Das Corona-Kommunikations-Chaos ist einfach nur bitter

Impfstoff von BioNTech und AstraZeneca; Foto: Peter Ansmann
Impfstoff von BioNTech und AstraZeneca; Foto: Peter Ansmann

Nachdem Bundesgesundheitsminister Spahn diese Woche bekannt gab, dass weniger Impfstoff des Herstellers BioNTech geimpft und stattdessen auf den Impfstoff von Moderna gesetzt werden soll, war das Echo in den sozialen Medien nicht unbedingt positiv. Förderlich, um die aktuelle „Impfkampagne“ – wenn man das überhaupt so nennen darf – voranzutreiben, ist die Kommunikationspolitik von Jens Spahn nicht.

Die Kommunikationsstrategie der noch amtierenden Bundesregierung ist, nicht nur in diesem Falle, grottenschlecht.

Jens Spahn, das Kommunikationsdesaster

Es ist nicht alles leicht, seit dem Beginn der Corona-Krise. „Exponentielles Wachstum“, „Inzidenzen“, „Letalität“ und „Triage“, vor Corona eher selten in den täglichen Nachrichten zu hören, erreichen uns seit fast zwei Jahren mehrmals am Tag. Wir haben es gelernt, mit diesen Begriffen – die nicht so selbsterklärend sind wie z.B. „Toilettenpapierknappheit“ etwas anzufangen.

Mehrmals, seit Beginn der Krisenlage in Deutschland, saß ich mit meinem What-the-Fuck-Blick am Notebook: Meistens, weil ich eben kein studierter Mediziner bin.

Verschärfend kommt bei dem Kommunikationsdesaster hinzu, auch komplett „normale“ Pressetexte wirken, als seien diese direkt in der Hölle getextet worden. Wie beispielsweise der Text einer Pressemitteilung zu den Kontaktbeschränkungen in der Weihnacht 2020:

In Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Infektionsgeschehen können die Länder vom 24. Dezember bis zum 26. Dezember 2020 als Ausnahme von den sonst geltenden Kontaktbeschränkungen Treffen mit 4 über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen aus dem engsten Familienkreis zuzüglich Kindern im Alter bis 14 Jahre zulassen, auch wenn dies mehr als zwei Hausstände oder 5 Personen über 14 Jahre bedeutet.

Ein Satz bestehend aus gefühlt ca. 817 Wörtern – kann man natürlich machen. Ist aber auf kommunikationstechnischer Sicht mit Sicherheit nicht das Optimum.

Die Impfstoff-Debatte ist überflüssig wie ein Kropf

Zurück auf zum Thema „Moderna statt BioNTech“: Beide Wirkstoffe sind wirksam, beide mRNA-Impfstoffe sind von den Nebenwirkungen vergleichbar. Abgesehen von leicht erhöhten Werten bei einem Risiko für Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen. Diese Entzündungsreaktionen heilen, das zeigen die Studien, normalerweise in kurzer Zeit aus: Ohne Langzeitschaden.

Ein Vorteil des Impfstoffes von Moderna ist die Wirksamkeit des Impfschutzres. Diese lässt, beim Wirkstoff von BioNTech, nach vier Monaten nach. Beim Vakzin von Moderna tritt dieser Effekt erst nach einem halben Jahr ein. Was bereits im Impfzentrum in Duisburg im August kommuniziert wurde, war die bessere Wirksamkeit von Moderna gegen die aktuell vorherrschende Delta-Variante. Was nicht gerade gegen den Impfstoff spricht.

Ruhrbaron Robin Patzwaldt hat die Debatte vor zwei Tagen treffend hier im Blog kommentiert:

Unterstellungen, die aktuellen Darstellungen seien reine Schönfärbereien, die aufgrund des aktuell vorherrschenden öffentliches Drucks aus der Notlage heraus erfolgen würden, können also ruhigen Gewissens als falsch bezeichnet werden.

Dieser Fakt, dass diese Vorteile nicht kommuniziert wurden, wirft die Frage auf:

Beschäftigt Jens Spahn aktuell eigentlich noch Berater?

Ohne Anlass wurden in dieser Woche die Menschen, die vor einer Impfentscheidung stehen, verunsichert. Die verärgerten Ärzte fallen beim Kommunikationsdesaster des Noch-Gesundheitsministers wohl in die Kategorie Kollateralschaden.

Die Kommunikation versagt, dies ist zumindest inzwischen mein Eindruck, auf sämtlichen Ebenen.

Auch vor Ort gilt: Es läuft nicht optimal

Jetzt, als Betroffener in Quarantäne, offenbart sich mir auch die Misere auf lokaler Ebene. Klar: Das Gesundheitsamt kümmert sich. Man wird nach dem positiven PCR-Abstrich telefonisch kontaktiert. Freundliche Mitarbeiter des Ordnungsamt schauen hin und wieder Zuhause vorbei und überzeugen sich, dass man sich auch wirklich in den eigenen vier Wänden aufhält und nicht fröhlich draußen seine Viren weitergibt. Besser geht es kaum. Auf Fragen zur Quarantäne, die ich via Email stelle, bekomme ich Antworten – meistens sogar sehr zeitnah.

Das Problem bei diesem letzten Lob ist:

Diese Fragen wären, bei einer korrekten Informationsstrategie, gar nicht nötig.

"Anordnung der Absonderung" des Gesundheitsamtes Duisburg; Foto: Peter Ansmann
„Anordnung der Absonderung“ des Gesundheitsamtes Duisburg; Foto: Peter Ansmann

Bei der Anordnung der häuslichen Quarantäne ist im Brief des Gesundheitsamtes zu lesen:

Bei Ihnen wurde das Coronavirus (SARS-CoV-2) oder eine neuatige Variante des Coronavirus (SARS-CoV-2-VoC) festgestellt. Sie sind damit Kranker oder Ausscheider i. S. d. § 2 Nummer 4 oder 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Auf diesem Grund müssen Sie, wenn Sie sich nicht in einem stationären Aufenthalt befinden, für den unten genannten Zeitraum eine sogenannte häusliche Quarantäne einhalten Diese gilt für Sie ab dem 12.11.2021 bis einschließlich 26.11.2021.Ich bin bei der Bemessung der Quarantäne davon ausgegangen, dass Sie mindestens 48 Stunden vor deren Ablauf beschwerdefrei sind oder die Beschwerden zumindest deutlich rückläufig sind.

Soweit, so gut. Klare Ansage. Ab dem 27.11.2021 darf ich meine vier Wände wieder verlassen. Das Problem dabei ist: Wenn man Google bemüht und mit dem Begriffen wie „Quarantäne“ und „Corona“ sucht, findet man die Quarantäneverordnung des Landes NRW, in der dann im §4 zu lesen ist:

Die Quarantäne endet, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen beziehungsweise während der Quarantäne auftreten, frühestens nach 14 Tagen ab der Vornahme des ersten Erregernachweises. Zusätzlich muss zur Aufhebung der Quarantäne am letzten Tag der Quarantäne ein negativer Coronaschnelltest vorliegen. Das Testergebnis ist dem Gesundheitsamt mitzuteilen. Bei Vorliegen von Krankheitssymptomen verlängert sich die Quarantäne bis die Symptome über einen ununterbrochenen Zeitraum von 48 Stunden nicht mehr vorliegen. Absatz 3 gilt entsprechend. Das zuständige Gesundheitsamt ist in diesem Fall über das Vorliegen der Krankheitssymptome, das zur Verlängerung der Quarantäne führt, sowie deren Ende zu informieren.“

Die – sicher nicht nur für mich – verwirrende Stelle habe ich in diesem Beispiel mal fett markiert. Von einem negativen Schnelltest ist im Schreiben des Gesundheitsamtes nichts zu lesen. Dass hier Klarheit fehlt, ist ein Fehler in der Bekämpfung der Seuche auf lokaler Ebene. Und auch die Mitteilung darüber, dass das Schreiben als Genesungsnachweis taugt, ist nicht klar:

„Bitte bewahren Sie dieses Schreiben auf! Nach Ablauf der Quarantäne dient es als Genesungsnachweis!“

Wieder war hier eine Rückfrage meinerseits nötig: Weil ich, klar, einen QR-Code für meine Corona-Warn-App brauche. Die Antwort des Gesundheitsamtes kam prompt:

Das Genesenenzertifikat kann Ihnen eine Apotheke ausstellen wenn Sie Ihren Ausweis sowie den PCR Befund vorlegen.Dieses können Sie dann über die App einscannen. Sie gelten erst 28 Tage nach der Infektion als Genesen.

Die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt vor Ort funktioniert – man könnte sich nur viel Email-Verkehr sparen, wenn man solche Aussagen direkt in den Brief einbauen würde.

Unsicherheit ist das Letzte, was man in der aktuellen Lage braucht.

Der neue Gesundheitsminister wäre gut beraten die aktuelle Kommunikationsstrategie zu überdenken. Damit wir besser durch die fünfte Welle kommen. Oder endlich richtig durchgeimpft werden kann.

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ke
ke
3 Jahre zuvor

"Tine, was kosten die Kondome" . An diese Werbung wird sich jeder erinnern.
Jetzt stehen wir vor der größten Pandemie seit langer Zeit, wir haben immer mehr Absolventen von "irgendwas mit Medien". Gleichzeitig schaffen es Regierung, Behörden etc. nicht, einfachste Verhaltensweisen an weite Teile der Bevölkerung zu kommunizieren.

Wir sind die Deppen der Welt. Wir haben hervorragende Voraussetzungen, sind aber nicht in der Lage, die PS auf die Straße zu bringen.

Die Generation "Ich mal mal ne tolle 08/15 Präse mit Buzzwords" zeigt einfach, dass sie an vielen Dingen scheitert. Spahn ist Prototyp dieser Charaktere. Er kümmert sich um keine Hintergründe/Machbarkeiten, sondern kommuniziert jeden Tag, was er gut findet. Digitalisierung, schlanke Prozesse etc. Was kümmern sie den Minister, wenn er nächsten Tag wieder mit einer geplanten Aktion auf Seite 1 der Zeitungen steht.

Insgesamt scheitert Deutschland bei Corona auch am Zeitgeist. Da sind die wenigen Forscher wie bei Biontech, Curevac etc. große Ausnahmen, die Hoffnung geben. Vielleicht merkt ja die nächste Generation, dass man auch fundiertes Wissen braucht.

BTW: Ist man als Infizierter nicht in Isolation?

Bochumer
Bochumer
3 Jahre zuvor

Schön, dass.du wieder fit wirst. Der Artikel zeigt sich deutlich, wo die Probleme liegen. Dank dafür.

Helmut Junge
Helmut Junge
3 Jahre zuvor

@KE, es ist schon merkwürdig, daß jemand in Quarantäne so viel von der Welt mitbekommt. Jedenfalls von der Internetwelt. Nicht von den Nachbarn im nächsten Haus. Aber z.B. von mir. Obwohl ich mein Haus kaum verlasse und den Autor nicht persönlich kenne. Was ist das eigentlich für eine Sorte Quarantäne? Was ist die überhaupt wert? Früher war alles härter.

paule t.
paule t.
3 Jahre zuvor

@ Autor: Bei dem Zitat aus dem Brief des Gesundheitsamtes war ich kurz verwirrt – es sah so aus, als hätte das Gesundheitsamt eine Qurantäne angeordnet, die gut zwei Wochen nach ihrem Ende beginnt. Da hat sich ein kleiner Abtippfehler eingeschlichen 😉

@ ke #1: Es ist ja nett, dass SIe uns an Ihrer Abneigung gegen "irgendwas mit Medien" teilhaben lassen. Aber wenn die Leute ihre Fakten richtig beisammen haben, diese aber nicht vernünftig kommunizieren können, scheint es eher so zu sein, dass an diesen Stellen Leute sitzen, die sich im Gegenteil _zu wenig_ mit "irgendwas mit Medien" beschäftigt haben, oder?

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