Die Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP will mit dem Demokratiefördergesetz die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen absichern, die sich für politische Bildung, Extremismusprävention und die Gestaltung der Vielfalt einsetzen. Es könnte zu einem weiteren Durchbruch postmoderner Ideologien führen.
Wirft man einen Blick in die Begründung der Bundesregierung für die Schaffung des Demokratiefördergesetzes ist das „friedliche und respektvolle Zusammenleben“ in Deutschland in Gefahr und wird von allen Seiten angegriffen: „In den vergangenen Jahren haben insbesondere die rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten immer weiter zugenommen. Daneben zeigen unter anderem Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit und Extremismen wie Rechtsextremismus, islamistischer Extremismus, Linksextremismus sowie Hass im Netz, Desinformation und Wissenschaftsleugnung und die gegen das Grundgesetz gerichtete Delegitimierung des Staates die Vielzahl demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene auf.“
Jeder der einzelnen Punkte, der da von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf genannt ist, ist ein reales Problem, das angegangen werden sollte, auch wenn in der Praxis schnell Zielkonflikte entstehen werden: Zahlreiche Gruppen aus der Queerszene ignorieren die biologische Tatsache der Zweigeschlechtlichkeit bei Menschen und gehören damit zu den Wissenschaftsleugnern. Wer Frauenfeindlichkeit bekämpfen will, sollte dafür sorgen, das Männer, die durch einen reinen „Sprechakt“ zu Frauen werden wenn sie es wollen, so wie es das Selbstbestimmungsgesetz ermöglichen will, keinen Zugang zu Schutzräumen von Frauen erhalten. Und was Hass im Netz ist, darüber kann man trefflich streiten: Es gibt Fälle, bei denen Facebook schon das Posting von Berichten aus bekannten und seriösen Medien untersagte.
Aber das ist nicht alles. Das große Problem an dem Gesetz sind nicht die Probleme, die es angehen will, sondern das Milieu, das die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) prägt, die in Zukunft mehr Geld und das auch sicherer bekommen werden. Die Neue Zürcher Zeitung zitiert in einem Bericht Ahmad Mansour: „Eine Milliarde Euro habe die deutsche Politik nach dem Anschlag von Hanau 2020 für die Bekämpfung von Rassismus mobilisiert, rechnete der Islamismus-Experte Ahmad Mansour vor. Er wandte sich nicht grundsätzlich dagegen. Das Geld gehe aber überwiegend an Akteure, die der Identitätspolitik nahestünden.“
So setzt der heute schon im Rahmen des Projekts Demokratie Leben geförderte Kölner Verein „Holla“ einen Schwerpunkt bei der Unterstützung von „Mädchen, inter-, nicht binäre-, trans- und agender Jugendliche mit Intersektionalitätserfahrungen im Alter von 12-22 Jahren.“ auf „Critical Whiteness„. Critical Whiteness entspringt der Critical Race Theorie und ist ein Teil des bunten Straußes postmoderner Ideologien.
„Die Critical Race Theory (CRT) ist die Wurzel der heute weit verbreiteten, offensichtlich sinnlos-manipulativen Vorstellung, dass ein schwarzer Mensch, der behauptet, Rassismus erlebt zu haben, automatisch recht hat, einfach weil … er Schwarz ist und vor dem Hintergrund ›seiner Erfahrung‹ spricht.“ schreibt der amerikanische Linguist John Hamilton McWhorter in seinem Buch „Die Erwählten.“ Bei Critical Whiteness geht es nicht um die Bekämpfung von Rassismus, die Schaffung von Gleichberechtigung und gleicher Chancen. Den Universalismus, der den Rassismus überwinden will, ist ignoriert sie. Im Gegenteil: Sie sortiert Menschen nach Rassen und erklärt die einen zu geborenen Opfern und die anderen zu Tätern, die keine Möglichkeit haben, der „Erbsünde“ des Rassismus zu entgehen. In vielen geförderten Projekten und auch auf offiziellen Seiten der Bundesregierung, übrigens schon seit der Zeit der Großen Koalition ist Critical Whiteness ein maßgeblicher Ansatz, der auch nicht mehr hinterfragt wird. Postmodernen Denken, dass sich gegen die Ideen der Aufklärung stellt wird so zu einer Art staatlicher Doktrin bei der Bekämpfung von Rassismus. Und diejenigen, welche ein solches Denken propagieren, dürfen sich bald über noch mehr Geld einer Gesellschaft freuen, die sie zutiefst verachten und ablehnen.
Auch wer glaubt, bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus ginge es gegen Neonazis und Anhänger von neurechten Gruppen wie den Identitären irrt. Begriffe wie rechtsradikal oder faschistisch werden inhaltlich massiv ausgedehnt. Transaktivisten bezeichnen Feministinnen als Faschisten, Kritiker der Migrationspolitik wie der Politologe Herfried Münkler werden pauschal als rechtsradikal und rassistisch denunziert.
Fraglich ist allerdings auch, ob die in die Bekämpfung von Rassismus, Homophobie und Antiziganismus jemals ihr Ziel erreichen werden. Die wirtschaftliche Logik professioneller NGOs spricht dagegen: Sollten sie ihre Ziele erreichen, würde das einen Rückgang der Förderung bedeuten, etwas, das schon aus ihrem Eigeninteresse heraus nicht eintreten kann. Auch NGOs sind autopoetische Systeme und darauf ausgerichtet, mindestens sich selbst zu erhalten. Im Idealfall wollen sie, wie jedes Unternehmen, wachsen. Sie haben keinerlei Interesse daran, die Probleme zu lösen, aufgrund derer sie Geld vom Staat bekommen. Gründe für die weitere Förderung werden sich immer finden und seien es mal mehr, mal weniger imaginäre „Mikroaggressionen“. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, niemand schafft seinen eigenen Job ab. Sie handeln wirtschaftlich vollkommen vernünftig.
Faktisch wird das Demokratiefördergesetz wenig zur Bekämpfung von Rechtsradikalismus und den anderen zurecht erkannten Bedrohungen für die Demokratie beitragen. Es wird allerdings einer zunehmend von postmodernen Ideologien geprägten Schicht von Akademikern eine wirtschaftliche Basis verschaffen, von der aus sie die Gesellschaft eher spalten als befrieden werden. Der Ampelkoalition steht frei, das zu tun. Findet sie für ihre Politik eine Mehrheit im Bundestag, ist eine solche Entscheidung demokratisch legitimiert. Allerdings sollte sie es dann auch offen sagen.
Die eine Milliarde geht nicht allein an Initiativen, sondern fließt auch in bestehende staatliche Strukturen, das lässt sich relativ leicht recherchieren. Die Unterstellung Mansours, man fördere damit Identitätspolitik, wird nicht bewiesen. Und selbst wenn es so wäre: Dass der „Universalismus (…) den Rassismus überwinden“ wolle, hat bislang nicht geklappt, es sei denn, man bezeichnet als Universalismus das generelle Recht, im Bus zu fahren (die einen sitzen eben vorne, die anderen hinten) oder das Mittelmeer zu bereisen (die einen mit der Aida, die anderen im Schlauchboot).
So bleibt dann am Ende die unbegründete Unterstellung, die Fördergeldempfänger – die stets damit rechnen müssen, dass ihnen das Geld, mit dem sie (Bildungs-)Aufgaben erledigen, die der Staat vernachlässigt, wieder entzogen wird – würden „die Gesellschaft eher spalten als befrieden“. Wie sehe denn eine „befriedete“ Gesellschaft aus? Auch diese Frage bleibt unbeantwortet.
Gruß aus Köln
Rudi
„Critical Race Theory“ ist eine rechtswissenschaftliche Theorie, die sich seit den 70er Jahren als Folge der Bürgerrechtsbewegung mit der über Generationen gewachsenen Manifestation von gesellschaftlichem Rassismus in Gesetzen und staatlichen Strukturen beschäftigt. Was hier zur Sprache kommt, hat damit aber wenig zu tun (das verwendete Zitat spricht ja auch ausdrücklich nur von „ist die Wurzel“), sondern die Verwendung des CRT-Begriffs in diesem Kontext ist der seit wenigen Jahren bestehenden Versuch rechtsextremer politischer Kräfte, durch Überzeichnung den Begriff und das dahinterstehende Konzept zu diskreditieren und beschädigen. Dafür wird er gezielt für Dinge benutzt, die zwar auch etwas mit dem großen Themenbereich Rassismus zu tun haben, aber in diesem nur am Rande vorkommen bzw. vertreten werden, mit dem Ziel, dass Leute irgendwann automatisch abschalten wenn sie das Wort hören (weil sie es nur mit Extremen verbinden) und letztendlich die kritische Reflexion von Rassismus komplett unmöglich wird, sprich Rassismus ungestört weiterbestehen kann.
Oder kurz gesagt: Was hier beschrieben wird, ist nicht CRT, auch wenn manche Akteure in den USA das gezielt so labeln und populistisch ausnutzen. Bitte nicht durcheinanderwerfen!
Ich denke die im Artikel dargestellten Zusammenhänge treffen alle zu. Die Auswirkungen dieses Gesetzes werden aber meiner Meinung nach weiter reichen als das. Um das zu illustrieren, muss ich 50 Jahre in der Vergangenheit zurückgehen, in die DDR: In der DDR gab es neben der ökonomischen Leitung in jedem Unternehmen noch eine ideologische. Die war Teil der SED. Jede wirtschaftliche Entscheidung wurde von vom zuständigen Funktionär auf ihre Konformität zur Ideologie geprüft. Fiel diese Prüfung negativ aus, war der wirtschaftliche Standpunkt egal. Wie bei jeder Ideologie wurden Probleme nur durch die Brille gesehen, die das ideologische Gebilde schützte. Die realen Probleme konnten nicht besprochen werden. „Darüber können wir nicht sprechen, dass nützt nur dem Klassenfeind!“, „Wie kannst Du damit kommen, gehörst Du etwa auch zu den Konterrevolutionären?“ Kommen Ihnen diese Floskeln bekannt vor? Die waren damals immer wieder zu hören. Dieses Schweigen lag wie Mehltau über dem ganzen Land. Die wirtschaftlichen Folgen sind bekannt.
Und noch ein zweiter Gedanke: Wenn der Staat versucht, eine Ideologie durchzusetzen, dann ist das wie der Versuch, das Diktum von Böckenförde durch einen Widerspruchsbeweis nachzuweisen. Es wird sich zeigen, dass der Staat die Voraussetzungen, die er für seine Existenz benötigt nicht selbst schaffen kann, ohne seine demokratische Verfasstheit zu verlieren. Proof me wrong.