Ein Roman von Zoë Beck über Teenager und die schlimmsten Pubertätspannen online sowie offline. Eine Buchbesprechung von unserem Gastautor Daniel Kasselmann.
Edvard wird bald 15 und ist eigentlich schon ein Mann. Neben den normalen offline Problemen wie hormonell bedingtes rasantes Wachstum Schlacksigkeit, ausbleibenden Stimmbruch und fehlender Brustbehaarung, kommen heutzutage die Klippen der online-Welt von facebook & Co. dazu. Zum Beispiel, wenn sein Erzfeind und Klassenbeau Henk, der ausgerechnet scharf auf das Mädchen Constanze ist, in die Edvard verliebt ist, diesen nicht nur beim Kotzen auf dem Autobahnrandstreifen fotografiert, sondern das peinliche Foto auch noch auf facebook öffentlich postet, per MMS an die gesamte Klasse verschickt und ihn lächerlich macht.
Offline hat Edvard außerdem noch mit seinen liberalen und künstlerischen Eltern zu kämpfen; der Vater ist Generalmusikdirektor, die Mutter Kunstgaleristin und im Urlaub verbringen sie eine Woche auf einem Bio-Bauerhof mit Programmpunkten wie „Heuernte wie zu Großvaters Zeiten“. In dieser bäuerlichen Wüste ist sein Netbook mit WLAN Edvards einzige Rettung. Denn weil sich seine Angebetete vehement weigert, seine Freundschaftsanfragen auf facebook anzunehmen, hat er sich unter dem coolen Namen Jason Miles ein Pseudo-Profil mit schickem Fremdfoto samt Familienprofilen und Freundschaftsliste amerikanischer College-Studenten angelegt, dessen Anfrage Constanze sofort bestätigt hat. Soll noch mal einer behaupten, Aussehen wäre für Teenager zweitrangig. Constanze verpeilt die virtuelle mit der realen Welt und als sie sich scheinbar in Jason verknallt, lässt Edvard ihn sterben. Doch weit gefehlt zu denken, damit wäre das Kapitel Jason für sie erledigt, sie steigert sich jetzt erst richtig rein…
Offline lernt Edvard seinen Nachbarn und Buchidol Daniel Tannenbaum kennen, einen ehemaligen Professor für Astrophysik in Harvard. Sie freunden sich an, Tannenbaum wird sein Mentor und Nachhilfelehrer in Physik, Chemie, Mathe und Bio. In der Schule begegnet er der neuen Mitschülerin Karla, die eigentlich aussieht wie ein Junge und freundet sich mit ihr an.
Gerade, als es öffline richtig gut für Edvard läuft und er mit Karli und seinen Kumpeln Arthur, Anselm, dem Punker Piesel und Friends einen Freundeskreis aufbaut, erreicht Tannenbaum die Nachricht, dass ihm der Mietvertrag für sein Haus gekündigt wurde. In der anschließenden Hausbesetzung wächst nicht nur Edvard über sich hinaus, sondern sogar seine Eltern erinnern sich an die Ideale ihrer Jugendzeit, tauen auf und erobern sich ein Stück Anarchismus zurück. Währenddessen entsteht online auf facebook eine riesige Posthum-Community für Jason, bis Edvard die zündende Idee kommt, diese für seine Ziele zu nutzen.
„Edvard“ ist im Stil des Blogs geschrieben, den der Protagonist schreibt. Damit ist die Sprache, die Zoë Beck wählt dicht dran, authentisch, ungeschliffen; enthält Streichungen, Edits, Smileys und Icons; die komplette Online-Klaviatur. Wenn man über facebook schreibt, dann bitte so!
Dramaturgisch großartig ist die gewählte Gegenbewegung; in dem Maße, in dem Edvard sich von der Online-Welt abwendet und auf das wahre Leben fokussiert, dreht seine Angebetete online auf und der facebook-Zirkus um den fiktiven Jason nimmt groteske Ausmaße an.
Der Clou: Humoristisch ist Edvard auf jeder Zeite in seiner tragikkomischen Art absolut zwerchfellergreifend:
„Das mit den Brusthaaren ärgert mich am meisten, weil ich große Hoffnungen darauf gesetzt hatte. Ich war schon immer der Dünnste in der Klasse. Jetzt bin ich noch dünner als die anderen, überrage sie aber um ein paar Meter und habe eine Mädchenstimme. Das wäre noch irgendwie okay gewesen, wenn ich wenigstens Haare auf der Brust bekommen hätte. (…)
In den letzten Wochen habe ich alles probiert, damit mir Brusthaare wachsen, die ich wegrasieren kann. Sogar Papas Koffeinshampoo habe ich jeden Morgen zum Duschen benutzt und extralange auf der Brust einwirken lassen, weil draufsteht, dass es Haarwachstum förderlich ist.
Keine Ahnung, wie ich in Zukunft in der Umkleidekabine überleben soll“
Dazu groteske Szenen zwischen Edvard und seinen Eltern in Sachen Pädagogik und Selbstbestimmung, sein grandios scheiternder Versuch, seine Angebetete mit einem Fake-Profil online auf sich aufmerksam zu machen und schließlich sein totales Engagement bei der Hausbesetzung für seinen Mentor Tannenbaum machen „Edvard“ zu einem stimmigen Entwicklungsroman im facebook-Zeitalter.
Stimmen zum Buch:
„unglaublich toll und lustig“ Deniz Varli auf buechersturm.blogspot.de
„Ich habe mich allerbestens amüsiert.“ Buchhandlung Schmitz Junior
„Dieses Buch kann die Lachmuskeln gefährlich strapazieren.“ Between the lines auf thacms.blobspot.de
„Der Roman ist turbulent, abwechslungsreich und witzig geschrieben.“ Wetzlarer Neue Zeitung
Fazit:
Was Sie schon immer über die männliche Pubertät im facebook-Zeitalter wissen wollten, aber nie zu fragen wagten; Edvard erklärt es Ihnen! Und das in einer so unglaublich charmanten und humoristischen Art und Weise, dass Sie dieses Buch nach den ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen werden, sondern darin lustvoll eintauchen, wie in einem facebook-Chat.
Uneingeschränkte Leseempfehlung!
Zoë Beck
Edvard – Mein Leben, meine Geheimnisse
Roman, Originalausgabe
Baumhaus 2012
191 Seiten, Hardcover
€ (D) 12,99 / € (A) 13,40 / SFr. 18,90
ISBN 978-3-8339-0053-2
Empfohlen ab 14 Jahren