Das Duell: Bloß nicht so weiter!

Stefan Laurin hat Recht, das TV-Duell war eines: langweilig. Aber da hört auch schon fast meine Zustimmung mit ihm und seinem „Weitermachen!“ auf. Ich wünsche mir wieder Politik und Kontroverse – beides ist von einer Fortsetzung des GroKodils nicht zu erwarten.

Schulz war gewohnt einschläfernd und pseudo, pseudo-lustig, pseudo-angriffslustig, pseudo-volksnah, pseudo-dankbar. Er besitzt den Charme eines Finanzbeamten nach zwei Pils und einem Korn, und man ist dankbar, dass es nicht mehr ist, weil der dann immer so nah kommt und erzählt, was er alles dem Heiko und dem Sigmar sagen könnte. Schulz liest Sachen, Schulz telefoniert, Schulz geht auf Friedhöfe. Für die Kanzlerschaft ist das alles zu wenig, und Frageeinleitungen mit „Wenn Sie Kanzler wären,…“ hörten sich stets wie Hohn an. Schulz hat keine Machtoption, genauer: keine Kanzlerschaftsoption. Die SPD hat es verpaßt, die bestehende Möglichkeit mit der LINKEN und den GRÜNEN im Bundestag auszuprobieren, oder den Wählern links der Mitte klar zu machen, dass sie bereit wäre, diese Chance zu ergreifen, sollte sie sich bieten. Somit bleibt dann eben nur das GroKodil – und Schulz hofft auf eine Präsidentschaft nach Steinmeier.

Merkel war präsidial, und schafft es nun seit über einer Dekade damit durchzukommen. Sie hat keine Visionen, und ihre Anhänger lieben diesen einschläfernden Stil, und verwechseln ihn mit Pragmatismus. Auch Merkel ruft Leute an, auch Merkel hat Sachen gelesen, auch Merkel finde ersaufende Flüchtlinge und Erdogan (nicht-ersaufend) doof. Sowas nennt man dann derzeit schon Positionierung. Merkels CDU als politische Partei mit einer eigenen Dynamik gibt es nicht, und die oft etwas übergewichtigen Jungs von der Jungen Union freuen sich darüber. Es könnte ein Tucholsky-Gedicht sein, es ist die politikgewordene Realsatire. Es ist die Abwesenheit von strategischen Zielen und politischen Utopien. Und es ist eine Union, die in jedem Fall die Kanzlerin stellen wird, egal mit wem. Die Frage nach schwarz-grün war da für Merkel von der selben Qualität wie für Schulz die Frage was er täte, wenn er Kanzler wäre.

Im „TV-Duell“ (im Sinne laufender Koalitionsverhandlungen im TV) ging es um Ausländer, Flüchtlinge und Außenpolitik. Donald Trump ist für die meisten Deutschen sicherlich ein Ärgernnis, aber das war es dann auch. Das sind alles Themen, die man wohl von den Rechtspopulisten (egal ob Wagenknecht oder Bernd Höcke) zurück haben will. Ebenso wie die Wähler. Laut ARD-Umfrage hat dies bei 10% geklappt. Na immerhin. Dafür wurden Themen, die Wähler wie mich interessierten, einfach gar nicht besprochen. Bei wem muß ich weniger Steuern zahlen, wie wird der Arbeitnehmer, wie der Unternehmer, wie der Industrielle entlastet? Wo bekomme ich mehr Freiheiten? Oder meinetwegen mit linkem Vorzeichen: wo wird der Staat die Reichen stärker gängeln, mehr Staatskohle in wasauchimmer stecken? Schulz wenigstens zeigte sozialdemokratisches Unverständnis zu Steuern: wenn die Mehrwersteuer sinkt, erhöhen die Unternehmen die Preise, niemand hat was davon – so seine Logik. Dass Unternehmer auch Bürger sind, und diese dann auch Arbeitnehmer mehr zahlen könnten, das weiß Schulz nicht – in Brüssel lernt man: was der Bürger braucht, das bekommt er vom Staat.

Es ging nie um Digitalisierung, es ging nie um die Frage, wie Deutschland wieder aus dem wirtschaftlich und innovatitven Mittelfeld in die Top-Liga aufsteigen kann. Für Andere ging es nie um das bedingungslose Grundeinkommen, nie um die Frage der Altersarmut, nie um steigende Mieten und Gentrifizierung.

Es war bitter. Und die klare Wahlempfehlung des gestrigen Abends ist meines Erachtens: wählt wen anders. Ich persönlich werde liberal wählen, aber seit gestern verstehe ich erstmals auch die Wähler der LINKEN und Grünen. Dafür kann ich nur sagen: Danke Merkel, Danke Schulz!

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Marcel
Marcel
7 Jahre zuvor

Tschuldigung, aber wer wegen eines TV-Duells oder Wahlwerbung oder Wahlwerbespots seine Wahlentscheidung fällt hat sie doch nicht mehr alle. Mir geht der ganze Mist am Arsch vorbei.

Martin Kaysh
7 Jahre zuvor

Interessant, wie man anders sehen kann, wenn man nur will.
Nehmen wir mal Spiegel online.
" Selbst bei der CDU ist man überrascht über die Umfragen
Für viele Beobachter in Studio G sind die Ergebnisse der Blitzerhebungen überraschend. Schulz hat sich mehr als ordentlich geschlagen, das ist das vorherrschende Stimmungsbild. Selbst im Unions-Lager können sie am Ende gar nicht so recht glauben, wie das Duell draußen im Land angekommen ist. Bei den Merkel-Unterstützern ist die Stimmung unmittelbar nach der Sendung ziemlich verhalten. Dann kommen die Blitzumfragen, die Merkel vorne sehen. Und plötzlich ist wieder alles gut."

Thomas S
Thomas S
7 Jahre zuvor

Es geht nicht nur um Steuern:
"Bei wem muß ich weniger Steuern zahlen, wie wird der Arbeitnehmer, wie der Unternehmer, wie der Industrielle entlastet?"

Änderungen bei Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Vermögenssteuer machen beispielsweise für viele der Personen, die steuerlich nominell laut Programm entlastet würden, diese Vorteile wieder komplett kaputt.

Donngal
Donngal
7 Jahre zuvor

Mir ist meine Wahl selten so leicht gefallen wie dieses Jahr. Das hätte ich Anfang des Jahres noch nicht gedacht.

Ich habe wirklich damals gedacht die SPD wählen zu können. Hatte ich doch immer schon Bauchschmerzen dabei, mein Kreuz bei der Linken zu machen. Doch die SPD hat mir die Entscheidung so einfach gemacht wie lange nicht mehr. Alles was mir wichtig ist, ist für die SPD scheinbar scheiss-egal. Und da die Grünen mit ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit bleibt mir als linksdenkender Mensch nur die Linke. Einen linken Flügel der SPD der auch nur annähernd was zu sagen hat scheint es allenfalls auf lokaler Ebene noch vereinzelt zu geben, auf Bundesebene ist die SPD tot für mich.

ke
ke
7 Jahre zuvor

Mein persönliches Highlight war, dass Frau Merkel die fehlende europäische Koordination/Handlungsfähigkeit vorgeworfen wurde und sie die Hürde auch überspringen wollte.

Ich dachte immer, Herr Schulz hat jenseits von Standing Ovations und Anwesenheitsbestätigungen jahrelang europäischen Spitzenpositionen ausgefüllt. Da hätte dies doch eigentlich seine Aufgabe sein müssen.

Es wurde offensichtlich, dass man bis auf schwachsinnige Grenzwerte (siehe Staubsauger) wenig von Europa erwarten kann.

In internationalen Konferenzen etc. wird Frau Merkel oft als erfolgreich beschrieben. Wie macht sie das dort nur?

Ein weiterer Höhepunkt war das Abschlußstatement der Kandidaten.
Herr Schulz spielte den Pseudointellektuellen und Frau Merkel wollte sich als Visionärin präsentieren. Offensichtlich hat sie auf der Computerspielemesse gemerkt, dass es das Internet schon länger gibt.
Ein Armutsbeweis für die dt. politische Landschaft. Offensichtlich will die Kanzlerin, dass wir die Wahlen eingelullt verschlafen und die SPD hat sich als mitregierende Partei eingerichtet.

Tietze, Marlis
Tietze, Marlis
7 Jahre zuvor

Sollten sie die eigerlegende Wollmichsau nach der sie in ihrem Artikel offensichtlich forschen finden , bitte ich um Benachrichtigung. Die wähle ich dann auch.

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