„Das Denunziantentum der Ruhrbarone mit der Stasi zu vergleichen, wäre als Vergleichsbasis vermutlich zu harmlos“


Am vergangenen Montag erschien auf diesem Blog ein Artikel darüber, dass die Berliner Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo einen offenen Brief von Artists for Palestine unterschrieben hatte, in dem sie sich verpflichtete, „keine beruflichen Einladungen nach Israel anzunehmen und keine finanzielle Unterstützung von Institutionen anzunehmen, die mit der israelischen Regierung verbunden sind, bis Israel das Völkerrecht und die universellen Grundsätze der Menschenrechte einhält.“ Artists for Palestine ist einer der britischen Ableger der BDS-Kampagne, deren Ziel es ist, Israel durch Boykottmaßnahmen zu vernichten. Otoo sollte den Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum erhalten, aber die Stadt setzte das Verfahren aus und suchte das Gespräch mit der Autorin. Otoo erklärte daraufhin, dass sie den offenen Brief heute nicht mehr unterschreiben würde, und schlug vor, das Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro einer gemeinnützigen Organisation zu spenden. Sie selbst würde den Preis nicht mehr annehmen, um ihn nicht zu beschädigen. Honoriger hätte sich Otoo nicht verhalten können. Die Rückmeldungen, die wir nach dem Artikel aus der Politik und der Stadtverwaltung in Bochum erhielten, waren durchweg positiv.

In der Folge wurden gegen dieses Blog und gegen alle anderen, die in der Vergangenheit Beiträge über das Verhältnis von Künstlern zu antisemitischen Kampagnen veröffentlicht haben, verschiedene Vorwürfe erhoben. Die Schriftstellerin Eva Menasse schrieb in ihrer Funktion als Sprecherin des PEN Berlin, indem auch der Autor Mitglied ist: „Die Gesinnungsschnüffelei auf Unterschriftenlisten untergräbt die Rede- und Kunstfreiheit und macht weder den Staat Israel noch die in Deutschland lebenden Juden sicherer.‘ Der Journalist Hanno Hauenstein ging sogar so weit zu behaupten: „Das Denunziantentum der Ruhrbarone mit der Stasi zu vergleichen wäre als Vergleichsbasis vermutlich zu harmlos.“ Ein Blog schlimmer als eine staatliche Organisation, die Millionen Menschen unterdrückte, mit Terroristen zusammenarbeitete und Gegner durch Killerkommandos ermorden ließ?

Eva Menasse bei der Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille an Robert Menasse im Staatstheater Mainz am 18. Januar 2019 Foto: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Menasses und Hauensteins Äußerungen sind unbeholfene Versuche, journalistische Recherche in die Nähe geheimdienstlicher Arbeit zu rücken.

Abgesehen davon, dass es vollkommen in Ordnung und auch durch das Gesetz gedeckt ist, vertrauliche Quellen für die journalistische Arbeit zu nutzen, war das im Fall des Artikels über Otoo nicht notwendig: Sie hatte ja einen offenen Brief unterzeichnet. Und einen solchen verfasst man, damit er gelesen wird. Prominente werden häufig gebeten, diese Briefe zu unterzeichnen, um deren Wirkung zu verstärken.

Das Denunzieren normaler, nicht einmal besonders aufwendiger und ausgeklügelter Recherchen als Gesinnungsschnüffelei soll alle abwerten, die genauer hinschauen, wer Preise oder öffentliche Förderung erhält. Lange interessierte das niemanden. Israelkritik bis hin zum offenen Antisemitismus gilt bis heute in Teilen des Kultur- und Hochschulmilieus als schick. Mal steckt Überzeugung dahinter, mal reiner Opportunismus, denn er ist mittlerweile ein Erkennungszeichen, dass man dazugehört. Und dazugehören muss man, wenn man Karriere machen will. Das ändert sich gerade: Gelang es den wohlbestallten Kulturmanagern der Initiative wie GG-Weltoffenoffenheit noch, die Kritik an der Nähe von Künstlern und Intellektuellen zum antisemitischen BDS halbwegs wieder einzuhegen, scheint das nach den Massakern des 7. Oktobers in Israel nicht mehr ohne weiteres möglich zu sein: 1200 Tote, Hunderte Geiseln, das Verteilen von Süßigkeiten nach Beginn des Pogroms in Neukölln, Juden, die Angst haben, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen und in Häusern leben, die mit Davidsternen markiert werden, die Forderung nach Einführung des Kalifats auf einer Demonstration in Essen, die viele antisemitische Parolen auf propalästinensischen Kundgebungen und Aufmärschen und die Exzesse an der Universität der Künste Berlin. Diese Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Und das Wissen um die Vorfälle ändert den Blick auf Gesagtes und Geschriebenes. Es wird unbequem, in der Nähe des BDS und anderer antisemitischer Kampagnen und Organisationen zu stehen. Man muss sich erklären und es kann sein, dass öffentliche Gelder nicht mehr wie gewohnt fließen. Der neue Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) hat damit begonnen, die Vergabe von Geldern an Gruppen zu stoppen, die mit Antisemiten zusammenarbeiten. Das gefährdet die wirtschaftlichen Grundlagen eines Milieus, in dem mindestens ein Schicki-Micki-Antisemitismus zum guten Ton gehörte. Aber was verliert die Gesellschaft, wenn das Beispiel Chialo Schule macht? Nichts.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
11 Monate zuvor

Daß Hauenstein eher zu den simplen Gemütern mit hermetischem Weltbild gehört, dürfte den meisten gut informierten Lesern klar sein. Es gibt Menschen, von denen will man nicht wertgeschätzt werden.

Menasse im Reigen der Einfältigen zu sehen, ist da schon überraschender.
Ist es törichte, blinde Solidarität mit einer Kollegin, die sich selber inzwischen klüger geworden zeigt?
Schaut man auf den Wortlaut, kommt mir der Begriff „Majestätsbeleidigung“ in den Sinn. Man ist es scheinbar gewohnt, auch schon mal elend dummes Zeug rauszuhaun und trotzdem mit Ehrfucht rezipiert zu werden. Eine Gewohnheit, die über hunderte von Leichen hinweg nicht mehr recht aufrecht zu erhalten ist. Soviel Liebesentzug verstört nun beim PEN. Plötzlich hat das eigene Gerede eine Relevanz, die man nicht gewohnt ist. Eine Relevanz die man einerseits herbeisehnte, aber andereseits ganz offensichtlich nun auch fürchtet.

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[…] man muss erfahren, dass die Ruhrbarone schlimmer als die Stasi seien. Schlimmer als die Stasi war auch die Gestapo. Also sind die Ruhrbarone […]

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