine Missverständnisse entstehen: Ich gehöre keiner Partei an. Ich kann nur ein bestimmtes Mass an Dummheit am Tag ertragen und die ist ja flächendeckend über alle Parteien verteilt. Eine alte Erkenntnis sagt: Je grösser der Dachschaden , desto schöner der Blick auf die Sterne. Und manche Menschen sehen ja wirklich die komplette Galaxis. Dieses intakte, funktionierende Haus , in dem Sie jetzt zu Gast sind, ist das älteste nichtsakrale Gebäude innerhalb des Wallrings und immer noch das zentrale Kunstmuseum der Stadt. Alle bedeutenden Künstler der Republik haben hier ausgestellt …stellvertretend für alle anderen möchte ich nur zwei Künstler mit internationalem Renommé nennen , Joseph Beuys und Martin Kippenberger, übrigens ein Sohn dieser Stadt. Dieses Haus ist das erste Nachkriegsmuseum für Moderne Kunst in Deutschland und das erste Museum, dass das Konzept der großflächigen Einzelhängung vor einer weißen Wand verfolgte. Dieses Museum ist lange Zeit mein Zuhause gewesen, für all das, was ich sonst weder in meiner Familie noch in dieser Stadt gefunden habe. Mir ging es wie Benjamin Reding, der Sohn Joseph Redings und in Dortmund aufgewachsener Filmregisseur: Benjamin Reding schreibt . „In meiner Kindheit und Jugend war das Museum am Ostwall für mich so etwas wie eine blühende Insel der Kultur im aschgrauen Asphalt des Ruhrgebiets der Siebziger. Das stille Haus mit dem wundervollen Garten, seinem großzügigen Lichthof, den Kieselböden, der Gabel-Plastik von Wolf Vostell und den mechanischen Zähneputzern hat mich tief beeindruckt…“. Hier konnte man Fluxus-Kunst kennen lernen, ohne überhaupt zu wissen, was das ist. Und nach Ihren Reaktionen zu urteilen, Reding spricht nicht nur für sich. Inzwischen sind es 7.600 Unterschriften, von Personen der Öffentlichkeit mit Verstand und Meinung, quer durch die gesamte Republik und aus dem Ausland , die der Bürgerinitiative „Rettet das ehemalige Museum am Ostwall“ vorliegen. Darunter sind unter anderem: Ich nenne nur einige wenige … Richard Schmalöer, Vorsitzender BDA Dortmund, Paul Wallfisch, Musiker am Schauspiel Dortmund, Benedikt Stampa, Intendant Konzerthaus Dortmund, Sophia Ungers, Leiterin Archiv für Architekturwissenschaft Köln, Michael Mönninger, Professor Kunstakademie Braunschweig und Journalist FAZ/Zeit, , Uta Joeressen, Vorstand BDA NRW,l Bernd Reiff, ehem. Leiter der DoGeWo, Franz Hirthammer, Direktor Casino Dortmund, Franziska Bollerey, Architekturhistorikerin TU Delft, Eckhard Gerber, Architekt Dortmund, Michael Stegemann, Musikhistoriker TU Dortmund, Hans-Rudolf Meier,Professor Denkmalpflege Bauhaus Uni Weimar,, Hiltrud Kier, Professorin für Denkmalpflege , Uni Köln, , Erich Dreier und Martin Dreier, Unternehmer Dortmund, Francesco Collotti, Architekt Mailand, Christina Hegemeister, Unternehmerin Münster, Wolfgang Schäfer, Vorsitzender Stiftung Westfaleninitiative, ehem. Direktor LWL, Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, Michael Krautzberger, Vorstand Deutsche Stiftung Denkmalschutz, ehem. Präsident Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, und viele, viele andere. Und der ehemalige Stadtdirektor Klaus Fehlemann hat seiner eigenen Partei, der CDU, mit Austritt gedroht, falls sie sich nicht eines Besseren besinnt. „Ein Land ist reich, wenn es die Kultur fördert. Kultur ist Reichtum nicht umgekehrt .“ hat der Dirigent Claudio Abbado gesagt. Dieser Satz gilt auch für eine Stadt . Welche Werte zählen in dieser Stadt ? Werte hinterfragen, Werte bewahren ,dies ist Frage dieses Vormittags. Dieses Haus wurde 1947 konzipiert .
Vom Rat einer Stadt, die so zerstört war, dass die Allierten überlegten , die Stadt Dortmund völlig neu irgendwo auf der grünen Wiese aus dem Boden zu stampfen. 90% der Innenstadt lagen in Schutt und Asche. Und die Todeszahlen waren in dem eisigen Nachkriegswinter noch einmal auf Rekordhöhe geklettert. Brennesselsuppe und Pfannekuchen aus Kartoffelschalen, wenn überhaupt. Das ist die Situation im Jahre 1947 . Die Entscheidung der Stadtväter dennoch, allen so vorrangig erscheinenden materiellen und finanziellen Erwägungen zum Trotz, ein Museum zu erbauen, zeugt von dem Willen ein Zeichen der erneuerten Menschlichkeit zu setzen.
Nach zwölf Jahren nationalsozialistischen Denkverbots wird mit dem Bau dieses Museums demonstriert, dass der Mensch mehr ist als arbeitendes, manipulierbares Stimmvieh. Denn was macht einen Menschen aus, wenn nicht sein Geist ? Die bundesweit erste Ausstellung mit Werken der sogenannten „Entarteten Kunst“ wird hier im Museum am Ostwall präsentiert. „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ sagt Friedrich Schiller . Bildung, Kunst und Kultur sind die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft der Vielfalt. Die Stadt Dortmund ist die erste Stadt in Deutschland , die ein Kindertheater errichtet , die erste Stadt, die ein Zentrum für Jugendliche schafft , das Fritz-Henssler-Haus und die erste Stadt , die ein Museum erbaut Alle Bauten und Einrichtungen sind entschiedene Bekenntnisse des Antinazismus und des Antifaschismus .
Auf dem aktuellen 2.Dortmunder Manifest gegen Gewalt und Hass, Nazismus und Faschismus, an 1.Stelle unterschrieben vom OB , steht zu lesen: Wir haben die richtigen Denkmäler, die unsere Kinder mahnen. Was ist, wenn wir diese Denkmäler abreissen und ein weiteres , gesichts-und geschichtsloses Gebäude an seine Stelle setzen ? Wer mahnt unsere Kinder und Enkelkinder ? Welche Bilder hinterlassen wir ihnen ? Dieser Weitblick des Rates der Stadt der Dortmund im Jahre 1947 scheint der heutigen Politikergeneration abhanden gekommen zu sein. Wer seine Vergangenheit nicht kennt , ist gezwungen sie zu wiederholen. Wir brauchen den „Blick zurück nach vorn“ , das „Erinnern für die Zukunft“ wie es Richard Weizäcker einst benannt hat, wenn wir weiter für unsere Werte stehen wollen. Wenn Volksvertreter das Volk nicht mehr vertreten, ist Gegenöffentlichkeit nötig. Sie , meine Damen und Herren , sind diejenigen , die für Ihre Werte eintreten, sie bewahren und erhalten, müssen.Oder wie es Erich Kästner gesagt hat: „Es gibt nichts Gutes , ausser man tut es“. Sie finden uns auf Facebook, auf unserer Homepage und Unterschriftenliste finden Sie direkt vorne am Eingang. Die Bürgerinitative „Rettet das ehemalige Museum Ostwall“ steht Ihnen zur Verfügung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .
Schonmal hat der Rat der Stadt Dortmund inkompetent gehandelt als 1955 der Abriss „des ältesten steinernen Rathauses nördlich der Alpen“ beschlossen wurde. „Zur Begründung wurde unter anderem der neugotische Giebel des 19. Jahrhunderts angeführt, der kein erhaltungswürdiges Denkmal gewesen sei. An der Stelle des Alten Rathauses entstand eine Einkaufspassage, an deren Front heute eine Messingtafel an die untergegangene historische Stätte bürgerlicher Selbstverwaltung erinnert.“ Quelle wikipedia
Der Abriss der Außenmauern des ältesten steinernen Rathauses nördlich der Alpen war nicht der einzige Sündenfall in Dortmund. 1996 wurde zum Beispiel das ehemaligen Haus der Bibliotheken abgerissen. Trotz Denkmalschutz und Sanierung der einmaligen Fassade kurz vor dem Abriss. Näheres hier:
https://www.zeit.de/1996/27/Schnelles_Geld/seite-1
Die Flächensanierung im alten Hellwegdorf Dorstfeld – hier gab es mal eine jüdische Gemeinde und hier wurde die Bergarbeitergewerkschaft gegründet – sollte man auch nicht vergessen. Und die ehemaligen Zechen Zollern II in Bövinghausen und Hansemann in Mengede wären ebenfalls durch Abrissbirnen plattgemacht worden, wenn sich hier nicht Menschen für den Erhalt dieser heutigen Industriedenkmale engagiert hätten. Und die Liste der Abbruchprojekte könnte man noch fortsetzen!
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