Im Geschehen hinter der Bundesliga gibt es auch ohne Videobeweis erstaunliche Einsichten: Die Verunsicherung beim Stadionbesuch, die Brisanz beim DFB-Pokal, die Ermittlungen gegen Eintracht Frankfurt Präsidenten Peter Fischer und die Aktienkurse von Manchester United – Peter Hesse und Thommy Junga haben sich das mal näher angeschaut.
Peter Hesse: Dortmund spielt gerade toll, da kann man nicht viel meckern, Bochum bekam in München was auf die Mütze und Schalke bleibt Sorgenkind. Was mir bei meinen letzten Stadionbesuchen immer mehr auffällt, wie viele alleinstehende Herren ich dort sehe, die ohne Kumpels unterwegs sind. Hat sich die Isolation während der Corona-Pandemie für die Bevölkerung weiter verstärkt?
Thommy Junga: Viele sind wohl noch vorsichtig, was ich auch nachvollziehen kann. Anstandsregeln, zuletzt noch Maskenvorgaben – das alles war kaum vernünftig umzusetzen und zu kontrollieren. Diese kollektive Fußballerlebnis kommt erst wieder so langsam in Schwung, da hat die Pandemie mit ihren Isolationseffekten deutliche Spuren hinterlassen. Das gleiche beklagen ja auch die kulturellen Einrichtungen wie Museen, Theater oder Kinos, deren Zuschauerzahlen nur wieder langsam in Schwung kommen – und deutlich weniger Abos verkaufen als vor Corona. Man darf aber auch nicht vergessen, dass sich derzeit auch nicht jede und jeder den regelmäßigen Stadionbesuch leisten kann, darunter werden auch einige Stadionfreundschaften leiden.
Peter Hesse: Die vergangene DFB-Pokalrunde war vor allem eins: eine Werbung für den Fußball. Die erste Stunde im Spiel Eintracht Frankfurt gegen den SV Darmstadt 98 war ein spannender Fight auf Augenhöhe. Erst als das 3:2 in der &2. Minute fiel, brachen die Lilien ein. Bis dahin zeigten sie eine eindrucksvolle Leistung und ließen den Favoriten die eigene Qualität zeitig spüren. Wenn Hoffenheim gegen Stuttgart spielt, ist es eher langweiliges Gekicke auf dem Niveau eines Schlafmittel geeignet. Woran liegt das?
Thommy Junga: Den Armani- und Versace-gefiederten Friseureinfliegern mal etwas die Blattgoldsuppe zu versalzen dürfte für viele kleinere Mannschaften nach wie vor einen großen Reiz haben. Dazu kommt dieses Fluidum im Stadion, sei es noch so klein. Dieses Endspielfeeling macht schon einiges aus. Die Trainer der ersten Liga begründen die Attraktivität des Pokals ja gern mit dem kurzen Weg ins internationale Geschäft. Etwas Losglück und passable Leistungen und es winkt der goldene Topf am Ende des Pokalregenbogens. Ich glaube aber auch an die Wirkung der rundenbasierten Prämien, da heute viele Verträge dann doch erfolgsbezogen gestaltet werden – gerade bei den Klubs, die nicht so sehr auf Rosen gebettet sind.
Peter Hesse: Die Ermittlungen gegen Eintracht Frankfurt-Präsident Peter Fischer haben offenbar dazu geführt, dass das Frankfurter Polizeipräsidium eine seiner wichtigsten Führungskräfte ausgewechselt hat. Das Vertrauensverhältnis sei nicht mehr vorhanden, hieß es in einer eigens einberufenen Personalversammlung. Mentes soll im Zusammenhang bei der Durchsuchung des Hauses vom Eintracht-Präsidenten wegen Kokain-Besitzes sich nicht ganz sauber verhalten haben. Kommt als nächstes raus, dass Mario Götze auch „gedopt“ ist – oder wie sind seine überdurchschnittlich guten Leistungen zu erklären?
Thommy Junga: Mario Götze, der ja bekanntermaßen sehr auf seine Ernährung und seinen Lebensstil achtet, würde ich jetzt nicht unbedingt im Dunstkreis der vorsätzlichen Leistungsoptimierer verorten. Da werden jetzt ganz andere anfangen ihren Nachttisch zu bleichen. Mich wundert es überhaupt nicht, dass diese Eintracht-Nummer jetzt Kreise zieht, denn Frankfurt-Präsident Fischer galt ja immer als gut vernetzt in Wirtschaft und Politik. Am Main müssen sie das jetzt aussitzen, in ein paar Monaten ist das Schnee von gestern. Frag nach bei Pep Guardiola, der war mal wegen der Einnahme von Nandrolon monatelang gesperrt. Da wird heute auch nicht mehr drüber gesprochen, stattdessen wird er als Trainervorbild einer ganzen Generation gefeiert.
Peter Hesse: Christian Streich haben wir an dieser Stelle schon oft gelobt. Beim Liga-Spiel der Freiburger beim BVB vor einer Woche war der Breisgau-Coach mit der Leistung der Referees nicht einverstanden und schimpfte wie ein Rohrspatz an der Seitenlinie. Unter anderem schimpfte er, das Schiedsrichter-Team solle sich ein gelbes Trikot anziehen – um symbolisch zu zeigen, wie die Schiedsrichter mit der Borussia unter einer Decke stecken. Hat er hier eine rote Linie überschritten? Denn ein fairer Umgang mit den unparteiischen Spielleitern soll eigentlich anders aussehen. Was meinst du?
Thommy Junga: Da sind wir in Deutschland sehr empfindlich. Wenn ich da an die Sprüche in England oder Schottland denke, die sich die Unparteiischen dort anhören müssen, würden hier einigen die Ohren bluten. Ich finde die Fairness endet immer dann, wenn es wirklich persönlich wird. Diese Grenze sehe ich in diesem Fall nicht unbedingt verletzt. Ich hatte mal einen B-Jugend-Trainer, der hat quasi in jedem Spiel den Schiedsrichter als Pfeife oder Clown bezeichnet. Ich bin dennoch ein recht respektvoller Mensch geworden.
Peter Hesse: Der Aktienkurs des Fußballklubs Manchester United hat nach einer Pressemeldung ein Kaufangebot aus Qatar einen kräftigen Sprung gemacht. Der Kurs des an der New Yorker Börse gehandelten Papiers stieg am Mittwoch bis zum Handelsschluss um fast 11 Prozent auf gut 23 Dollar. Zuvor hatten englische Sportmedien gemeldet, dass eine qatarische Investmentgruppe für den Premier-League-Rekordmeister bieten wolle. Der Börsenwert des Klubs kletterte auf 3,5 Milliarden Dollar. Wenn das so weitergeht, ist die komplette Premierleague bald in der Hand von Investoren. Daher die Frage: es kann nicht mehr so lange dauern, bis der erste Spielertransfer in Milliardenhöhe ausgehandelt wird, oder?
Thommy Junga: Ich denke auch, dass wir das vermutlich noch in diesem Jahrzehnt erleben. Die Spanier sind da ihrer Zeit bereits voraus, setzen die verpflichtenden Freigabesummen seit Jahren schon in diesem Bereich an. Barcelonas Jungstar Pedri soll die Katalanen dem Vernehmen nach für 1.000.000.000 Euro verlassen dürfen. Manchester City hat in den vergangenen Jahren ja schon zumindest in Summe deutlich das Milliarden-Invest gerissen. Liverpool steht dem kaum etwas nach, Chelsea war jetzt ganz aktuell im Winterkaufrausch und mit Newcastle wächst der nächste potente Scheich-Club nach. Wer weiß wie zum Beispiel die Ablöse für Haaland ausgefallen wäre, wenn sie sich mit 60 Millionen Euro nicht in schon fast marktunüblichen Sphären bewegt hätte. Investoren und Rechteagenturen pumpen weiter ungebremst Milliarden in den Markt, das kann eigentlich nur zu einer Verschiebung der Werte führen.