Das neue  Selbstbestimmungsgesetzes birgt Gefahren

Sven Lehmann Foto: Raimond Spekking Lizenz: CC BY-SA 4.0


In Deutschland schlägt die Regierungskoalition vor, die Änderung des Geschlechts in juristischen Dokumenten wie Reisepässen zu einer Angelegenheit einer einfachen Selbsterklärung zu machen. Von unserer Gastautorin Eva Maria Yasin.

Es wird in der Presse gefeiert, aber es lauern Gefahren. In anderen Ländern wie Kanada, den USA und auch Großbritannien sieht man die damit verbundenen Probleme. Eine Politik darf nicht einfach entscheiden, was zum Nachteil der Mehrheit sein kann. Das Selbstbestimmungsgesetz bedeutet, dass jeder über 14 Jahre frei wählen kann, was in seinem Reisepass über sein Geschlecht steht.

„Dead Naming“ oder die Verwendung des Geburtsnamens eines neu geprägten Mannes oder einer Frau wird nach diesem Gesetz ebenfalls strafbar sein und mit Geldstrafen von bis zu 2.500 Euro geahndet. Warum sollte das Aussprechen des hinterlegten Namens bestraft werden? Natürlich sollte man niemanden beleidigen, aber wir haben dafür bereits ein Gesetz. Soll das eine Leugnung der biologischen Realität sein? Es ist eine biologische Tatsache, dass man das andere Geschlecht hat, sonst wäre man kein Transsexueller. Anders zu sagen bedeutet, die Naturwissenschaften generell zu verbieten. Wenn Sie sich beleidigt fühlen, wenn Sie sagen, dass es nur zwei Geschlechter gibt, haben Sie ein Problem. Allerdings gibt es immer noch ein Problem mit dem sogenannten Dead-Naming. Es ist auf einer völlig anderen Metaebene als normale Beleidigungen, weil man nicht leugnen kann, dass die Person ein anderes Geschlecht hat. Das ist keine Beleidigung, es ist die Wahrheit.

Wie konnte man das beweisen? Wenn jemand, der Sie nicht mag, Sie beschuldigt, es getan zu haben, wie könnten Sie dann beweisen, dass Sie es nicht getan haben? Wenn der Staat ein solches Gesetz erlässt, ist er nicht mehr neutral, sondern ergreift präventiv Partei. Ab diesem Zeitpunkt gilt in Deutschland die Unschuldsvermutung nicht mehr, was einen gravierenden Eingriff in die Justiz bedeuten würde. Bei allen anderen Straftaten ist der Staat neutral. Allerdings darf ein Staat kein Gesetz erlassen, das so ausgenutzt werden kann, dass tatsächlich jeder jeden wegen Fehlverhaltens anzeigen kann.

Eine weitere Kontroverse in diesem Gesetz besteht darin, dass 14-Jährige nun zum Standesamt gehen (das gibt es in Deutschland) und es ausnutzen und ihr Geschlecht ändern könnten, selbst wenn ihre Eltern dagegen sind. Dann kann ein Richter ein Kind seinen Eltern wegnehmen oder, wie man in Deutschland sagt, das Kind ohne die Eltern beauftragen. Dies birgt das Potenzial, Familien auseinanderzubrechen und zu untergraben. Nur im Notfall sollte den Eltern das Sorgerecht entzogen werden. Notfälle gibt es bei Kindesmissbrauch, nicht wenn Eltern Zweifel haben. Hier ahmt der Staat die fähige Mutter des Volkes nach. Das ist anmaßend. Der Staat sollte in Bezug auf die Rechte der Eltern immer etwas Neutrales sein. Und was passiert, wenn das Gesetz verabschiedet wird? Werden Männer den Frauensport übernehmen und in gleichgeschlechtliche Räume wie Umkleideräume und Toiletten eindringen?

In anderen Ländern wie den USA oder Kanada sieht man bereits, welche Probleme dies mit sich bringt. Davon wollen unsere Politiker nichts wissen und aus dieser Masse sticht unser Queerbeauftragter und Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann, hervor. Er zeigt offen seine Ignoranz und Arroganz. Einerseits sagt er ganz offen, dass er davon überzeugt ist, dass Hormonblocker bei Kindern sicher sind, obwohl Studien zeigen, dass das nicht stimmt. Sollte er sich fragen: Wenn ein 10-jähriger Junge acht Jahre lang Pubertätsblocker einnimmt und dann aufhört, ist er dann ein gesunder 18-jähriger Junge?

Aber das tut er nicht, er regiert arrogant und beschimpft jeden als Transphobiker. Seine Argumente sind zutiefst emotional und nicht rational. Ja, es kann sein, dass sich das heutige Transsexuellengesetz (das durch den neuen Vorschlag ersetzt wird) verletzend anfühlt. Aber ich werde nicht erklären, warum das ein Argument ist, denn das ist es nicht. Das Transsexuellengesetz aus den 1980er Jahren ermöglicht die rechtliche Anerkennung von Menschen als „anderes Geschlecht“ als ihr geborenes Geschlecht.

Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011 werden die Voraussetzungen zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit wie bei der Änderung des Vornamens gefordert. Es ist möglich, von „männlich“ zu „weiblich“, von „männlich“ zu „divers“, von „weiblich“ zu „divers“ und umgekehrt zu wechseln. Es besteht auch die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag zu löschen. Es ist gut, dass es ein Sterilisationsverbot gibt. Das gibt es in der Europäischen Union seit 2011. Dennoch ist das Gesetz ein Kompromiss zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Allerdings sollte man nicht vergessen, was ein Übergang bedeutet und dass das Gesetz gerade für junge Menschen gut ist und die körperliche Betreuung am besten ist.

Und genau da liegen Sven Lehmann und die Ampelregierung falsch. Denn es kann sein, dass manche Transsexuelle es als verletzend empfinden, aber das Gesetz und objektive Erkenntnisse sollten nicht auf „Gefühl“ basieren. Es geht nicht um Gefühle, auch wenn es verständlich ist. Denn Gefühle sollten keine Gesetze sein, sondern nur Objekte der Wahrheit. Wenn sich die Gesellschaft immer nur um verletzende Gefühle kümmert, dann gibt es keinen vernünftigen Staat, zu dem man „Nein“ sagen kann. Beispielsweise sollte ein blinder Junge, der Pilot werden möchte, Pilot werden, oder? Das ist die Logik dieses neuen Gesetzes. Sollte er Pilot werden? Wenn ihm „Nein“ gesagt wird, was ist, wenn er sich verletzt fühlt? Was bedeutet es für die Gesellschaft als Ganzes, wenn jeder seine Gefühle als Grundlage für Gesetze hervorbringen kann?

Vor allem, da der Zustand von Transsexuellen eine Diagnose ist und es unfair ist, ihnen einen Psychologen zu verweigern. Und es spielt keine Rolle, ob Sven Lehmann jeden Widerstand gegen seine Ideen als Zeichen des Transphoben bezeichnet. Wenn ihm die Menschen wirklich am Herzen lägen, würde er die objektive Realität nicht aus dem Gesetz streichen. Die Tatsache, dass man in seinem Reisepass einfach jedes Jahr sein Geschlecht frei wählen kann, widerspricht unserer Gesellschaft, weil es der Idee der Geschlechtertrennung zuwiderläuft. Was passiert, wie es das neue Gesetz vorschreibt, wenn in einem Reisepass kein Geschlecht angegeben ist? Das Schlimmste ist, dass dieses Gesetz den Transsexuellen keinen Gefallen tut.

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larakochmann
larakochmann
9 Monate zuvor

Sehr geehrtes Ruhrbarone-Team,

das ist ein sehr guter Artikel. Danke dafür!

Ich bin Ärztin und betroffen von originärer Transsexualität (= Neurointersexualität = NIBD) und habe den Weg der Vornamens-/Personenstandsänderung erfolgreich über das TSG absolviert. Wenn Tessa Ganserer oder Sven Lehmann behaupten, dass das TSG nach jener richtigen Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht 2011 immer noch eine sog. „Menschenrechtsverletzung“ sei, so wundere ich mich schon über diesen inflationären Gebrauch des Begriffes „Menschenrechtsverletzung“.

Originäre Transsexuelle haben einen körperlichen Leidensdruck, da die angeborene Körperlandkarte im Gehirn in Diskrepanz zum phänotypischen Geburtsgeschlecht steht (Neuro-Intersexual Body Discrepancy — NIBD).

Ich hoffe, dass das neue Selbstbestimmungsgesetz niemals Realität wird, und zumindest die FDP-Abgeordneten nicht mehr dafür stimmen werden.

Mehr Infos von und für Betroffene und deren Angehörige auch unter: https://www.transsexualitaet-nibd.de

Mit freundlichen Grüßen,

Lara

(Für weitere Rückfragen: Ich bin auch im dortigen Transsexuellen-Forum unter dem Namen „Lara“ erreichbar:
https://transsexualitaet-nibd.de/forum/index.php)

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