Als ein Kind anti-autoritäter Eltern, das zum 11. Geburtstag Francisco Ferrer von ihrem Vater geschenkt bekam und bei Ciceros „de re publica“ besonders fasziniert von dem Begriff der „virtus“ war, der positiven Eigenschaft, die jeder römischer Bürger besitzen sollte, der Tugend, kam mir die Schule immer wie eine ziemlich sinnlose Institution vor. Der Spaß hielt sich in Grenzen, die Leute auf dem humanistischen Gymnasium waren irgendwas zwischen Spießer und Yuppie und Latein konnte ich ja schon, seit ich 5 war. Tugend bewies ich eher durch gesellschaftlich wertvolle Handlungen, zu denen definitiv nicht gehörte regelmäßig den Unterricht zu besuchen oder im Mathe Unterricht aufzupassen. Der Leistungsgedanke lag mir fern, auch wenn ich meist eine der besseren in der Klasse war, gingen mir Noten genau so am Arsch vorbei wie Lob und Tadel von Autoritätspersonen, die ich nicht frei wählen durfte. Irgendwann nach meinem 18. Geburtstag kam mir der Gedanke, dass ich die Bildung nicht aus den Augen verlieren durfte, auch wenn ich mittlerweile von so vielen Schulen geflogen war, dass ich nicht mehr glaubte, überhaupt noch irgendwo aufgenommen zu werden. Bei der Berufsberatung empfahl man mir das Ottilie Schönewald Weiterbildungskolleg und da war ich also. Eine Schule – von außen wie von innen – sauber und ordentlich. Bilder schmücken das gesamte Gebäude, die Mensa besitzt Automaten mit Snacks und Kaffee, das Aral Gebäude wird auch zum Unterrichten genutzt und die Aula zum Theater spielen. Freakig. Auf dem Weg zum Schulleiter fiel mir eine Fotocollage auf mit den Lehrern der Schule. Besonders der Schulsozialarbeiter Martin Ebbinghaus ging mir danach nicht mehr aus dem Kopf. Tunnel, kurz rasierte Haare und die rechte Hand zur Faust geballt.
Was musste das für ein Typ sein? Angekommen bei Herrn Brinkmöller Becker ließ ich mich erwartungsvoll in den Stuhl fallen und mein zukünftiger Direktor erzählte mir, dass das WBK eine etwas andere Schule sei. Abendunterricht, Abitur online, zahlreiche Kulturangebote. Ich nickte nur noch. Das klang gut, aber wo war da der Haken? Irgendwann verwies er mich ans Sekretariat weiter und sagte, er würde sich freuen mich auf der Schule begrüßen zu können. Cool. Ein paar Wochen später hatte ich alles ausgefüllt und die Schule entschloss sich mich aufzunehmen. Ich brauchte 3 Anläufe um mich in der Schule zurechtzufinden und trotz aller Rebellion zur Schule zu gehen um mein Fachabi zu machen. Ich sah viele Schüler gehen und kommen, denn die Fehlzeiten Quote ist sehr hoch an Schulen wie dem Ottilie Schönewald. Beim ersten Mal hatte ich Probleme mit Lehrern, beim zweiten Mal mit meiner Klasse. Ich neige nicht zu aggressiven Ausbrüchen, doch mit Homophobie kriegt man mich. Ich hasse es, wenn Menschen Schwule beleidigen, aber noch mehr hasse ich es, wenn sie ihnen Gewalt androhen. Irgendwann entschloss ich mich, einfach nicht mehr hinzu gehen.
Dieses mal ist meine Klasse super und auch meine Lehrerinnen wissen mit mir umzugehen. Der wichtigste Faktor ist aber wahrscheinlich der Schulsozialarbeiter: Martin. Ein Mensch, der so empathisch ist, wie ihn sich die Psychologie Professoren an den Unis nur wünschen können. Mit einer Ausstrahlung, die Menschen in ihren Bann zieht. Zur Person: Martin ist 38 und seit 2008 an der Schule. Er macht Beratungsangebote, um einen Schulabbruch zu verhinden, außerdem gibt er Kurse, die den Titel „Klasse in Schule“ tragen. Am Ottilie Schönewald Weiterbildungskolleg mag er die allgemeine Hilfsbereitschaft und den Geist der Solidarität, der in der Schülerschaft allgegenwärtig ist. Verbesserungswürdig findet er die Hilfsangebote für die Studierenden. Er möchte Beziehungen zwischen Menschen entstehen lassen und engere Bindungen zwischen Schülern und Lehrern vermitteln.
Der 2. Mensch, den ich vorstellen möchte, ist Jan Forth. Er ist Verbindungslehrer am WBK und genauso cool wie Martin. Von 2007 bis 2009 machte er sein Referendariat und ist nun seit 2009 Lehrer für Geschichte und Deutsch. Als Verbindungslehrer versucht er für gute Stimmung zu sorgen. Bei Konflikten handelt er diskret, die Studierenden müssen Vertrauen haben ebenso wie die Lehrer. Die Lage verbessert sich nach seinem Empfinden dann am besten, wenn er im Hintergrund agiert. Außerdem betreut er die Asta Arbeit, macht Projektplanung und ist Teil der Schulentwicklungsgruppe. Dort wird besprochen, wie man die Schule voranbringen kann. Sprachförderung für Schüler mit (Post-)Migrationshintergrund, Legasthenie oder Schreibblockaden wird angeboten und die Schüler mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. Jan wünscht sich die Kultur als Mittel zur Identifikation mit der Schule. Er will dazu motivieren, Aktionen zu Starten, bei denen Leute gerne zusammen kommen. Verbesserungswürdig findet er den Einsatz der Schüler bei den demokratischen Prozessen an der Schule. Schließlich gibt es eine paritätische Besetzung in der Schulkonferenz, d.h. 9 Lehrer und 9 Schüler. Über Fächer, Bücher und sonstige den Schulalltag bestimmenden Einzelheiten wird abgestimmt. Ein allgemeinpolitischer Wunsch von Jan ist die Abschaffung des starren Zentralabiturs sowie mehr Entscheidungsmöglichkeiten -und Freiheiten für Menschen an der Schule.
Es gibt noch sehr viel mehr über die Vorzüge des Ottilie Schönewald Weiterbildungskolleg zu sagen, aber ich finde, ich habe aus meiner persönlichen Perspektive einen kleinen Einblick geliefert, was hier an der Wittener Straße einfach anders läuft. Wer selbst noch einen Schulabschluss nachholen muss, ist herzlich willkommen und braucht sich nicht zu schämen um Rat zu fragen. Ich kann dazu nur jedem raten.