Dass der demographische Wandel kommt, weiß inzwischen jeder. Welche Regionen wie betroffen sind, ahnt mancher. Aber welche wirtschaftlichen Auswirkungen er wirklich haben wird, weiß niemand. Ein Blick in die „Raumordnungsprognose 2030“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung hilft da weiter. Für das Ruhrgebiet ist es ein Blick in ein tiefes, schwarzes Loch. Von unserem Gastautor Roland W. Waniek.
Drei zentrale Prognosen lassen sich aus den Daten der bundesamtlichen Statistiker heraus lesen:
- Nordrhein-Westfalen verliert stärker als der Bund (West)
- das Ruhrgebiet verliert stärker als NRW
- die Ruhr-Großstädte verlieren alle, aber unterschiedlich stark
NRW koppelt sich vom Bundestrend ab
Zunächst nimmt die Anzahl der Erwerbspersonen auf der Ebene Bund (West) zu, und zwar bis zum Jahr 2017, wo sie ihr Maximum findet. Danach geht sie zurück und landet schließlich bei knapp -4% verglichen mit 2009, dem letzten Jahr für das es amtlich erhobene Daten gibt. Ähnlich sieht es für NRW aus, nur dass sich das größte Bundesland bereits 2011 deutlich vom Bundestrend abkoppelt. Es erreicht dann ebenfalls 2017 ein Maximum, um schließlich in 2030 bei knapp -6% zu landen.
Das Ruhrgebiet geht einen Schritt weiter
Den großen Ruhrgebietsstädten ergeht es noch viel schlechter: Sie verzeichnen nicht zunächst ein Wachstum wie Bund und NRW in den ersten acht Jahren. Vielmehr verlieren sie bereits 2013 an Erwerbspersonen und kommen in 2030 auf einen schmerzhaften Verlust von -10%. Jede zehnte Erwerbsperson ist dann schlicht weg.
Weniger Erwerbspersonen, weniger Wohlstand
Dieser prognostizierte dramatische Rückgang der Erwerbspersonen in den großen Ruhrgebietsstädten ist für die Wirtschaftsentwicklung der Region äußerst problematisch. Unter Erwerbspersonen fassen nämlich die Statistiker die arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen ab 15 Jahren zusammen. Dies sind die Menschen, die für die Wirtschaftskraft relevanten sind, weil sie das Sozialprodukt erarbeiten. Sie sind die wirtschaftlichen Leistungsträger einer Gesellschaft, ihre Arbeitsleistung ist entscheidend für unseren Wohlstand. Weniger Erwerbspersonen bedeuten weniger Wohlstand, wenn kein Wunder passiert, wie zum Beispiel ein großer Produktivitätssprung durch neue Technologien. Aber damit ist im Ruhrgebiet nicht zu rechnen, die Zeit der großen, bahnbrechenden Innovationen steht in den Büchern zur Industriegeschichte.
Dortmund vor Gelsenkirchen vor Bottrop
Der Rückgang entwickelt sich im Ruhrgebiet keineswegs gleichmäßig. Während Dortmund mit -6% und Essen mit -7% noch vergleichsweise glimpflich davon kommen, trifft es Schlusslicht Bottrop besonders hart: Minus 15% Erwerbspersonen hat die Emscherstadt zu verkraften. Aber Hagen, Gelsenkirchen und Recklinghausen wird es nicht viel besser ergehen. Sie werden auf -14% taxiert. Es zeigt sich also, dass nicht nur das Ruhrgebiet insgesamt schlechter dasteht als Bund und NRW, sondern dass auch innerhalb des Ruhrgebiets beachtliche Divergenzen vorhanden sind. Auf dem absteigenden Ast geht es unterschiedlich schnell nach unten.
Minus 10 Prozent
Eine Kernaussage der Raumordnungsprognose 2030 ist, dass der ländliche Raum stärker verliert als urbane Regionen. Der Trend hin zu Großstädten verstärkt sich. Da das Ruhrgebiet besonders viele Großstädte hat, lohnt auch ein Vergleich innerhalb dieser Gruppe. Die 76 deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern verlieren laut Prognose knapp 5% ihrer Erwerbspersonen. Rechnet man die Ruhrgebietsstädte raus, so büßen sie immer noch knapp -4% ein. Das heißt, dass ein Fünftel der Verluste an der Ruhr stattfinden. Die großen Ruhrstädte für sich allein genommen verlieren erschreckende 10% ihrer Erwerbspersonen.
Fazit: Vor der Hacke bleibt es duster
Dem Ruhrgebiet geht es jetzt schon nicht besonders gut. Hohe Arbeitslosigkeit, Strukturprobleme, Wachstumsschwäche haben wir bereits seit längerer Zeit. Und die Prognose des Bundesinstituts BBSR macht uns keine große Hoffnung. Das Ruhrgebiet koppelt sich noch weiter vom Bundestrend ab, die Zahl der Erwerbspersonen nimmt stärker als in Vergleichsregionen ab. Immer weniger Menschen erarbeiten den großen Kuchen, der verteilt werden will. Die Kosten für öffentliche Aufgaben der Infrastruktur und Daseinsvorsorge sowie für Sozialtransfers lasten auf immer weniger Schultern. Wie lange das wohl noch gut gehen wird?
Vor zwei Jahren bin ich zu meiner Frau von Düsseldorf nach Duisburg gezogen. Luftlinie nur rund 30 km nach Norden aber dafür rund drei Jahrzehnte in die Vergangenheit.
Es ist erschreckend in welchem Selbstmitleid hier eine ganze Stadt/Region die Augen vor der Realität verschließt. Hier wird, auch und besonders gerne von den lokalen Medien wie der WAZ-Gruppe und dem Springerblatt mit den großen Buchstaben, Rentner- und Arbeiterfolklore der 80er Jahre betrieben, ohne einen Blick auf das Diffundieren ganzer Stadtgemeinschaften bzw. Stadtviertel zu lenken. Spätestens seit dem letzten großen Arbeitskampf der Bergarbeiter in den 90er-Jahren sollte jedem klar denkenden Menschen ersichtlich sein, dass hier nur noch Mangelverwaltung betrieben wird.
Verwahrloste Innenstädte, zerfallene Infrastruktur, eine Generation Jugendlicher ohne Perspektive in der eigenen Stadt. Eine allgemeine, positive Bürgermentalität gibt es kaum.
Jetzt werden viel sagen: Ach der Schnösel aus Düsseldorf…Fresse halten und wieder verziehen…Tja liebe Ruhris…den Weg geht ihr seit Jahren. „Woanders ist auch Scheisse!“, Falsch. Woanders war es auch Scheisse, aber in Düsseldorf haben viele engagierte Leute mal Eimer, Besen und Farbe in die Hand genommen. Und zwar ebenfalls lange bevor die Stadt Düsseldorf auf die Idee kam, mal was zu tun. Denn auch in dort gab es in den 80er Jahren 4 bis 5 Stadtbezirke bzw. Arbeitergegenden, die auf der Kippe standen. Und auch dort hat es locker 15 Jahre gedauert, bis sich das Positive mal herum gesprochen hat. Und auch dort hatte die Stadt oft kein oder nur wenig Geld für die ersten, kleinen Schritte.
Und es fängt durchaus mit repressiven Maßnahmen an. Kein Dreck/Müll/Unrat an irgendwelchen Ecken. Wer beim Abladen erwischt wird, bekommt sofort und unverzüglich eine saftige Rechnung.
Verwahrloste Häuser/Grundstücke: Wo immer möglich mit Enteignung drohen, damit sich auch die Immobilienbesitzer nicht aus der Verantwortung stehlen können. Zwei „schrunzelige“ Grundstücke in einem Viertel reichen, um den Wohlfühlfaktor der Bewohner gen Null zu drücken.
Die Bevölkerung geht zurück, also werden wohl auch weniger Wohnungen gebraucht: Was zu alt ist und an Hausbestand nicht mehr zu reparieren lohnt: abreißen, konsequent.
Auch neue Mitbürger müssen sofort gezeigt bekommen: Freiheit ja, aber auch hier geht es nicht ohne Regeln. Wegschauen hilft nicht, sondern fördert den Zerfall.
Umgekehrt: Hilfe von Seiten der Stadt anbieten, wenn es aus eigener Kraft nicht geht.
Kleine, lokale Bürgerbüros mit langen Öffnungszeiten machen da die Wege kurz.
Dies ist nicht in einem Jahr zu bewerkstelligen. Das ist ein ganz langer Weg auf den man sich aber begeben muss, wenn das Revier nicht ganz wegbrechen und eine amorphe Masse ohne Bürgersinn
werden soll.
Grüße von einem Neuduisburger.
Eine handfeste Analyse, die zwingend zur Belebung und Entbürokratisierung des Wirtschaftsstandortes führen muß. Die Politik der „präventiven Daseinsvorsorge“ der Regierung Kraft und die Kirchturmpolitik der Kommunen muß beendet werden. Es zählt nur noch eins, um den Aderlaß an Menschen aufzuhalten: Jobs, Jobs, Jobs. Und dazu braucht es Unternehmer, die Geld verdienen dürfen ohne befürchten zu müssen, unter Generalverdacht des sozialen Ausbeuters zu stehen.
Nicht mehr lange…was mich allerdings noch mehr verwundert, dass diese Fakten von der lokalen als auch der Landespolitik beharrlich ignoriert werden….es wird U N M Ö G L I C H in nächster Zukunft für Städte und das Land die gesetzlichen Sozialausgaben und die gemachten Pensionszusagen auch nur annährend zu bezahlen….aber solange die drei Affen überall in führender Position sind….
Ich komm aus Bottrop. Dort ist der Kopf dermaßen tief im Sand. Die ignorieren bis heute den abzusehenden Abzug der Zeche 2018.
Die Uhr tickt. Da muss dringend was einschneidendes passieren. Aber es wird immer noch gesund gebetet.
Was mich immer wieder (ver-)wundert:
Seit mindestens 15 Jahren liegt umfangreiches Datenmaterial zum demograpischen Wandel vor -bundesweit, landesweit und je Stadt(!!).
Vor ca. 15 Jahren ist das, was unter demographischem Wandel verstanden wird, für jedermann verständlich be- bzw. umschrieben worden mit:
Wir werden weniger.
Wir werden bunter.
Wir werden älter.
Die vorliegende, aktuelle Datensammlung enthält substantiell dazu nichts (!!) Neues, weder bezogen auf die Bundes- und die Landesebene noch bezogen auf die Kommunen. Insofern gibt es diesbezüglich auch keinen neuen Informationstand für die Kommunen, auch nicht für die im Revier.
Und seit mindestens 15 Jahren gibt es vielfache und vielfältige Gutachten, Analysen und Ratschläge Dritter an den Bund, an die Ländern, an die Kommunen in Gänze und an viele Einzelkommunen im konkreten über die Folgen des demographischen Wandels und dazu, wie man sich diesen Folgen zu stellen hat und wie man mit ihnen umgehen könnte bzw.umgehen sollte.
In vielen Kommunen -auch im Revier- gibt es u.a.gestützt auf das, was ihnnen Dirtte raten, mittlerweile eigene Konzepte, eigene Strategien zum „Umgang mit dem demogr.Wandel“, z.Teil federführend und fachübergreifend gemanagt durch einen „städt. .Demogra.beauftragten.“
Ein Bericht wie der vorliegende, hier kommentierte, könnte Anlaß sein, daß ‚mal wieder in der Bürgerschaft, in der örtlichen Politik, in der örtlichen Verwaltung und über die Medien der aktuelle Sachstand “ Demogr.Wandel in………-Was ist dazu bisher geschehen, was ist geplant?“ afubereeitet und diskutiert wird.
Aus dem umfangreichen Fundus „Materialen zum demogr.Wandel“ erwähne ich, weil für mich persönlcih besonders interesant:
1.
Kommunale Daseinsvorsorge bei rückläufiger Bevölkerung -Das Ruhrgebiet als Modellregion-.
-11 Kernaussagen und Kurzfassung derf Studie-
Gutachten im Auftrage des KVR- Herausgeber KVR -Bottrop und Essen im Julie 2004-
Verfasser: Prof.Junkernheinrich und Gerhard Micosatt.
2.
Die demographische Herausforderung
-Auswirkungen auf Kaufkraft, Einzelhandelsumsätze und verbraucherorientierte Infrakstruktur in den Kreisen und kreisfreien Städten des IHK-Berzirkes Nord-Westfaeln.
-Herausgeber IHK – Nord-Westfalen; Januar 2005–
3,
Nachhaltige kommunale Finanzpolitik vor dem Hintergrund des dem.Wandels-Prof.Seitz, TU Dresden
-sh.www.aktion2050. de/wegweiser – Bertelsmann Stiftung.
4.
Wohnungsmärkte im Wandel
-Prof. Rohr-Zänker, Uni Oldenburg
-sh.www.wegweiserdemographie. de -Berteslamnn Stiftung
Und nicht zuletzt erwähne ich aus dem reichhaltigen Fundus an Material zum demogr.Wandel einen Beitrag von Häußerman/Siebel :
„Schrumpfende Städt -schrumpfende Phantasie“
MERKUR, Nr.664, August 2004
Dieser Beitrag gehört in die Reihe all derjenigen, die einzuordnen sind unter die Überschrift:
„Chancen des demogr.Wandels erkennen und nicht in Risikobetrachtungen verweilen“.
Aus diesem Beitrag folgende Zitate:
„Aber die eigentliche Problematik schrumpfender Städte liegt nicht in einzelnen Entwicklungen. Erst aus dem Zusammenspiel von Bevölkerungsverlusten mit selektiver Abwanderung von qualifizierten jungen Arbeitskräften, nicht gelingender Integration von Zuwanderern, negaitven ökonomischen Entwicklungen, hohe Arbeitslosigkeit, sinkende kommunale Finanzspielräume, Auflösung der Stadtgestalt und Ausdünnung der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen entsteht eine städt.Krise, bei der sich negativen Entwicklungen zu einem Teufelskreis verstärken können “ -sh. S.10 im 2.Absatz-.
„Auch mit weniger Einwohnern läßt sich der Wohlstand sichern, dafür ist die ökonomische Entwicklung entscheidend, weniger die demographische -sh.S.14 im letzten Satz-.
„Auch herrscht weitgehehend Einigkeit, daß die Probleme wie die Chancen des Schrumpfens nicht bewältigt bzw. genutzt werden könenn, solange es keine politisch und fnanziell handlungsfähigen Stadtregionen, keine regionale Kooperation und keine Reform der Gemeindefinanzen gibt.“
Also insgesamt
nichts substantiell Neues, sondern eine Fortschreibung vorhandener Daten, die aber Anaß sein könnte, vor Ort, hier in den Kommunen des Reviers, sich ‚mal wieder der einschlägie Problematik vor Ort und in der Region bewußt zu werden und aktuell nach dem OB , dem Wie der Strategien vor Ort zu fragen sowie nach dem konkretn Verfahrensstand im Projekt der Gestaltung des demogr.Wandels. Und dieser Frage hätte sich nicht nur die „politische Gemeinde“ zu stellen, sondern zudem alle Akteure vor Ort – z.B. die Veranwortungsträger in den Kammern, den Gewerkschaften, den Kirchen, de örtlichen Einzelhandels usw.
#1 LOLO
Danke für den sehr anschaulichen Beitrag.
Das habe ich selbst 2009 zum Thema geschrieben:
http://www.transparentonline.de/index.php/die-hefte/62-nr-74/375-bevoelkerungsschwund-als-chance
Die mündliche Kürzestfassung hier:
http://www.emscherplayer.de/playMedia.yum?mediaID=49124
Geändert hat das natürlich genauso wenig wie all die anderen Gutachten und Artikel zum Thema. 🙂
Es ist eine Prognose, an die ich nicht glaube.
1) Der ländliche Raum wird wieder gewinnen, da er mehr Lebensqualität bietet und Nähe zu Geschäften, Kultur etc. nicht mehr so wichtig ist (Internet, Online-Versand, Telearbeit ..)
2) Die Kostenstruktur im Ruhrgebiet ist wieder konkurrenzfähig.
3) Die Zuwanderung ist aktuell nicht kalkulierbar.
4) Die Lebensarbeitszeit ist nicht kalkulierbar.
5) Die „ich warte auf die Abfindung“-Generation stirbt aus, d.h. die Jugend muss aktiver werden, wenn sie sich nicht von der Regierungsmindestabsicherung abhängig machen will.
Was kann die Politik tun?
– Dezentrale Standorte von Behörden, öffentlichen Einrichtungen etc. damit die Boom-Towns etwas wenig Druck bekommen und die Randregionen Impulse.
– Sozialausgaben etc. als Bundesaufgabe betrachten, um Teufelskreise zu vermeiden.
– Den Bürger stärker zur Eigeninitiative drängen.
Kein Geld in der Tasche, viel Zeit, aber AI vom Staat verlangen geht nicht.
@1) Ich kenne viele Regionen der Welt, würde Ddorf aber nie als gelungene Stadt für Lebensqualität etc. heranziehen.
– Ein Dauerstau,
ÖPNV auf dem Niveau der 50er Jahre.
– Viele häßliche Innenstadtviertel.
– Teure Wohnungen
——-
Die Dortmunder Nordstadt sieht optisch klasse aus, schafft es aber trotzdem nicht, aus den Negativ-Schlagzeilen zu kommen. Wer Häuserzeilen aus Kreuzviertel und Nordstadt auf Fotos vergleicht (ohne Geschäfte), wird keinen Unterschied feststellen. Es hängt also viel von den Menschen ab, ob ein Viertel attraktiv ist. Also hängt es auch von den Menschen ab, ob es hier was wird.
[…] Das Ruhrgebiet auf dem absteigenden Ast (Ruhrbarone) – […]
@ #8 „…Sozialausgaben etc. als Bundesaufgabe betrachten,…“
Ja, das wäre m.E. ein wichtiger Schritt.
#1 zum Thema D’dorf:
Seit Jahren bin ich entsetzt über den Leerstand im Bereich Oststraße und inzw. sogar Immermannstraße. OK, da ist der U-Bahn-Bau gewissermaßen ’nebenan‘. Aber gut organisiert wirkt das alles dort nicht. Wer Ramschläden, Fingelnagel-Studios u.ä. in Reihe sehen will, der findet das nicht nur im Ruhrgebiet, auch in ehemals guten Lagen in D’dorf.
@8: Richtig, ich verstehe auch nicht, warum Düsseldorf für Lebensqualität stehen soll. Aber ich verstehe auch nicht, warum Berlin oder München attraktiv sein sollen, *grausel*. Aber bin da vielleicht auch Außenseiter…
sollte man denn wirklich dezentrale Standorte fördern? Wäre es nicht besser, jede Stadt jeweils mehr zu zentralisieren, indem vor allen an den Rändern Häuser abgerissen werden (gleichzeitig muss aber auch Neubau stattfinden und zwar eher im höherpreisigen Bereich. Günstigen Wohnraum gibt’s mehr als genug. Evtl nur die Wohnungszuschnitte könnten nicht mehr modernen Anforderungen genügen)
ich verstehe eigentlich nicht, warum es noch nicht zu einen kleinen Boom im Ruhrgebiet kam. Im Osten hat das ja z.B. teilweise geklappt, dabei hat das Ruhrgebiet sämtliche Standortvorteile von Ostdeutschland auch.
Man hat relativ viele Hochschulen, günstige Mieten, abwechslungsreiche Freizeitmöglichkeiten, auch abwechslungsreiche Wohnmöglichkeiten (man kann ja eher ländlich wohnen in gewissen Teilen z.b.) günstige Lage etc. Es sollte für Unternehmen ja ein großer Pool an qualifizierten Arbeitskräften bestehen, die aufgrund der günstigen Lebenshaltungskosten auch für paar Tausend Euro im Jahr weniger als in München zu kriegen sind.
@ TuxDerPinguin
„..ich verstehe eigentlich nicht, warum es noch nicht zu einen kleinen Boom im Ruhrgebiet kam.“
Tux, das wir dann geschehen, wenn die zur Zeit attraktiven Städte/Regionen voll gelaufen sind. Also frühestens in 20 Jahren. Wenn aber bis dahin das Ruhrgebiet nicht radikale Schritte zur Verbesserung des Nahverkehrs, der sozialen Struktur und der wirtschaftlichen Dynamik gegangen ist, wird das auch dann nicht passieren.
Zum Verständnis, wir sind Pro-Herten aber Kontra Rechts, mit den Rechtsauslägern, Pro-NRW etc. haben wir nichts zu tun.
Was wir noch nicht losgeworden sind, ist der Muff aus der Kaue http://www.pro-herten.de/?newsletter=kommunalpolitik-aus-der-kaue1
Hatte gerade dazu einen Till geschrieben: http://www.pro-herten.de/?newsletter=till-zur-steuererhoehung-und-verwaltungsqualitaet
Wir haben offensichtlich kein Einnahmeproblem, jedoch ein Ausgabeproblem. In den Rathäuser bezahlt der Bürger die „Nichten und Neffen“, Fachleute bleiben außen vor – sie könnten ja die „Kreise stören“ in Herten 68 Jahre SPD-Alleinherrschaft, (könnte in Bayern mit der CSU wohl nicht anders sein – aber vielleicht haben die aber kompetentere Neffen und Nichten.
Ich kann mich noch erinnern wie Nixdorf nach München vertrieben wurde, in Herten hatte in den früheren 70ziger Ford mit einer Ansiedlung in Herten keine Change, die mussten nach Köln ausweichen, weil der Bergbau Angst davor hatte, dass die Arbeitskräfte aus dem Pütt weggingen. Wo ist der Bergbau nun, er verkauft die letzten Zechenbrachen als potemkinsche Dörfer , auf den Folgekosten bleibt der Bürger hängen – es ist in der Grundsteuer ja noch Luft nach oben…..
Da ja hier auch auf meinen Beitrag eingegangen wurde, noch ein paar Anmerkungen.
#8,11,12 Zum Straßenverkehr in Düsseldorf:
Ja, der hat in den letzten 20 Jahren gewaltig zugenommen. Dadurch hat aber in den letzten 5 – 10 Jahren ein umdenken, selbst in der Autofahrerpartei CDU, statt gefunden. Der innerstädtische Individualverkehr hat mittlerweile einen Fahrradanteil von rund 25%. Tendenz weiter stark ansteigend.Dafür werden Schneisen geschaffen. Das ist nicht immer optimal gelöst, auch weil die Autofahrerpartei oft und lange Vieles blockiert hat, aber es tut sich was.
Jetzt das eigentlich Perverse im Vergleich mit Duisburg oder auch Essen:
Dort sind entlang aller Hauptstraßen schon Radwege vorhanden. Diese sind allerdings in einem dermaßen erbärmlichen Zustand, dass man sich mit etwas gutem Willen alle 50 m die Knochen brechen kann. Es fehlt das Geld für das ordentliche Ausbessern der Radwege. Vom Zustand rund 80% der Strassen mal ganz zu schweigen. Wenn die Autobauer Teststrecken benötigen…einfach mal 50.000 km mit dem Testwagen durch den Pott fahren. Mehr Testbedingung geht nicht.
Zum ÖPNV:
Der ist in Düsseldorf nicht auf dem Niveau von Berlin oder Hamburg, keine Frage. Aber im gesamten VRR kommt da ggf. noch Dortmund halbwegs ran. Der Rest fristet mit einem maroden Busliniennetz eher ein Schattendasein. Der VRR und das durch ihn verordnete Kirchturmdenken bis zur Stadtgrenze verhindert übrigens m.E. einen vernünftigen ÖPNV innerhalb des gesamten Rhein-Ruhrgebiets. Es fehlt beispielsweise eine hohe S-Bahn-Taktrate von 15 bis 20 Minuten bis etwa 22:00 Uhr. Damit würde sich der ÖPNV auch mal an die veränderten Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer anpassen und Attraktiver werden.
In Oberhausen und Essen wird ein Teilstück der Straßenbahn nicht gebaut, weil die Bürger Angst vor 300.000€ Unterhaltskosten p.a. haben und selbst die knapp 10% Baukosten, die die Kommunen noch hätten tragen sollen, von diesen nicht aufzubringen sind.
Duisburg erhält nach SOS-Signalen die Runderneuerung der einzig brauchbaren U-Bahn von außerhalb. Man hat keine Reserven angelegt bzw. diese schon anderweitig verplant/ausgegeben.
Zu den Ramschläden/Leerständen:
Ja klar gibt es das punktuell auch in Düsseldorf. Gar keine Frage.
Ich sehe aber in Duisburg ganze Stadtviertel, die nur Dönerbuden, Wettbuden, 1€-Läden und Saufbüdchen als Ladenlokale haben. Vielleicht noch ein Gemüsehändler oder ein Penny dazwischen. Teile von Wanheimerort, fast ganz Hochfeld, Rheinhausen…mit dem Bulldozzer an einer Seite rein und am anderen Ende wieder raus. Ich rede bewusst nicht von Marxloh. Dort hat sich nämlich ein türkischstämmiges Bürgertum angesiedelt, welches auf ihr Viertel achtet. Das sieht auch nicht immer klasse aus, aber man fühlt eine urbane Kultur in diesem Teil Duisburgs.
Bei Erneuerungsmaßnahmen höre ich den Aufschrei, wenn mal ein paar Häuser neue Fenster bekommen: „Luxussanierung! Bonzenwohnungen!“, und die Politik steht daneben und hat Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, anstatt mit einer Stimme zu sprechen und ohne Parteigezänk auf die notwendigen Veränderungen einzugehen.
#Tux Der Pinguin:
„Sollte man denn wirklich dezentrale Standorte fördern? Wäre es nicht besser, jede Stadt jeweils mehr zu zentralisieren, indem vor allen an den Rändern Häuser abgerissen werden. Gleichzeitig muss aber auch Neubau stattfinden und zwar eher im höherpreisigen Bereich. Günstigen Wohnraum gibt’s mehr als genug. Evtl nur die Wohnungszuschnitte könnten nicht mehr modernen Anforderungen genügen.“
Klares JA ! Jede Stadt braucht ein Hauptzentrum auf das alles ausgerichtet ist und das es zu verdichten gilt. Nur so lässt sich kostenspieleiger Wildwuchs bei ÖPNV und Infrastruktur zurückschneiden. Die fußläufige Einkaufsstraße im Veedel soll und wird dadurch nicht verschwinden.
Diese schon im Artikel angesprochene Negativspirale muss von Seiten der Bürger und, noch wichtiger, der Politik klar angegangen werden. Sozialromantik ist absolut fehl am Platze angesichts der prekären Lage in Sachen Demografie und Kassenlage.
Zentralisieren? Nein. Berlin zeigt, dass es auch sehr dezentral geht.
Was passieren müsste, damit das Ruhrgebiet endlich mal sein Potenzial nutzen kann,
wäre ein komplettes Verschwunden der Stadtgrenzen.