Das kleine Waltrop zeigt, wie man Politikverdrossenheit erzeugt!

Foto: Robin Patzwaldt

Immer wieder ist das Rätselraten in diesem Lande groß, warum immer mehr Bürger offenbar das Interesse an der Politik verlieren, warum der Anteil der Protestwähler inzwischen im Vergleich hingegen so erschreckend hoch ist.

Dabei liegen die Erklärungen hierfür häufig genug doch direkt vor der eigenen Haustür. So auch bei mir hier am Ort.

In Waltrop, im Kreis Recklinghausen, da sorgt eine lokalpolitische Affäre aktuell wieder einmal für viel Unmut unter der Bürgern, von der ich heute hier einmal wieder kurz berichten möchte.

Im Jahre 2014, bei der letzten Kommunalwahl also, da sorgte der überraschende Wechsel im Bürgermeisteramt hier für Schlagzeilen. Völlig überraschend gewann nämlich damals die CDU-Kandidatin Nicole Moenikes, die zuvor nicht wirklich in der Lokalpolitik aktiv war, aus dem Stand die Stichwahl um das Amt an der Verwaltungsspitze der Stadt gegen die SPD-Amtsinhaberin Anne Heck-Guthe.

Die Unzufriedenheit über die desaströse Lage vor Ort war bei vielen Wählern offenbar so groß, dass der Denkzettel gegen die seit Jahren ‚regierende‘ SPD überraschend so groß ausfiel, dass die ursprünglich als ziemlich chancenlos geltende Herausforderin am Ende im Amt der Bürgermeisterin endete.

Mit der mit sehr viel positiver Energie in das Amt gestarteten Wahlsiegerin führte ich damals  ein Exklusivinterview für dieses Blog.

Jetzt, nach rund vier Jahren, ist von der anfänglichen Aufbruchstimmung in Waltrop jedoch nichts geblieben. Ganz im Gegenteil!

Nicole Moenikes sieht sich in diesen Tagen mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, droht die ihr damals gebotene Chance zur Erneuerung ihres Heimatortes ziemlich leichtfertig zu verspielen, damit für noch mehr Politikverdrossenheit in Waltrop zu sorgen.

Was ist passiert? Es war wahrlich kein glücklicher Auftakt in ihre Amtszeit für die CDU-Kandidatin. Vom ersten Tag ihrer Am,tszeit an wollte ihr praktisch nichts so wirklich etwas gelingen. Ein Wahlversprechen nach dem anderen musste einkassiert werden.

Weder die groß auf den Wahlplakaten angekündigte Abschaffung der Parkgebühren in der Innenstadt noch der beschleunigte Bau der seit Jahren aus sich warten lassenden B474N ließen sich realisieren. Beides für viele Wähler ursprünglich wichtige Aussagen im Wahlkampf.

Auch um die angeschlagenen Stadtfinanzen (Waltrop liegt unverändert unter den Top10-Gemeinden mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in NRW) und den als zu hoch erkannten Krankenstand im Rathaus sieht es unverändert trübe aus.

Wer also nach dem ‚Machtwechsel‘ im Rathaus damals tatsächlich auf eine rasche Verbesserung gesetzt hatte, der sieht sich nun bitter enttäuscht.

Nachdem die SPD personell ohnehin längst ausgeblutet erscheint, die CDU  es derzeit offenkundig auch nicht ‚gebacken‘ bekommt, gehen vielen unzufriedenen Bürgern so die Alternativen aus, was die kommenden Wahlen betrifft.

Die Frustration steigert sich in diesen Tagen jedoch noch entscheidend durch eine unschöne Affäre, die Waltrop schon seit Jahren zusätzlich in Atem hält.

Seit Anfang 2015 zieht sich inzwischen eine Angelegenheit, die auf traurige Art und Weise zusätzlich belegt, wie wenig ernst es mit Moenikes‘ Versprechen nach mehr Transparenz offenbar bestellt war und ist.

Es geht dabei um die Zahlung von Tantiemen ohne hinreichende Rechtsgrundlage an den damaligen Leiter des Ver- und Entsorgungsbetriebs, Dr. Michael Gellert, und um einen Beratervertrag zwischen Moenikes und der privaten Firma von Gellert. Auch über diesen Vorgang hatten wir hier im Blog Anfang 2016 schon einmal berichtet.

Gegen Zahlung einer Geldauflage waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Untreue und Anstiftung zur Untreue zwar vor Kurzem eingestellt worden, doch seit Monaten schon ringt die Lokalpolitik jetzt um die Deutungshoheit in diesem Fall.

Während die CDU der Bürgermeisterin die Angelegenheit logischer Weise gerne so darstellen möchte, als sei sie damit bereits ad acta gelegt, versuchten die übrigen Parteien, das Thema möglichst weiter kritisch zu beleuchten und vollständig aufzuklären.

Moenikes hat daran allerdings offenbar, entgegen ihrer ursprünglichen Aussagen vor der Wahl 2014, recht wenig Interesse, verweigert den anderen Parteien in diesen Tagen die theoretisch durchaus mögliche Akteneinsicht. Sehr zur Verärgerung dieser.

Jetzt ist die Aufregung in der Lokalpolitik erneut groß und die Enttäuschung vieler Bürger erreicht parallel dazu ebenfalls ganz neue Rekordhöhen. Nicht verwunderlich wäre folglich, wenn 2020 zur nächsten Kommunalwahl, noch einmal deutlich weniger Bürger zur Urne gehen würden als zuletzt.

Hier vor Ort für die Zukunft noch wählbare Alternativen zu finden, wird für viele Leute durch solche Beobachtungen tatsächlich immer schwerer.

Stattdessen greifen Frust und Resignation in der Wählerschaft immer mehr um sich, wächst dazu das Desinteresse an lokalpolitischen Themen. Und Waltrop steht mit diesen Abläufen sicherlich längst nicht alleine…

Sehr schade… und sicherlich so gar nicht im Sinne der Politik in diesem Lande!

 

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Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Robin,
ich habe nicht den Eindruck, daß das Verhalten der BM in Sachen Akteneinsicht irgend wie das politische Leben in Waltrop nennenswert beeinflussen wird -weder im positivem noch im negativen Sinne.
Es gibt Vieles, das aufzugreifen und zu analysieren wäre, um der (kommuinal-)politischen Lethargie, die ich seit einige Jahren in Waltrop registriere, bezüglich ihrer Ursachen und ihrer Folgen nahe kommen zu können, um darauf gestützt darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie wieder "Leben in die politische Bude in Waltrop" kommen könnte.

PS
Was die sog. Politikverdrossenheit angeht:
Die im Bundestag von CDU/CSU/SPD geplante " Verbesserung der staatlichen Parteienfinanzierung" ist geeignet, die Verdrossenheit in der Bevölkerung zu befördern., allerdings nach meiner Wahrnehmung weniger im Sinne einer allgemeinen Politikverdrossenheit, sondern ehe im Sinne einer weiter wachsenden Verdrossenheit mit CDU/CSU/SPD und insofern indirekt mit der sog. großen Koalition.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Nachtrag
…Waltrop -EON-Kraftwerk….

Robin,
in Sachen Waltrop ein Hinweis -falls selbst noch nicht entdeckt:

Im SPIEGEL finde ich eine bemerkenswerte "Notiz" zu EON-Datteln IV unter der Überschrift
"Insider vermuten Trick in Unipers Bilanz".
Dabei geht es um den Verdacht, dass Unipers sein Vermögen mit Blick auf die Übernahme durch den Fortum-Konzern " falsch bewertet hat" , und zwar ganz konkret bezogen auf Datteln IV.
Läßt sich dazu evtl. Näheres recherchieren?

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Robin
sh. DER SPIEGEL Nr. 24/9.6. 2o18 S. 61

philter
philter
6 Jahre zuvor

ich warte auf den tag, an dem die leite ihre sogenannte politikverdrossenheit in politisches handeln umsetzen. "die da oben" regieren doch nur, weil DU es nicht machen willst.

es gibt nichts gutes, außer man tut es…

Neinzeichen
Neinzeichen
6 Jahre zuvor

Hoffnung für Waltrop? Der Bezirksbürgermeister von DU-Homberg wurde als Tombola Paschmann auf zwei Seiten des SPIEGELs bekannt. Der Bezirksbürgermeister und die Presse haben ein Problem mit Abhängigkeitskorruption. … der Staatsanwalt von Duisburg verlässt sich nicht auf die Entscheidungen seiner Mitarbeiter. Das klingt nach Industriekultur der Parteihochburg.

https://www.xtranews.de/2018/05/28/ueber-natur-ein-philosophischer-essay-einleitung-id35196765.html

Stadtzuhörer
Stadtzuhörer
5 Jahre zuvor

Wie bereits im Blog mehrfach später dargestellt: Politikverdrossenheit ist ein Begriff aus dem Problembereich der Presse-Partei-Partnerschaft (PPPP).

Die sog Politikverdrossenheit ist eine Form des Meidens als kostengünstige Bestrafung bei gescheiterter Kooperation. Meidung ist seit einigen Jahrtausenden als sozio-kulturelles Phänomen bekannt und wurde schon in den Psalmen empfohlen.

(vgl. shunning, J. Haidt, Science 2007, doi:10.1126/science.1137651
umsonst lesen: http://www2.econ.iastate.edu/classes/econ362/hallam/Readings/HaidtScienceArticle.pdf [PDF engl.] )

trackback

[…] Dass seit Jahren kein Geld für notwendige Investitionen mehr da ist, lässt sich im Stadtbild längst nicht mehr übersehen. […]

trackback

[…] Die Naivität vieler Zeitgenossen erscheint grenzenlos. Und das längst nicht nur bei mir vor der Haustür in Waltrop, wie ich befürchte…. Einfach immer wieder erschreckend! […]

trackback

[…] Mich stimmt all dies zudem sehr traurig, weil diese Protestwahlen ja beileibe kein neues Phänomen mehr sind. In Waltrop wechselt das Bürgermeisteramt zum Beispiel schon seit den 1990er-Jahren alle paar Jahre zwischen SPD und CDU hin und her, weil die Wähler zunehmen frustriert und unzufrieden mit den Amtsinhabern sind. Wirklich geändert hat sich dadurch bisher jedoch nur wenig bis nichts. […]

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