Das politische Ende von Bernd Lucke?

Bernd Lucke, beim Versuch auf dem Parteitag zu sprechen. (Foto: Felix Huesmann)
Bernd Lucke, beim Versuch auf dem Parteitag zu sprechen. (Foto: Felix Huesmann)

Die „Galionsfigur“ der „Alternative für Deutschland“ (AfD) Bernd Lucke ist beim Essener Parteitag abgestraft worden. Bei den Wahlen zum Bundessprecher der rechtspopulistischen Partei erhielt Lucke magere 38%. Doch die Niederlage hatte sich abgezeichnet. Als die Sprecher der AfD am Samstagmorgen die Parteimitglieder begrüßten, schlug Lucke schon starker Wind ins Gesicht. Seine Rede wurde von Pfiffen und Buh-Rufen begleitet, einzelne Menschen riefen Lucke entgegen, er solle nach Hause gehen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte dem Europaabgeordneten klar geworden sein, dass er es ganz schwer hat, eine Mehrheit zu erlangen.

Im Verlauf des Samstags musste Lucke weitere Niederlagen einstecken, zum Beispiel als die Wahl eines Generalsekretärs, auf die er gepocht hatte, von der Tagesordnung gestrichen wurde. Lucke hatte für den Posten André Yorulmaz, einen homosexuellen Mann mit Migrationshintergrund, der in der AfD vorher keine wichtige Rolle spielte, vorgeschlagen. Schon mit diesem Vorschlag setzte er auf Konfrontation mit dem rechten Flügel der Partei.

Die nachmittäglichen Berichte der Sprecher der AfD gerieten dann zu den inoffiziellen Berwerbungsreden von Frauke Petry und Bernd Lucke für die Wahl zum Bundessprecher. Während Petry sich konziliant gab und erklärte, mit allen zusammen arbeiten zu wollen, setzte Lucke auf Provokation des rechten Lagers. Lucke sprach von der Existenz von über drei Millionen Muslimen in Deutschland, die man akzeptieren müsse, bezeichnete Äußerungen rechter AfD-Mitglieder als in sich widersprüchlich und sprach sich für die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus. Die Parteimitglieder tobten, Pfiffe, Schreie, ein Mann wollte die Bühne stürmen. Lucke reagierte gelassen und mit der nächsten Spitze gegen seine ehemalige Gefolgschaft. Zuletzt habe er eine so wütende Menge erlebt, als in Leipzig „die Antifa“ einen Auftritt im sächsischen Wahlkampf störte. Das saß!

Bei der Wahl zum Bundessprecher erhielt Lucke am Abend dann nur 38%, seine Widersacherin Frauke Petry gewann mit 60%. Lucke zwang sich noch zu einem Lächeln und schüttelte Petry die Hand. Dann packte er seine Sachen und verschwand von der Bühne des Parteitags. Die lobenden Worte für seine Leistung beim Aufbau der Partei, die Petry verteilte, dürfte er noch im Hinausgehen gehört haben. Am Abend ließ Lucke noch verlautbaren, dass der „Weckruf“ nun über sein weiteres Vorgehen debattieren müsse.

Am Sonntagmorgen rätselten viele Beobachter: kommt Lucke zum Parteitag oder nicht? Lucke kam, und zwar eine Stunde nach Beginn der Versammlung. Verschlafen hatte der Europaabgeordnete wohl nicht, eine wohl kalkulierte Inszenierung folgte. Trauben von Menschen versammelten sich um Lucke, sprachen ihm Mut zu, riefen ihn zum Verbleib in der Partei auf oder äußerten ihren Unmut über den ehemaligen Boss der Partei. Gerüchte machten die Runde, Lucke habe sich schon entschlossen die Partei zu verlassen. In einem TV-Interview dementierte Lucke dies, man müsse im „Weckruf“ noch beraten. Als Lucke sich an das Saalmikrofon begab, um was auch immer zu sagen, tobte wieder einmal der Mob. Lucke habe kein Rederecht. Frauke Petry forderte ihn von der Bühne aus dazu auf, sich wieder hinzusetzen, der Trubel um Lucke störe den Parteitag, sie stehe für ein persönliches Gespräch bereit.

Doch die Lucke-Show ging weiter. Am Mittag verließ Bernd Lucke, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn, den Parteitag. Begleitet wurde der scheidende AfD-Chef von einigen Unterstützern und zahlreichen Kamerateams. Immer wieder schüttelte er Hände, Menschen versicherten ihm ihre Unterstützung. Vor der Halle sprach er mit anderen Anhängern des „Weckrufs“, über die verbliebenen AfD-Mitglieder fielen Worte wie „Demagogen“ und „Pack“. Der Abschied Luckes war wohl inszeniert, sein Auftritt am Sonntag war auf Provokation und maximale Öffentlichkeit ausgerichtet. Es ist derzeit wohl ausgeschlossen, dass Bernd Lucke Mitglied der „Alternative für Deutschland“ bleibt.

In den vergangenen zwei Jahren hat Bernd Lucke die AfD aufgebaut. Eine Abgrenzung nach Rechts fand lange nicht statt. Lucke baute auf Rechtsradikale in der Partei. Rassisten und Neonazis wurden als Einzelfälle bagatellisiert. Im letzten halben Jahr bekam Lucke wohl Skrupel. Seine Mitstreiter schmiedeten Bündnisse mit „Pegida“, manche Landesverbände wurden von manifesten Rassisten gelenkt. Mit dem „Weckruf“-Verein versuchte Lucke nun plötzlich eine klare Abgrenzung von Rechts. Beiträge, die sich kritisch mit rechten Tendenzen in der AfD beschäftigten, wurden verbreitet, und Lucke positionierte sich als konservativer Antirassist. Nachdem die AfD ihm zwei Jahre gefolgt war, hoffte Lucke auch jetzt auf die Gefolgschaft der Parteibasis. Doch diesmal hatte er zu hoch gepokert.

Fraglich ist, wie Lucke und die anderen „Liberalen“ jetzt vorgehen. Die FDP steht nicht offen für ehemalige AfD-Mitglieder, verlautbarte Christian Lindner. Die AfD haben Lucke & Co aufgebaut, die Partei hat 20.000 Mitglieder. Eine neue Partei muss dieses Potential erst mal erreichen. Mit weichgespültem Rechtpopulismus wie ihn Lucke vertreten muss, um glaubwürdig zu bleiben, wird einer neuen Partei die soziale Basis fehlen. Der „Weckruf 2015“ ruft mittlerweile zu einer Online-Abstimmung über das weitere Vorgehen auf. Zur Wahl stehen, mit politischer Arbeit aufzuhören, in der AfD zu „überwintern“ oder eine neue Partei zu gründen. Die Zeichen stehen auf Neugründung. Hans-Olaf Henkel hat am Sonntag schon seinen Austritt aus der AfD erklärt und bezeichnet diese jetzt als rechtsradikale Partei.

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Jens H.
Jens H.
9 Jahre zuvor

An sich ein guter Artikel bis auf ein paar Dinge, die nicht so ganz stimmen. Ich war selber auf dem Parteitag als Weckruf-Mitglied.

1.) Bernd Lucke verblieb die ersten Momente bei Frauke Petrys "Siegesrede" auf der Bühne und bekam ja auch noch großen Beifall von Teilen des Auditoriums. Als Petry danach jedoch den Satz aussprach "So etwas wie den Weckruf darf es nie wieder geben" packte er seine Sachen. Nach eigener Nachfrage lag es auch an diesen Äußerungen, die jede*r als Nachtritt verstehen konnte.

2.) Am folgenden Tag saß Herr Lucke unter den Teilnehmer*innen. Die Traube der Menschen um ihn herum wuchs ohne sein Zutun. Was soll er machen bei Belagerung von Journalist*innen? Aus der Halle gehen? Als er das wollte, wurde die Traube ja noch größer..

Ansonsten guter Artikel, der jedoch, untypisch für die Ruhrbarone, die rassistischen Zwischenrufe und Ausfälle VIELER AfD-Mitglieder weglässt. Diese wären auch mal einen eigenen Artikel wert.

PS: Meinen ersten Beitrag bitte löschen wegen peinlicher Tipp-& Ausdrucksfehler.

Gerd
Gerd
9 Jahre zuvor

„Das politische Ende von Bernd Lucke?“

Nicht notwendigerweise. Eine marktwirtschaftlich orientierte Partei hätte ein Alleinstellungsmerkmal angesichts der paternalistischen Haltung der anderen Parteien. Angesichts der Debakel namens Euro und Energiewende wäre ihr der Erfolg sicher.

Die AfD hätte diese Partei sein können, wenn es ihr gelungen wäre sich besser gegen Reaktionäre und Putinfreunde abzuschotten.

Dobix
Dobix
9 Jahre zuvor

http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/dortmunder-afd-vorstand-tritt-fast-komplett-aus-id10857021.html

Dortmunder AfD-Vorstand tritt fast komplett aus

Die auf dem Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) deutlich gewordene Spaltung der Partei in einen wirtschaftsliberalen und einen rechtskonservativen Teil wird auch für den Dortmunder Kreisverband zur Zerreißprobe: Sieben von acht Mitgliedern des Kreisvorstands erklärten am Montagabend ihren Rück- und Austritt aus der AfD.

Ulrich
Ulrich
9 Jahre zuvor

Schaut man sich die Geschichte der Republikaner an dann findet man durchaus die eine oder andere Parallele zur AfD. Gegründet am rechten Rand des demokratischen Spektrums, dann begleitet von personellen Querelen immer weiter ins rechtsradikale Milieu abgeglitten.

Am Ende ist man in der politischen Bedeutungslosigkeit angelangt. Dies könnte auch der AfD bevorstehen.

luxfux
luxfux
9 Jahre zuvor

Interessant, dass die bisher recht seriös auftretende AfD Bochum sich ganz klar hinter den neuen Rechtsaußen-Kurs stellt. Das benötigt ebenfalls eine Neubewertung der Situation.

luxfux
luxfux
9 Jahre zuvor

Naja, die Arbeit im Rat wurde gerne von WAZ & Co ignoriert, aber es wurde viel Sacharbeit geleistet auf seriöser Ebene. Zustimmen muss man dem nicht.
Jetzt einen einzelnen Irren mit Knarre als Bewertungsmaßstab heranzuziehen ist auch nicht seriös. 😉

leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

Nach der allgemeinen politischen Logik ist der Ausgang dieses rechtskonservativen Parteitages keine Überraschung. Für nationalliberale Ideen gibt es in Deutschland neben der FDP keinen großen Platz, aber für nationalkonservative Vorstellungen rechts von CDU und FDP sehr wohl. Diesen Platz wird die AfD vermutlich in dem Maße stärker besetzen, in dem sie sich jetzt sowohl alten reaktionären CDU-Mitgliedern, die durch Merkel heimatlos wurden, als auch jungen Rechtspopulisten aus den diversen Pegida-Bewegungen anbietet. Der Themenwechsel von der Anti-Europa-Partei zur Partei der Fremdenfeindlichkeit ist so gesehen konsequent.

These: Die AfD wird sich außerdem nicht länger auf ein eher traditionell bürgerliches Milieu beschränken, sie wird sich wie der Front National auch gegenüber Arbeiter- und Angestelltenschichten öffnen. Das wird zu einer Radikalisierung der sozialen Frage im völkischen Sinne führen – und da werden alle Demokraten hellwach sein müssen. Denn nicht immer muss der alte Marx-Satz stimmen, dass zentrale historische Ereignisse zuerst als Tragödie und danach, in ihrer Wiederholung nur noch als Farce auftreten.

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