Seit 15 Jahren ist das Jüdische Museum in Köln im Gespräch und noch ist keine Entscheidung in Sicht. Von unserem Gastautor Roland Kaufhold.
Ralph Giordano empört sich: Beim Gang zum Lebensmittelgeschäft stolpert der Schriftsteller über einen CDU-Wahlkampfstand, der vor allem ein populistisches Thema kennt: »Wir wollen dieses jüdische Museum nicht.« Mit der Gegnerschaft zum demokratisch beschlossenen Bau des Jüdischen Museums Köln glaubt die oppositionelle CDU, Punkte im Kommunalwahlkampf sammeln zu können. Ein Zusammenschluss teils dubioser Minigrüppchen, einschließlich der rechtsextremen Pro Köln, kämpft seit Monaten gegen das Museum.
Bereits zwei Jahre zuvor hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Winrich Granitzka einen Skandal verursacht, als er verkündete, »auch der Kreis der Direktoren Jüdischer Museen und die Hochschule für Jüdische Studien« lehnten das Jüdische Museum ab. Wenig später musste er sich hierfür entschuldigen. Ralph Giordano spürt den Zeitgeist: Das jüdische Erbe Kölns, auf das seine Stadt stolz sein könnte, soll in geschichtsblinder Manie verhindert werden – nach einem über 15-jährigen Entscheidungsprozess.
Eine parteiübergreifende zivilgesellschaftliche Kölner Initiative unter Beteiligung zahlreicher Bildungsträger, der Evangelischen Kirche, der Gewerkschaften, zahlreicher Kölner Museen und des Vereins EL-DE-Haus, hält dagegen. Der 91-jährige Giordano: »Ich lebe seit 50 Jahren in Köln. Ein jüdisches Museum im Herzen der Stadt, auf dem Boden des alten jüdischen Viertels – ich hoffe, dass ich dies noch erlebe.«
Eine mehr als fragwürdige Rolle bei den Protesten gegen das Projekt spielt der Architekt Peter Busmann. Der Entwurf des 80-Jährigen bei den Ausschreibungen zum Jüdischen Museum scheiterte bereits im Vorfeld. Gewonnen hat das renommierte Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch & Hirsch, das bereits die neue Dresdner Synagoge und das Jüdische Zentrum Münchens geplant hatte.
Busmann ließ sein eigenes Scheitern keine Ruhe. Ursprünglich hatte er den »kölschen« Gegenentwurf des Stadthistorikers und Journalisten Martin Stankowski unterstützt (vgl. Jüdische Allgemeine vom 17. Oktober 2013). Als dieser mitteilte, dass seine Gruppierung nun die Entscheidung des Kölner Stadtrates akzeptiere und das Bürgerbegehren ablehne, scherte Busmann aus. Bei der Pressekonferenz der Museumsgegner saß er fortan in vorderster Reihe. Ende 2013 formulierte der Kölner Vorstand des Bundes Deutscher Architekten einen scharfen Protest gegen die Alleingänge seines Kollegen. Sie warfen ihm »mangelnde Kollegialität« und »bewusste Rufschädigung von Kollegen« vor.
Nach Einschätzung der Kölner Stadtverwaltung hat das in den Kommunalwahlkampf hineingetragene Bürgerbegehren juristisch keine Chance, so Brigitta von Bülow, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Sie fordert transparente Informationen über Kostensteigerungen und eine noch nachdrücklichere städtische Unterstützung für dieses »bedeutende Vorhaben«, das »weit über Köln hinaus Strahlkraft« besitze.
In den vergangenen Monaten mehren sich die Stimmen für das Museum. Ende Januar übermittelte der Tel Aviver Bürgermeister Ron Huldai seinem städtepartnerschaftlich verbundenen Kölner Amtskollegen Jürgen Roters seine »große Freude« über das wegweisende Projekt. Huldai erinnert an die 50 Jahre zurückliegende Einrichtung der Israel-Mission in Köln – der Beginn diplomatischer Beziehungen: »Dieses wichtige Projekt zeugt von Ihrem Bekenntnis zum jüdischen Erbe Ihrer Stadt, und ich würde mich sehr geehrt fühlen, das Museum besuchen zu können, sobald es geöffnet ist.«
Die Bethe-Stiftung bittet um Spenden für das Museum und garantiert deren Verdopplung. Ihr kölnweites Flugblatt ist von zahlreichen nichtjüdischen Persönlichkeiten und Gruppen unterzeichnet worden, aber auch von Miguel Freund, Ralph Giordano und Peter Finkelgruen.
In den letzten Wochen hat Lorch seine Museumspläne konkretisiert – und einige der Kritikpunkte berücksichtigt. Der Gesamtkomplex soll kleiner ausfallen, der Eingang zum Museum direkt am Rathausvorplatz liegen. Die Dachlandschaft wird als fünfte Fassade gestaltet. Zwischen dem Jüdischen und dem Wallraf-Richartz-Museum entsteht ein größerer Platz. Brigitta von Bülow hofft auf eine Grundsteinlegung noch in diesem Jahr. Eröffnet werden solle das Museum 2016.
Crosspost: Der Artikel erschien bereits in der Jüdischen Allgemeinen
Mal wieder ein Artikel zum jüdischen Museum in Köln, der einen der wichtigsten Punkte, der gegen den Bau spricht, unterschlägt und damit Stimmung schürt: das liebe Geld.
Da wird kritisiert, dass nun schon 15 Jahr lang keine Entscheidung getroffen wurde. Das ist so nicht richtig, es gab schon Entscheidungen für den Bau, nur wollten da private Sponsoren einen Großteil der Kosten dafür übernehmen. Das Geld haben sie aber nicht einsammeln können. Da wurde viel versprochen, nichts gehalten. Böse Zungen behaupten, das wäre Taktik gewesen. Erstmal Geld zusagen und wenn dann erst mal begonnen wird, wird die Stadt schon den Rest übernehmen, solle die Taktik mancher Initiatoren gewesen sein.
Die Kosten werden mittlerweile auf 52 Millionen geschätzt. Nur für den Bau. Der danach defizitäre Betrieb kostet jährlich dann noch mal gut acht Millionen. Für die verschuldete und nicht gerade museumsarme Stadt ist das nicht wenig Geld. Da die Kosten für die archäologische Grabung am Standort inzwischen von geplanten zwei auf mittlerweile knapp neun Millionen Euro gewachsen sind, zweifeln viele, auch angesichts genügend Beispielen in anderen Städten, an der Zuverlässigkeit der Kostenschätzung.
Man kann ja für den Bau sein und die Kosten für angemessen betrachten. Dem Baugegner aber ausschließlich unlautere Motive zu unterstellen und in die rechte Ecke zu schieben, ohne tatsächlich alle gewichtigen Gegenargumente wenigstens zu berücksichtigen, ist widerlicher Gesinnungsjournalismus.
„widerlicher Gesinnungsjournalismus“. 🙂 Irgendwann muss doch mal Schluss sein! Immer diese zionistische Propaganda… 😉
Eine Übersicht über die Beiträge, die allein die Jüdische Allgemeine in den letzten 8 Jahren zur schier unendlichen Kölner Museumsdiskussion publiziert hat:
Jüdische Allgemeine 2/2006: Standort-Poker. Kölner Stadtratsfraktionen streiten um das jüdischeMuseum
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/5244/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
6/2008: Auferstanden auf Ruinen
Köln bekommt ein jüdisches Museum – auf historischem Gelände. Lange gab es Widerstand. Die Geschichte eines Hürdenlaufs
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2565/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
7/2008: Geschwätz von Gestern: https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2476/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
7/2008: „Wir sondieren erst einmal“. Was die Kölner Gemeinde vom Streit um das JüdischeMuseum hält
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2395/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
9/2008: https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2199/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2476
7/2009: Klamm in Köln: https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/1061/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
7/2011: Köln braucht das Museum: Doch über die Frage, was gezeigt werden soll, gibt es Streit
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/10861/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
8/2012: Tief unter der Erde
In der Rheinstadt wird das jüdische Viertel aus dem Mittelalter ausgegraben
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13742/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
1/2013: Stefan Laurin: Populistischer Protest. Initiativen machen im Internet gegen Bau desJüdischen Museums mobil
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15073/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
4/2013: Antisemitismusvorwurf kostet Job. Oberbürgermeister entlässt Projektleiter der Archäologischen Zone wegen Kritik an Grabungsgegnern
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15728/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
4/2013: Kein Spatenstich in Sicht
Das Jüdische Museum bleibt nach wie vor nur eine schöne Idee
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15610/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
7/2013: Grünes Licht für JüdischesMuseum? Stadtrat beschließt Kooperationsvertrag
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16535/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
7/2013: Das Jüdische Museum kommt. Stadtrat einigt sich mit Landschaftsverband
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16591/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
10/2013: Kaufhold Eine schier endlose Debatte. Dem Jüdischen Museum schien nichts mehr im Wege zu stehen. Jetzt will ein Bürgerbegehren es doch noch verhindern
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17306/highlight/j%C3%BCdische&museum&k%C3%B6ln
Und, ganz zum Schluss: taz 2/2013: Pascal Beucker: Kampf um Jüdisches Museum in Köln. Sparen für Geschichtsvergessene. Kölns jüdische Gemeinde ist die älteste nördlich der Alpen. Ein Jüdisches Museum fehlt. Eine Initiative will, dass das so bleibt – aus Kostengründen.
https://www.taz.de/!111092/
Viel Spaß beim Lesen!
https://rungholt.wordpress.com/2014/03/29/tunlichst/
Ein neues Video der Kölner Grünen mit Argumenten für den Bau des Jüdischen Museums und der Archäologischen Zone: https://www.youtube.com/watch?v=24TdOPmw8-0
Der „kölnweite“ Flyer zum Jüdischen Museum ist fertig – sehr gelungen: https://dl.dropboxusercontent.com/u/4317695/leporello_jmk_v87.pdf
[…] Das Phantom-Museum […]
Ein aktueller Kommentar zum Thema aus der Jüdischen Allgemeinen, 23.5.2014:
MEINUNG: Köln braucht ein Jüdisches Museum. Lange genug wurden Planung und Finanzierung hinausgezögert. Doch bald sollte der Bau beginnen:
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19309