Das Tech-House Duo Super Flu in Dortmund

tumblr_nc7wishFx41qah9y4o1_1280Heute Abend feiert das Kunst- und Musikkollektiv All The Time gemeinsam mit dem aus Halle an der Saale stammenden Elektronik-Duo Super Flu die Veröffentlichung einer Schallplatte, welche die Musiker gemeinsam mit den Dortmunder Philharmonikern aufgenommen haben. Am kommenden Montag findet dann im Konzerthaus Dortmund eine Live Darbietung der Dortmunder Philharmoniker mit dem DJ Duo statt. Unter dem Titel „Schilder einer Baustelle“ werden Themen aus der Mussorgski Komposition „Bilder einer Ausstellung“ neu interpretiert und mit Beats, Grooves, Sythti-Sounds und Feld Recordings unterlegt. „Mussorgskimeetsfeel-good Tech-House“, heißt es aus der PR Abteilung der Dortmunder Philharmoniker und ein „unvergesslicher Abend“ wird prognostiziert.

Feel-good Musik?

Da das feel-good Konzert bereits ausverkauft zu sein scheint, haben die zahlreichen Fans von Super Flu heute zumindest die Gelegenheit, ein DJ Set der beiden zu erleben. Da die fest installierte Anlage des View nach Dafürhalten des All The Time Kollektivs aber den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird, wurde extra für den Abend eine separate Anlage des Herstellers Funktion One geordert.

All The Time im U?

Es wundert ein wenig, dass die Jungs und Mädels von All The Time sich als Veranstaltungsort für die Feier das Dortmunder U ausgesucht haben, welches ja – häufig zu Recht – als Sinnbild der Misswirtschaft der städtischen Kulturbetriebe herhalten muss. Auf Nachfrage bei All The Time heißt es, dass man sich von der etablierten Clublandschaft schon gerne distanziere, aber eben auch mal ausnahmen machen müsse, wenn es der Sache dienlich ist. Auf die Nachfrage, welcher Sache es denn dienlich sein soll, als Veranstaltungsort das U zu wählen, heißt es dann salopp, man solle sich den Veranstaltungstext durchlesen. „Da steht alles drin! Und dann soll sich doch jeder ein eigenes Bild vom U machen.“, sagt Paul vom Kollektiv abschließend.

Also veröffentlichen wir hier mal den durchaus unterhaltsamen Veranstaltungstext des Kollektivs zur Party. Ob’s stimmt, sei dahin gestellt.

All The Time mit Super Flu? Im U? Wie kommt es denn dazu?

Ist eigentlich ne ganz simple Geschichte:

Die All The Time Crew besuchte Mitte des Jahres die Baustelle zwischen der alten Union Brauerei und dem Hauptbahnhof und ärgerte sich ein bisschen darüber, dass die sehr eckigen Neubauten für irgendwelche neue Designschulen den netten Blick auf die Gleise versperren und direkt nebenan ja ohnehin schon jede Menge leerstehende Häuser nur darauf warten, von jungen Werbegrafikern genutzt zu werden, da machte sie auch schon ein Bauarbeiter darauf aufmerksam, dass Fremde auf der Baustelle nichts zu suchen hätten, schon gar nicht ohne Schutzhelm, ob man denn die Schilder nicht gesehen hätten usw.

Doch als man erklärte, dass die Besucher Musiker seien und diese von den regelmäßigen sonoren Schlägen des Presslufthammers gewissermaßen magisch angezogen worden waren, dass diese Schläge gemeinsam mit den gelegentlich aufblitzenden hellen Hammertönen gewissermaßen schon ein ganzes Musikstück bilden könnten, getragen vom magischen Grundsummen des Generators, da wusste der Bauarbeiter auf einmal, dass alle vom gleichen Schlag waren, schmiss seinen Helm beiseite und gemeinsam wippte man im Takt der Zementmaschine.

Bierseelige Stunden später saß die komplette All The Time Crew dann mit genau diesem Bauarbeiter im Konzerthaus in der Brückstraße und versuchte sehr angestrengt, irgendeiner Wagner Oper zu folgen. Und gerade als man vor lauter Langeweile ob des bürgerlich verschmierten Wagner – Pathos lieber zurück zum U gehen wollten, um bei ein paar Bier und bunten Winkelmann Projektionen endlich vollständig abzudumpfen, da hielt der Bauarbeiter die Flüchtenden zurück. „Ey“, sagte er, nickte bedeutungsvoll in Richtung des Orchestergrabens und erklärte in ernstem Tonfall: „Wisst ihr, was mir bei diesen alten Wagner – Schinken schon immer gefehlt hat? Der Maschinendruck! Das Zeug hat heutzutage einfach keine Power mehr. Selbst Nietzsche war von dem Arsch seinerzeit schnell gelangweilt. Und wieso?“ Der Bauarbeiter machte eine bedeutungsvolle Pause. „Na, wegen zu wenig Druck.“ Und als man sich gerade fragte, was der neue Kumpel damit wohl sagen wollte und wer überhaupt Nietzsche war, da brachte er es selbst auf den Punkt: „Was der ganzen Klassik schon seit Jahrzehnten fehlt, dass ist das nötige Maß an Baustelle. Verdammtnochmal, die Maschinen machen die Sache doch erst rund.“

Und auf einmal fiel es allen wie Heringssalat von den Augen: Der Bauarbeiter hatte Recht! Genau! Sofort kramte man die alte Ricardo Scheibe aus dem Plattenschrank, mit der seit Jahren nur noch Nägel in Wände gekloppt oder Bierflaschen geöffnet werden. Und was hörte man, als die Nadel bei „Uli, mein Ponyhof“ durch die Rille fuhr? Maschinenklackern, Hammerbässe und, ja, tatsächlich: einen Mussorgsky – Loop. Aus dem Jahre 1874. Zieht sich durch die Scheibe wie die U-Bahn durch den Stadtgarten. Fette Scheibe, keine Frage.

Und auf einmal wussten alle, was sie zu tun hatten. Und angeheitert, wie man bei All The Time immer ist, griff man die Idee des Bauarbeiters auf, der vorschlug: „Macht doch auch ein Crossover mit dem Mussorgsky Stück. Und ihr nennt es dann nicht ‚Bilder einer Ausstellung’, sondern ‚Schilder einer Baustelle’. Versteht ihr? Baustelle!“
Man verstand sofort, initiierte umgehend eine Telefon-Konferenz mit den alten Freunden von Super Flu, dem Konzerthaus und dem Team vom U und schlug gleich vor, die Elektroniker aus Halle nicht nur mit den Dortmunder Philharmonikern im Konzerthaus auf die Bühne zu bringen, sondern auch direkt eine Record Release Party zu feiern. Gedacht, gemacht!
Um dem Bauarbeiter und sowieso allen Bauarbeitern überhaupt einen Gefallen zu tun, findet diese Party in der Spitze des U-Turmes statt, im View und auf der endlich wieder freigegebenen Dachterrasse. Denn von wo sonst hat man die Baustelle und deren Bauarbeiter besser im Blick? Und nicht zuletzt für die findet die ganze Geschichte ja statt.

Die Sturmspitze der All The Time Crew packt sich an diesem Abend alles in die Taschen, was das Bauarbeiter – Herz höher schlagen lässt. Der hauseigene Handwerksmeister Sergej Pribytkov zimmert dubbige Beats aus dem Handgelenk, Niklas Kötting besorgt die neuen Bau-House-Materialien und Bauleiter André Rother stellt die elektronische Hinweisschilder in den Raum, die Super Flu dann wieder abreißen kann. Eben ganz klassischer Techno Spaß.

Musik von: Super Flu, Ordinary Subjekt, Der letzte Takt, André Rother, Sergej Pribytkov& Niklas Kötting.

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15.November 2014, Dortmunder U, 23:00 Uhr

Weitere Informationen: http://all-the-time.tumblr.com/

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Erica
Erica
10 Jahre zuvor

Ich verstehe die Argumentation nicht. „Das U ist doof, da spielt man nicht“? Oder eher „Die betreiben Misswirtschaft, daher soll man sie durch Boykott noch tiefer in die roten Zahlen treiben“?

Michael Reiners
10 Jahre zuvor

Werte Erica, es soll hier keine generelle Kritik am Dortmunder U oder an der Kooperation von den Veranstaltern mit dem U geübt werden, sondern ich wollte lediglich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass das von mir sehr geschätzte Kollektiv der sogenannten freien Szene auf einmal im Dortmunder U, besser gesagt im View-Club eine Veranstaltung durchführt, obwohl gerade die Vertreter der freien Szene eigentlich immer selbst darauf verzichten, sich zum Dienstleister für etablierte Veranstaltungsorte zu machen, oder es ihnen von anderer Seite häufig verwehrt wird, in etablierten Stätten Veranstaltungen durchzuführen, weil die Betreiber dieser Stätten darauf angewiesen sind, einen regelmäßigen Umsatz zu machen und ihr Programm daher (häufig gezwungener Maßen) kommerziell ausrichten. Natürlich soll das U nicht boykotiert werden, denn die Stadt hat es ja nunmal, und dann sollte man es auch nutzen. Und es gibt darin schöne Einrichtungen wie die beiden Museen, die Räume, die von der TU Dortmund genutzt werden usw. Aber vielleicht sollte mal ein Umdenken darüber stattfinden, wie das U denn aktuell genutzt wird. Der Architekt Gerber, der für den Umbau der ehemaligen Brauerei verantwortlich zeichnet, hat in einer Veranstaltung zum Erhalt des alten Ostwall Museums sinngemäß gesagt, dass es ihn schüttelt, dass in der eigentlich als Ausstellungsraum konzipierten Kuppel mit dem wunderbaren Naturlicht nun eine Disko betrieben wird. Und ich finde, diese Beschreibung versinnbildlicht doch ein wenig die Vielschichtigkeit der Diskussion, die um so ein großes Projekt wie das U oder das ganze „Unionsquartier“ ja zwangsläufig entsteht.

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