Mit der Ausstellungswerkstatt „Das ist kolonial“ will sich der Landschaftsverband Westfalen Lippe in Dortmund dem Thema Kolonialismus nähern.
Ein Paar begrüßt die Besucher der Ausstellung „Das ist kolonial“ schon am Eingang des Museums des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe in der Zeche Zollern in Dortmund: Es diskutiert miteinander die Frage, ob es heute noch Spuren des Kolonialismus in Westfalen und im Ruhrgebiet gibt und ob den Menschen damals klar gewesen sei, wie stark die kolonisierten Völker ausgebeutet worden seien. Ein Schluss: Die Menschen hätten sich damals ebenso wenig darum gekümmert, wie ihr Kaffee oder Tee hergestellt wird, wie sie es heute bei billiger Kleidung machen.
Deutschland Kolonialreich ging schon in den ersten Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs verloren: Vor allem den gut organisierten Kolonialtruppen der Briten hatte die deutsche Armee meist nur wenig entgegenzustellen. Im Vertrag von Versailles wurde dann das Ende der deutschen Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien besiegelt. Dass Deutschland überhaupt einmal Kolonien hatte, geriet nach dem zweiten Weltkrieg und den Verbrechen der Nazis zusehends in Vergessenheit. Beides stand fortan im Zentrum der Geschichtsforschung und der Erinnerungskultur. Erst in den letzten Jahren veränderte sich der Blick auf die deutsche Geschichte und auch der Kolonialzeit wurde wieder mehr Aufmerksamkeit zu Teil. Ein Grund waren Debatten über Rassismus und Kolonialismus, die aus Großbritannien, den USA und Frankreich nach Deutschland kamen. Doch um diese Debatten geht es nur am Rand der Ausstellung in Dortmund und auch mit Geschichte hat sie nicht viel zu tun. Nur wenige Schautafeln informieren oberflächlich über den deutschen Kolonialismus. Wer sich zum Beispiel über den von deutschen Kolonialtruppen 1904 begangenen Völkermord an den Hereros und Nanas im heutigen Namibia informieren will, erfährt auf Wikipedia deutlich mehr. Dafür gibt es ausgedruckte Texte aus taz und Tagesschau. Auch die wenigen vorgestellten Biografien von Männern und Frauen, die unter der deutschen Kolonialherrschaft lebten und litten, bringen den Besuchern diese Menschen und ihren Blick auf die Geschichte nicht näher. Zu oberflächlich und ohne Interesse an ihrem Schicksal werden sie knapp präsentiert.
Die Ausstellung, sagt Kuratorin Julia Bursa, sieht sich als Werkstatt. Gemeinsam mit Besuchern, Wissenschaftlern und Aktivisten will man die für 2024 geplante große Kolonial-Ausstellung vorbereiten. Auf diesen Dialog ist alles ausgerichtet: Es gibt einen Rückzugsort für Menschen mit dunkler Hautfarbe für den Fall, dass ihnen die Ausstellung zu nahe gehen sollte. Vorsicht wird groß geschrieben: Eine Vitrine wird durch ein schwarzes Tuch abgedeckt, vor dessen hochheben gewarnt wird. Darunter befinden sich vor allem ein paar Sammelkarten aus der Kolonialzeit. Besucher können ihre Wünsche für die Ausstellungen an Pinnwände heften. Doch Anregungen, die zu den erwünschten weitergehenden Fragen führen könnten, sind Mangelware. Auch für eine Ausstellung im Werden bietet „Das ist kolonial“ zu wenig Informationen. An keiner Stelle kommen die Macher über das Niveau einer mittelmäßigen Projektwochenarbeit einer Schule hinaus. Für die große, richtige Ausstellung, die im kommenden Jahr starten soll, verheißt das nichts Gutes. Dass der Landschaftsverband sich des Themas Kolonialismus annimmt, ist richtig. Aber er sollte es gut machen. Das ist er auch seinen Opfern schuldig.
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Fassung bereits in der Welt am Sonntag