Das zahlt ihr Arbeitgeber! Das größte Märchen der deutschen Lohnpolitik

Mitteilung über Steigerung des Krankenkassenzusatzbeitrags (Foto: Daniel Bleich)

Nahezu alle gesetzlich versicherten Beitragszahler erhalten dieser Tage eine Mitteilung über gestiegene Krankenkassenbeiträge. Aber: Keine Sorge, die Hälfte zahlt ja der Arbeitgeber.

Kurzfassung: Ihr Arbeitgeber zahlt gar nichts an Lohnnebenkosten. Das kann der Arbeitgeber auch gar nicht. Sie zahlen alles. Wer etwas anderes behauptet, hat entweder kein Wirtschaftsverständnis oder lügt (ausgenommen: einige wenige, exponierte Tätigkeiten wie bei der Polizei, der Feuerwehr oder andere Positionen, deren Tätigkeit man mit Geld ohnehin kaum aufwiegen kann).

Und: Das ist kein Vorwurf, keine Abwertung von Arbeitgebern oder ähnliches. Es ist stumpf Unternehmensrechnung. Wer mündige Bürger will, erzählt diesen insbesondere keine Märchen darüber, wohin ihr Geld fließt.

Die Lohnnebenkosten werden geteilt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Klar, das kennt man. Und die Aussage wird viel zu selten hinterfragt.

Wie genau soll ein Arbeitgeber denn Lohnnebenkosten zahlen? Nehmen wir ein durchschnittliches, mittelständisches, familiengeführtes Unternehmen, die 0815 GmbH. Stand 2024 hat die 0815 GmbH etwa 130 Mitarbeiter, die alle durchschnittlich 52.000 Euro verdienen, den Durchschnittslohn.

Arbeitgeberbrutto-Rechner von Steuertipps.de

Für die Geschäftsführung der 0815 GmbH ist der Arbeitgeberbrutto relevant, das ist die entscheidende Kennzahl in der Unternehmensrechnung. Also, die Gesamtkosten des Mitarbeiters.

Wie wir sehen liegt der „Arbeitgeberanteil“ bei etwa 11.000 Euro. Bei 130 Mitarbeitern sind das 1,43 Millionen Euro im Jahr.

Das zahlt der Arbeitgeber! Also: der Geschäftsführer, ein Geldeselfarmer oder Multimillionär, überweist aus Güte und christlicher Nächstenliebe jedes Jahr 1,43 Millionen Euro, um die Kosten seiner Mitarbeiter zu bezahlen?

Genau: Was für ein Blödsinn.

Bei der Planung von Mitarbeiterstellen wird von Anfang an gerechnet, ob die Stelle im Schnitt wenigstens 63.000 Euro an Umsatz abwirft. Tut sie es nicht, gerät das Unternehmen zwangsläufig in Schieflage. Verkennt der Geschäftsführer der 0815 GmbH diesen Umstand, nennt man das im schlimmsten Fall Insolvenzverschleppung und die ist strafbar.

Was bedeutet das?

Für den Arbeitnehmer reduziert sich der erzielbare Nettolohn bereits von Anfang an. Dieser muss nahezu das Doppelte dessen, was dieser an Nettolohn ausgezahlt bekommt, erwirtschaften.

Eine Erhöhung der Lohnnebenkosten, wie jetzt geschehen, geht zu Lasten der Gesamtkostenrechnung des Unternehmens. Das Unternehmen hat so geringere Gewinne und kann zukünftig bspw. weniger Geld in Lohnsteigerungen investieren.

Mutmaßlich muss das Unternehmen, aufgrund gestiegener Lohnkosten, auch noch die Preise erhöhen, was zu Inflation und somit steigenden Verbraucherpreisen führt.

Bedeutet: jede staatliche Lohnkostensteigerung zahlt der Arbeitnehmer in mehrfacher Form indirekt selbst. Der Effekt ist über die Lohn-Preis-Spirale gut bekannt.

Man kann über Lohnabgaben sprechen.

Aber bitte ehrlich. Ohne: das zahlt jemand anderes in seiner göttlichen Güte für dich.

Die Lohnnebenkostenbelastung des durchschnittlichen Deutschen liegt bei nahezu 50 %.

Alle Lohnkostensteigerungen zahlt der Arbeitnehmer.

Lohnnebenkostensteigerungen heute sind geringere Lohnsteigerungen morgen.

Wer etwas anderes behauptet, möchte Insolvenzverschleppung betreiben.

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Guido
Guido
3 Tage zuvor

Der Artikel ist richtig und falsch zu gleich! Und inhaltlich nicht wirklich neu. Natürlich muss ein Unternehmen inklusive dem AG-Anteil der Sozialversicherung rechnen, das ist simple BWL. (Wer zahlt eigentlich die Lohnsteuer?) Der Artikel suggeriert, dass abhängig Beschäftigte gewissermaßen ein Wahlrecht zwischen höherem Bruttolohn (63k) und der SV (52k) hätten. Was natürlich falsch ist, Kapitalismus (oder Marktwirtschaft wie es in Deutschland verbrämt heißt) ist ja trotz allen Vorteilen keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Faktisch geht es immer zu Lasten des ausgezahlten Lohns.
Was mich immer wieder amüsiert: je nach Argumentation trägt also entweder der Arbeitgeber oder die Arbeitnehmerin sämtliche Sozialabgaben. Die paritätische SV-Selbstverwaltung wird aber nie in Frage gestellt. Ich mein, wenn doch der Arbeitgeber eigentlich alles bezahlt, warum dürfen die Arbeitnehmer dann mitbestimmen? Ist doch nicht ganz fair, oder?

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