Spannende Entwicklungen aktuell im Bereich Profi-Fußball. Vor Monaten hatten wir hier im Blog bereits darüber diskutiert, wie es eigentlich grundsätzlich mit der Übernahme von Kosten für Polizeieinsätze im Bereich des Sports aussieht.
Damals hatte die Polizei in NRW, in Person von NRW-Innenminister Ralf Jäger, in emotionalen Debatten kurzfristig am Ende sogar mal damit gedroht bei Heimspielen des FC Schalke 04 gar keine Dienste im Stadion mehr verrichten zu wollen, da der Verein die Polizei nach den Ausschreitungen rund um ein CL-Qualifikationsspiel mit klaren Worten kritisiert hatte.
In dem damaligen Fall im Herbst 2013 einigte man sich dann schlussendlich doch noch einmal gütlich und der angedrohte Plan der NRW-Polizei wurde so nicht in die Tat umgesetzt. Nun gibt es im Bundesland Bremen eine ganz ähnliche Kontroverse. Auch dort will die Polizei aktuell nicht mehr in der gewohnten Form auf Kosten des Steuerzahlers für den SV Werder Bremen in der Bundesliga arbeiten.
Der DFB soll in diesem Fall nun angeblich auf eine umstrittene Gesetztes-Offensive der Bremer Landesregierung reagiert haben und der Hansestadt als Reaktion auf die Pläne bis auf weiteres die Länderspiele entzogen. Das berichteten so aktuell u.a, die ‚Bild‘ und ‚Sport1‘. (Update 16.15 Uhr: Der DFB hatt den angeblichen Länderspielentzug für Bremen inzwischen gegenüber Stadionwelt.de offenbar dementiert.)
Damit bräuchte der DFB für das anstehende EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar am 14. November einen neuen Austragungsort.
Die Bremer Landesregierung hatte in dieser Woche beschlossen, die Deutsche Fußball Liga (DFL) noch in diesem Jahr an den Kosten für Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen im Weserstadion zu beteiligen.
In einer von der DFL verbreiteten Stellungnahme heißt es nun:
„…“Der Bremer Alleingang ist mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist unabhängig von der Kassenlage der öffentlichen Haushalte allein Aufgabe des Staates, zumal Fußball-Vereine und -Verbände keinesfalls Verursacher oder Veranlasser von Gewalt sind.
Falls Bremen diesen Weg beschreitet, wird der Ligaverband daher in Abstimmung mit dem SV Werder Bremen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagt Liga-Präsident Dr. Reinhard Rauball.
Verfassungsrechtlich ist die gebührenrechtliche Heranziehung eines Einzelnen nur zulässig, wenn er durch eine konkrete öffentliche Leistung einen besonderen Vorteil gegenüber der Allgemeinheit erhält. Dies ist weder beim Ligaverband noch beim SV Werder Bremen der Fall.
Denn der Polizeieinsatz dient der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und damit dem Interesse der Allgemeinheit.
„Das Bremer Anliegen kommt einer Blanko-Vollmacht zur willkürlichen Belastung Einzelner gleich. Augenscheinlich geht es nicht in erster Linie darum, Probleme zu lösen, sondern Haushaltslöcher zu stopfen. Die mit der Innenministerkonferenz vereinbarten und zu großen Teilen bereits umgesetzten Maßnahmen des Fußballs zur Prävention und Einzeltäter-Aufklärung werden völlig ignoriert. Offensichtlich wird ein jahrelanger Rechtsstreit in Kauf genommen, ohne die politischen, sportpolitischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zu erkennen“, erklärt Dr. Rauball:
„Im Übrigen ist es Augenwischerei, wenn angeblich nur Ligaverband und DFL für die Bremer Forderung herangezogen werden sollen und nicht der SV Werder als Sympathie-Träger der Stadt. Tatsache ist, dass 96 Prozent der Medienerlöse der DFL nicht bei Ligaverband oder DFL verbleiben.“
Der organisierte Sport in Deutschland hatte sich zuletzt in einem gemeinsamen Appell von Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB), Deutschem Fußball-Bund (DFB) und Ligaverband gegen das Vorgehen des Bremer Senats gewandt. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere und einige Landesinnenminister haben erst kürzlich ihre Bedenken gegen die Bremer Initiative geäußert. Im Bewusstsein um seine gesellschaftliche Verantwortung hatte der Fußball im Dialog mit der Innenministerkonferenz der Bundesländer (IMK) seine Kooperationsbereitschaft immer wieder unter Beweis gestellt. Unlängst haben DFB und Liga die Ausgaben für die präventive Fan-Arbeit im Einvernehmen mit den Innenministern auf mehr als zehn Millionen Euro jährlich erhöht. Hinzu kommt, dass die Clubs eigenverantwortlich für die Sicherheit in den Stadien sorgen und dafür jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Das gemeinsame Miteinander im Sinne der Sache wurde zudem im Mai dieses Jahres bei einem Treffen von DFB und DFL mit dem IMK-Vorsitzenden Ralf Jäger sowie den Landesinnenministern aus Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, Boris Pistorius und Lorenz Caffier, noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Der Vorwurf, der Sport würde Gewinne privatisieren und Kosten auf die Gemeinschaft umlegen, ist auch wissenschaftlich nicht haltbar. Laut einer Studie des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2013 liegt der Anteil des Sports am Bruttoinlandsprodukt mit 3,7 Prozent ähnlich hoch wie der Wert des gesamten Versicherungsgewerbes. Rund 1,8 Millionen Menschen haben demnach durch sportbezogene Aktivitäten einen Arbeitsplatz. Die sportbezogenen Einnahmen des Staates sind nach Angaben der Studie knapp fünf Milliarden Euro höher als die sportbezogenen Ausgaben der öffentlichen Hand.
Darüber hinaus ist der gesellschaftliche Wert des Fußballs auch als Gemeinschaftserlebnis unbestritten. Dies wurde gerade bei der Weltmeisterschaft mit den Spielern aus der Bundesliga bzw. Profis, die in den Nachwuchsleitungszentren der Clubs ausgebildet wurden, noch einmal eindrucksvoll unterstrichen.“
Das verspricht tatsächlich eine intensive Diskussion in den nächsten Tagen und Wochen. So einleuchtend die Argumentation der Liga für den Sportinteressierten auch erscheinen mag, die Argumente der Kritiker, dass hier der Steuerzahler für die Kosten privatwirtschaftlich tätiger Unternehmen aufkommen muss, zumindest in großen Teilen, ist nicht komplett von der Hand zu weisen. Und auch wenn der Grund der jüngsten Aktivitäten in Bremen tatsächlich der aktuellen Finanzkrise in der dortigen Landeskasse geschuldet sein mag, wird das Argument dadurch nicht weniger überzeugend. Zahlreiche Leute werden einen solchen Sparkurs einer Landesregierung grundsätzlich gerne unterstützen. Und auch wenn DFL-Boss Rauball angekündigt hat in einer juristischen Auseinandersetzung ggf. über alle Instanzen gehen zu wollen, auf den Ausgang kann man gespannt sein. Er könnte schlussendlich, wenn das Beispiel Bremen dann am Ende Schule macht, noch gravierende Änderungen für den gesamten Profisport in Deutschland nach sich ziehen… Denn klamm sind die Landeskassen doch faktisch überall.
Passend zum Thema: http://www.ruhrbarone.de/schalke-boykott-jaegers-sicherheits-experiment/67196
Der Staat will sich überall einmischen. Brüssel regelt alles.
Nur aus der Kernaufgabe „Sicherheit“ zieht er sich immer mehr zurück.
Der Staat muss nicht alles regeln, aber wenn Sicherheit nur noch für reiche Mitbürger/Firmen vorhanden ist, hat die Gemeinschaft verloren.
Dass jetzt insbesondere rot/grüne Regierungen über Sicherheit gegen Bezahlung sprechen, ist nicht nachvollziehbar. Die vielen Abc-Beauftragten/Beauftragtinnen in allen Bereichen sind für die Politik wichtiger. Dafür ist immer Geld da.
Wenn bei den Einsätzen gespart werden soll, sollte man einfach mal die Polizistenzahlen reduzieren. Ich fühle mich beim Fussball durch die Polizei nicht sicherer. Ohne würde ich genauso gerne zum Stadion gehen.
Das Geld werden die sich nur von Werder holen können, wenn sie dem Gericht nachweisen, dass Werder jeweils der Verursacher ist. Das ist nahezu aussichtslos, weil es einfach ein abwegige Vorstellung ist.
Meiner Meinung nach sollten die Vereine für regelmäßige Einsätze in Stadien zahlen. Es ist nämlich nich einzusehen dass diese solange als öffentlich angesehen werden, wenn es darum geht für Ordnung dort zu sorgen aber als nichtöffentlich, wenn es darum geht Fernsehrechte auszuwerten. Alernativ könnten Polzeieinsätze in Stadien auch kostenlos sein, wenn im Gegenzug die Spiele auch insofern öffentlich sind daß alle Fernsehsender kostenlos die Spiele übertragen.
Man könnte Einsätze im stadion auch einfach ganz unterlassen. Die vereine haben die sicher nicht bestellt.
Immer wieder für Spässchen gut, die DFL….
„Mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen“ ist es sehr wohl vereinbar, dass Vereine, die für ihre Spielstätten die Polizei präventiv bestellen, obwohl es für kein Spiel im Voraus eine 100%ige Aussage über eine Einsatznotwendigkeit gibt, die Polizei dafür bezahlen, dass sie das eigentlich den Stadionbetreibern vorbehaltene Hausrecht ausüben *kann*, wenn es notwendig ist. Ich darf mir schließlich auch keine Einsatzhundertschaft für lau „ordern“, nur weil ich ’ne Grillparty mit 100 Gästen in meinem Garten schmeiße, bei der es evt. vielleicht möglicherweise Randale geben könnte.
Also sollte die Polizei dann doch umsetzen, was damals wg. Schalke angedacht wurde – Polizeipräsenz nur im *echten* öffentlichen Raum vor den Stadien und Pflicht für die Stadienbetreiber, ihre Sicherheitsdienste entsprechend der Besucherzahl anzupassen und auszubilden. Fettig.
[…] Dem Profisport droht zukünftig eine stärkere Beteiligung an den Kosten für Polizeieinsätze […]
Zumindest bei Jüdischen Spielern brauch es wohl Polizei:
http://www.focus.de/sport/fussball/spielabbruch-nach-platzsturm-anti-israelische-aktivisten-attackieren-haifa-profis-bei-testspiel-in-oesterreich_id_4012405.html
Aktivisten-was für eine schöne umschreibung um das I. Wort nicht sagen zu müssen…
Die Vereine zahlen auch Steuern. Diese dienen u.a. die Polizisten zu finanzieren… ich denke nicht, dass es rechtlich möglich ist, die Vereine darüberhinaus haftbar zu machen…
dass die Polizisten nur den öffentlichen Raum bewachen, nicht den privaten, klingt sympatisch. Aber praktisch müsste es ja so aussehen, dass sie in selber Stärke vor den Stadien stehen. Das reduziert keine Einsatzkosten.
Man könnte natürlich die Einsatzstärke verringern. Das sollte ziemlich problemlos gelingen. Die Einsatzstärke scheint sich nach dem Worst-Case-Szenario zu richten, nicht dem normal üblichen.
@#9 | TuxDerPinguin: Sorry, aber das reine Steuerzahlen hat noch Niemanden in unserem Staat zum *Abruf* von Exekutive-Dienstleistungen, die nicht auf einer Notsituation beruhen, befähigt und wird es auch nicht. Was würden Sie denn davon halten, wenn Mercedes oder die Teutsche Bank nun Polizeihundertschaften für ihre Hauptversammlungen oder zum Schuldeneintreiben bestellen, die dann an anderen Stellen fehlen??
Wenn allerdings die Vereine wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie die Sicherheit in ihren eigenen Räumen nichts angeht, aber dass dort jedes Wochenende kriminelle Gewalttäter die Regie übernehmen, dann liegt das Problem grundsätzlich woanders.
Und grundsätzlich sind bei Einsätzen außerhalb des Stadiongeländes die Kommunen als „Eigner“ die Ersten, die z.B. über Straßensperrungen, ÖPNV-Bereitstellung oder Fußgängerstrom-Lenkungen zu entscheiden haben.
Ich habe nirgendwo gelesen, dass die Polizei auf Anforderung der Vereine in die Stadien kommt. Im Gegenteil, ich denke viele Vereine wären froh, die übermässige Polizeipräsenz im Stadion zu beenden. Die Stadien sind sicher. Für die Sicherheit sorgt der Ordnungsdienst hinreichend. Wenn die Polizei meint, das reicht nicht, und sich aufdrängt, ist der Verein ja machtlos und muss sogar Pufferblöcke frei machen, in die sich die Polizisten stellen. Nciht selten sind es dann auch die Polizisten, die sich mit den Fans prügeln. Keine Polizei = Keine Prügelei.
@#11 | Donngal: Kommt die Polizei auch einfach so bei Dir vorbei?? Das Stadion selbst ist kein öffentlicher Raum, in dem sich ohne Anlass mal eben eine Einsatzhundertschaft plaziert. Und den Anlass gibt der Hausherr, der Stadionbetreiber, mit einem Ersuchen wg. vermutlicher Sicherheitsprobleme während eines Spieltags vor. Da ist noch nix passiert, was einen Polizeieinsatz rechtfertigen würde.
Also fordert der Stadionbetreiber die Polizei an – allerdings rechtlich sicher nur dann, wenn er selbst über den eigenen Ordnungs-/Sicherheitsdienst ausreichend Vorsorge getroffen hat und trotzdem eine konkrete Gefahrenlage, z.B. bei den klassischen Derbys besteht.
Die Polizei kann ihrerseits auch von selbst *im* Stadion eingreifen, wenn sie den Hausherrn zu bestimmten Handlungen auffordert, aber dieser nicht reagiert. Das ist aber, soweit mir bekannt ist, so noch nicht vorgekommen.
Wie auch immer – noch geben die meisten Gebührenordnungen, z.B. die in NRW, noch keine konkrete Möglichkeite für Polizeieinsatz-Abrechnungen im Stadion her, aber die Gewinnerzielungsabsicht der Vereine bei privaten Massenveranstaltungen dürfte ausreichen, um über Gesetzesänderungen so etwas auch legal umzusetzen.
Soeben wurde gemeldet, dass das zunächst in Bremen geplante Länderspiel gegen Gibraltar seitens des DFB nun offenbar doch nach Nürnberg verlegt wurde….
Normalerweise müsste der Staat den Vereinen eine Entschädigung zahlen, wenn die Polizisten sich in und um die anderen Stadien auch so provozierend Verhalten, wie sie es in Dortmund immer wieder machen. Hier hat es den Anschein, die wollen die Eskalation. Ist aber vielleicht nur ein Dortmund problem, denn auch im Alltag provozieren die gern.
@ 12
Das ist vollkommener Nonsens. Auch wenn sie es gerne so hätten, es gibt die Ordnungsregeln für öff. Veranstaltungen. So gibt es z.B auch immer Brandschutzbeauftragte der Berufsfeuerwehr bei solchen Veranstaltungen, und Stadionbetreiber besitzen auch nur ein eingeschränktes Hausrecht.
Auch wenn der Verstand etwas menschlich Richtiges sagt, ist es nicht Recht.
@#15 | Kai: Soso, Nonsens… Dann wird uns Kai ja auch berichten können, wo und wie das Hausrecht des Betreibers „eingeschränkt“ wird und warum Brandschutzbeauftragte der Berufsfeuerwehr auch für Hochhäuser oder Fabriken zuständig sein können – ach so, da sind ja auch mehr als 20 Menschen drin, also öffentlich…oder wie gezz?
Es gibt beim Fußball einen sog. „Gemeinwohlbelang“, ähnlich der Maxime „Eigentum verpflichtet“, aber der hebelt keine Eigentumsrechte in Richtung Polizei aus.
Bisschen Leselust auf die Rechtsgrundlagen? Bitte: http://www.lentzestopper.eu/downloads/Stopper,_Holzhaeuser,_Knerr,_SpuRt_2013,_49_ff..pdf