Am 23.6. versuchte sich das Ballett im Revier mit seinem Programm „Jam Session IX“ gegen das zweite Deutschlandspiel bei der WM zu behaupten. Kein leichtes Unterfangen und das kleine Haus des Musiktheater im Revier war dann auch nur knapp zur Hälfte besetzt, als Mitglieder des Ensembles ihre eigenen Choreographien präsentierte. Die Zuschauer wurden mit einem unterhaltsamen wie überraschenden Programm belohnt und das bei freiem Eintritt – nach der Vorstellung konnte jeder so viel spenden, wie ihm der Abend wert war und er fähig zu zahlen ist. Die Niederschwelligkeit des Angebotes ist daher ideal, das Ensemble, das Haus und vielleicht das Ballet an sich kennenzulernen.
Die Ballettmeisterin und Folkwangdozentin Lynne Charles machte mit ihrer Choreographie „The Barre“ den Auftakt und zeigte eine Arbeit, die sich mit dem Beginn allen Balletttrainings beschäftigt. Während am Klavier Janek Kirchniok die drei Gymnopedien von Erik Satie live spielt, sitzt Charles selbst rauchend, nur schemenhaft beleuchtet an der Seite und überwacht das Training an der Ballettstange, das Rita Duclos absolviert. Nur einmal greift Charles ein und fordert durch eine matte Geste Duclos zum Weitermachen auf. Duclos verausgabt sich an der Stange, trainiert klassische Bewegungen, hadert mit dem Gerät, kämpft, dann wieder tanzt sie zart mit ihr als wäre es ihr Partner, um kurz darauf erschöpft darüber zu hängen wie ein Kleidungsstück. In ihrer Miniatur hat Lynne Charles aus dem Ballettalltag eine feine kleine Studie über das Dasein als Tänzerin kondensiert.
Ensemblemitglied Sarah-Lee Chapman choreographiert zum ersten Mal selbst und schuf ein Solo für ihre Kollegin Francesca Berruto. „The Journey To Faith“ handelt davon, wie die Tänzerin sich mittels Bewegung den Raum erobert. Wie sie sich aus dem anfänglich eingrenzenden Lichtkegel freitanzt und die Bühne einnimmt. Aber auch, wie ihre Bewegungen erst forschend und experimentierend sind, um sich dann mit zunehmendem (Selbst)Vertrauen ausweiten und dehnen.
Das dritte Stück stammt von Tänzerin Rita Duclos, die mit Sarah-Lee Chapman, José Urrutia, Sara Zinna und Ballettmeister Renato Paroni de Castro „It’s On You, The Joke“ choreographiert. Eine Arbeit voller komischer und absurder Ideen. Zinna und Chapman tanzen mit je einem Spitzenschuh und einem Turnschuh, Renato Paroni de Castro zeigt eine Bewegungssprache, die sich aus dem japanischen Butoh ableitet und im Hintergrund läuft ein Katzenvideo aus dem Internet.
Auch „La Berezina“ von Ensemblemitglied Valentin Juteau zeigt viel Humor. Indem er seine beiden Tänzerinnen Berruto und Zinna, aus deren Namen durch Zusammenziehung der Titel entsteht, mit einer fröhlichen und einer traurigen Maske tanzen lässt, verweist er auf die Vieldeutigkeit der tänzerischen Bewegung. Juteau selbst huscht nur kurz durch die Choreographie als Hund und als Donald Trump und zweimal ist auch nur seine Hand zu sehen, die einen Einhornkopf auf die Bühne reicht.
Im letzten Teil des Abends kann das Publikum mit einem „Tanzbaukasten“ eine eigene Choreographie erstellen. Sechs Elemente sind vorgegeben und die Zuschauer kombinieren sie für Francesca Berruto, Rita Duclos und Paul Calderone zu einem kleinen Stück, wählen die Musik und eine Lichtstimmung aus. Am 23.6. kam dabei das Stück „Im Park“ heraus, in dem Berrutto von Duclos als Hund gejagt wird und sich schließlich auf einen Baum, der von Calderone getanzt wird, flüchtet.
Moderiert wird der gesamte Abend und insbesondere der Tanzbaukasten von Ballettmanager Florian König.
Weitere Vorstellung: 24.6., 18 Uhr, Kleines Haus im Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen.