In Duisburg kam es zu einer Schießerei zwischen Angehörigen eines türkisch-libanesischen Clans und Rockern der Hells Angels. Was lief in der Stadt falsch, dass die Kriminalität so eskalieren konnte?
Hunderte Menschen drängten sich auch am vergangenen Samstag am Markttag auf dem Altmarkt in Duisburg-Hamborn. Sie kaufen Obst und Gemüse, trinken einen Kaffee oder essen in einem der Restaurants in der Nähe des Marktes einen Döner. Ein Zug der Bereitschaftspolizei beobachtet entspannt und aus einem guten Dutzend Meter Entfernung die Käufer an diesem sonnigen Frühlingstag. Sie stehen bereit, einzugreifen wenn etwas passieren sollte. Nur wenige Tage zuvor hatten sich hier am Donnerstag 80 bis 100 Männer ein Gefecht geliefert, wie es in Deutschland nur selten vorkommt. Hells Angels und Mitglieder eines türkisch-libanesischen Clans gerieten aneinander, prügelten erst aufeinander ein, bevor sie Waffen zogen und mindestens 19-mal schossen. Vier Männer wurden durch die Schüsse verletzt. Sie waren alle an der Auseinandersetzung beteiligt. Wie durch ein Wunder kamen keine Unbeteiligten zu Schaden.
Nur weniger Meter vom Marktreiben entfernt sind immer noch die Kreise zu sehen, mit denen die Polizeibeamten die Fundstellen der Patronen markierten. 15 Männer nahmen die Beamten fest und mussten sie am nächsten Tag wieder freilassen. Keiner sagte aus, die Beweise reichten nicht, um sie in Haft zu behalten. „Eines haben Clans und Rocker mit der Mafia gemeinsam: Sie reden nicht mit der Polizei“, sagt Jacqueline Grahl, Polizeihauptkommissarin und Pressesprecherin der Duisburger Polizei. Das erschwere die Ermittlungen. Die Polizei weiß bis heute nicht, was der Anlass der Schießerei war. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen aufgenommen.
Die Grenzen zwischen Clans und Rockern verschwimmen. „Die Zeiten, in denen in Rockergruppen nur Deutsche waren, sind schon lange vorbei. Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, Menschen mit Migrationshintergrund sind überall dabei, auch bei den Rockern,“ sagt Grahl. Die Grenzen zwischen Clans und Rockern wie den Hells Angels seien fließend: „Sie sind in denselben Bereichen wie Drogenhandel und Prostitution aktiv. Manchmal tun sie sich zusammen.
Nach der Schießerei hat die Polizei reagiert und zwei mobile Kameras auf den Altmarkt installiert. Erst einmal vier Wochen sollen sie dort bleiben. „Wir würden den Altmarkt auch danach noch gerne weiter überwachen und schauen, wie man das rechtlich absichern kann“, sagt die Polizeihauptkommissarin. An anderen Stellen, zum Beispiel in Marxloh, habe sich Kameraüberwachung bewährt. In dem Bereich, der observiert werde, sei die Zahl der Delikte zurückgegangen.
Die Polizei hat begonnen, zahlreiche Videos auszuwerten, die sie über Internetseite nrw.hinweisportal.de zugeschickt bekam. Die Qualität der Aufnahmen ist nach Angaben von Duisburg Polizeipräsident Alexander Dierselhuis gut. Es besteht die Chance, einige der Täter identifizieren zu können.
Neben dem Altmarkt lieg das Café Meydan. Fast alle Tische sind am Markttag besetzt. Die Menschen plaudern bei einer Tasse Kaffee oder essen einen Burger mit Chilicheese-Sauce. „Ich mache mir keine Sorgen“, sagt einer der Kellner. „Die Polizei hat ja auch auf dem Platz zwei Kameras aufgestellt.“
Der Mann vom Kartoffelstand nur ein paar Meter weiter sagt, er habe noch keine Zeit gehabt, über die Schießerei nachzudenken und räumt die nicht verkauften Erdfrüchte in seinen Lieferwagen.
Drei Jungs am Rand des Marktes sind gesprächiger. Sie sitzen auf Bänken neben einem mobilen Dönerstand. Ihre Namen wollen sie nicht nennen, aber Angst haben sie nach der Schießerei nicht: „Das hier ist Duisburg. Hier ist immer schon viel Kriminalität. Eine Schießerei gehört dazu“, sagt der größte von Ihnen und lächelt cool und selbstbewusst. Wegziehen wollen sie alle nicht: „Ich bin hier geboren“, sagt derjenige von ihnen, dem schon ein Bart wächst. „Wo soll ich hin? Nach Mülheim? Duisburg ist meine Heimat. Anderswo bekäme ich Heimweh. Also nicht, dass ich weinen würde, aber ich würde Hamborn schon vermissen. Hier wohnen doch alle meine Freunde.“
Deniz Güner hält die Aussagen der jungen Männer für Unsinn: „Es gab auch früher Schlägereien in Hamborn, aber noch nie eine Schießerei. Es ist Blödsinn, so etwas zu erzählen. Die Anwohner haben Angst, Eltern machen sich Sorgen, ihre Kinder in die Schule zu schicken.“ Güner kennt sich im Viertel aus, ist hier aufgewachsen und wohnt heute nur einen guten Kilometer vom Altmarkt entfernt. Seine Eltern sind aus der Türkei nach Deutschland eingewandert. Güner wurde in Duisburg geboren, ist Diplom Betriebswirt und war Direktkandidat der CDU für den Duisburger Norden bei der Landtagswahl. Für ihn gibt es mehrere Gründe, warum es zu der Schießerei kam, warum Duisburg ein Problem mit Clans hat: Einer ist der ebenfalls aus Duisburg stammende ehemalige NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der nicht einmal ein Lagebild zur Organisierten Kriminalität in der Stadt erstellt habe. „Jäger hat sich um das Thema schlicht nicht gekümmert. In den sieben Jahren, die er Innenminister war, hat sich die Organisierte Kriminalität in Hamborn festgesetzt.“ Die Täter seien, was ihre Herkunft betrifft, gemischt: „Da sind Deutsche ebenso dabei wie Türken und Libanesen. Und wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald auch noch eine organisierte Kriminalität mit bulgarischem und rumänischem Hintergrund.“
Den Clans will er mit mehr Härte begegnen, aber für alle, die raus aus der Szene wollen, müsse es Ausstiegsangebote geben. „Und Wiederholungstäter ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollten schneller abgeschoben werden.“
Die anderen Gründe haben mit den Problemen zu tun, mit denen die Menschen im Hamborn zu kämpfen haben. Güner hat alle Zahlen parat und sie sind erschreckend: „Wir haben eine Scheiß-Gesamtsituation, anders kann man es nicht sagen. 44 Prozent der Menschen im Duisburger Norden sind arbeitslos, in Hamborn sind es 31 Prozent. In Deutschland beträgt die Arbeitslosigkeit zurzeit gut fünf Prozent.“ Weil die Schulen aus allen Nähten platzen, würden die Kinder in 140 Containern unterrichtet. Mit im Durchschnitt 30 Kindern seien die Klassen viel zu groß, auf einen Kindergartenplatz würden Eltern zum Teil mehrere Jahre warten. Und Zuzüge würden die Probleme verschärfen: „Nach Duisburg ziehen viele Menschen, die keine Arbeit suchen. Wir haben eine Einwanderung in die Sozialsysteme. Da wundert es einen doch nicht, wenn Duisburg heute die Stadt mit dem zweitniedrigsten Einkommen in ganz Deutschland ist.“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag
„…Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft,…“
Ja.
Und die Pressesprecherin heißt Jackeline …
Ich dachte immer, die hieße Schackeliene …
Da bleibt nur zu hoffen, dass bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen nicht wieder der Schwerpunkt in diesem Bereich auf den „Rassismus bei der Polizei“ und seine Bekämpfung gelegt wird. Man hört ja schon, dass die Grünen dem zur Zeit amtierenden Innenminister nicht unbedigt gewogen sind.
@angelika
Und mehr als dieser armselige Kommentar ist Ihnen nicht eingefallen?
Patronen hat man mit Sicherheit an den markierten Stellen nicht gefunden.
Ich verstehe nicht, daß manche Journalisten das noch immer nicht hinbekommen.
Eine Patrone besteht üblicherweise aus Hülse, Treibladung, Zündelement und Projektil (auch Kugel genannt).
Was man am Boden nach einem abgefeuerten Schuß höchstens noch finden kann, sind die Hülsen. (Geschosse lassen sich auch finden, aber eher nicht am Boden, wenn schon, dann IM Boden.)
#2
„…Schackeliene …“
Oder so …