„Den von Greenpeace gewählten Stil der persönlichen Diffamierung kennen wir sonst nur aus dem rechtsextremen Lager“

Michael Vassiliadis
Michael Vassiliadis

Der Vorsitzender der Industriegwerkschaft Chemie, Bergbau und Energie, Michael Vassiliadis, hat gestern mit einem offenen Brief auf das „Schwarzbuch Kohlepolitik“ von Greenpeace reagiert, in dem die Umweltschutzorganisation die Verbindungen von Energiwirtschaft und Politik  scharf angriff. Vassiliadis Antwort fällt deutlich aus. Wir dokumentieren seinen offenen Brief an Greenpeace:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Greenpeace Deutschland hat im Internet am 11.4.2013 unter der Überschrift „Der Kohle-Filz“ ein
„Schwarzbuch Kohlepolitik“ mit 45 Portraits von Politikern und auch Gewerkschaftsvertretern
veröffentlicht, um „Verflechtungen von Politik und Kohleindustrie“ aufzuzeigen.

Diese Publikation enthält eine ganze Reihe von persönlichen Vorwürfen, verunglimpfender Unterstellungen und Zerrbildern.

– Im Vorwort wird als Begründung für die Nutzung der Kohle das Wirken von „Seilschaften“ angeführt, das Schwarzbuch untersuche daher, welche der Protagonisten „aus wahltaktischen
Gründen für die Stein- und Braunkohlenindustrie in die Bresche springt und wer von der Industrie für deren eigene Zwecke instrumentalisiert wird.“

– In der Einleitung findet sich dann der Vorwurf, „viele deutsche Politiker nutzen ihre Verbindungen und Posten in Aufsichtsräten und Beratungsgremien, um den Kohlekonzernen hohe Gewinne zu sichern und nicht selten das eigene Einkommen aufzubessern.“
Eine sachlich-inhaltliche Argumentation zur Kohlenutzung findet dagegen überhaupt nicht statt.
Die inhaltliche Qualität einer im Zweifel auch provokanten Positionierung, die Greenpeace in der
Vergangenheit häufig ausgezeichnet hat, wird einer platten Polemisierung geopfert. Greenpeace
begibt sich mit einer solchen Vorgehensweise auf eine Ebene, die für eine politisch rationale
Debatte um die nachhaltige Gestaltung der Energiewende nicht geeignet ist. 2 –
Auf einige Punkte möchte ich besonders hinweisen:

– Niemand findet es anrüchig, wenn z.B. Stadträte als Aufsichtsratsmitglieder in Stadtwerken für
erneuerbare Energie eintreten. Dies ist ihr gutes Recht, die Diskussionen über die Energieträger
sind in den Gremien inhaltlich zu führen.
Das im Schwarzbuch gezeichnete Bild der porträtierten Politiker als Erfüllungsgehilfen der Kohleindustrie spricht diesen dagegen jegliche eigene inhaltliche Begründung und Überzeugung für
ihre energiepolitischen Positionen ab und ist bewusst ehrverletzend.
Greenpeace sollte diese einseitige, interessengeleitete und polemische Politikerschelte aufgeben.

– Nicht gewürdigt wird, dass die porträtierten Gewerkschaftsvertreter aber auch einige der genannten Politiker als gewählte Arbeitnehmervertreter im Rahmen der gesetzlichen Mitbestimmung auf Unternehmensebene diese Mandate wahrnehmen und damit eine besondere demokratische Legitimation haben.
Greenpeace sollte sein Verhältnis zu Demokratie und Mitbestimmung als grundlegendes Partizipationsrecht der Arbeitnehmer in unserer Wirtschaftsordnung klären.

– Völlig unbeachtet bleibt auch, dass die als Arbeitnehmervertreter berufenen Mitglieder in den
Aufsichtsräten entsprechend den Regelungen im DGB die Vergütungen fast vollständig an die
Hans-Böckler-Stiftung und andere gemeinnützige Einrichtungen abführen. Diese werden zur
Forschungsförderung u.a. auch für Fragen der Nachhaltigkeit verwendet. Auch Greenpeace
könnte als Spendenempfänger gemäß den Abführungsrichtlinien in Betracht kommen.
Greenpeace sollte daher von abwegigen und widerlegbaren Bereicherungsvorwürfen absehen.
Dieser Vorwurf ist absurd und dennoch bewusst formuliert.
Ich bin gerne bereit, die Abführung der Aufsichtsratstantiemen der im Schwarzbuch erwähnten
IG BCE Funktionsträger notariell zu bestätigen.

– Politische Vernetzung gehört in der heutigen Zeit zum politischen Geschäft, der Wechsel von  Funktionen zwischen Verbänden, Politik und Unternehmen zu vielen Erwerbsbiographien. Dies im Fall von Politikern, die für die Kohlenutzung als Brückentechnologie auf dem Weg in ein Zeitalter der erneuerbaren Energien eintreten, als Filz zu diskreditieren, ist ein politisch durchschaubares Messen mit zweierlei Maß und völlig unakzeptabel. Ich habe selber in mehreren Gremien  die Energiewende inklusive dem Ausstieg aus der Kernenergie mit gefördert.

Den von Greenpeace gewählten Stil der persönlichen Diffamierung kennen wir sonst nur aus
dem rechtsextremen Lager, dies ist mit den Ansprüchen an demokratisch orientierte Organisationen nicht vereinbar.
Die IG BCE sieht sich in der Verantwortung im Dialog mit den gesellschaftliche Kräften den besten Weg für eine nachhaltige Energieversorgung zu finden, der ökologischen, ökonomischen
und sozialen Kriterien gerecht wird.

Mit dem vorgelegten unwürdigen Schwarzbuch hat Greenpeace sich selbst als ernstzunehmender Partner für einen solchen Dialog disqualifiziert.
Wir werden das auch in den Unternehmen unseres Organisationsbereiches thematisieren.

Mit besten Grüßen

Michael Vassiliadis

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nusskati72
nusskati72
11 Jahre zuvor

Sehr interessant, Herr Laurin. Die Art, in der hier Themen gesetzt werden, verdient Beachtung und Diskussion. Sie veröffentlichen hier die Stellungnahme eines Industriellen, offenbar in kompletter Länge, d.h. Sie geben seiner Meinung sehr viel Raum und Aufmerksamkeit. Welche Schlüsse sollen Ihre Leser nun daraus ziehen ?

Juma
Juma
11 Jahre zuvor

Zitat: „Völlig unbeachtet bleibt auch, dass die als Arbeitnehmervertreter berufenen Mitglieder in den Aufsichtsräten entsprechend den Regelungen im DGB die Vergütungen fast vollständig an die Hans-Böckler-Stiftung und andere gemeinnützige Einrichtungen abführen. Diese werden zur Forschungsförderung u.a. auch für Fragen der Nachhaltigkeit verwendet. Auch Greenpeace könnte als Spendenempfänger gemäß den Abführungsrichtlinien in Betracht kommen. Greenpeace sollte daher von abwegigen und widerlegbaren Bereicherungsvorwürfen absehen.“

Hahaha da will er Greenpeace also auch kaufen? 🙂
Wird ihm nicht gelingen.

Helmut Junge
Helmut Junge
11 Jahre zuvor

Die Ähnlichkeit eines Gewerkschaftlers mit einem Industriellen ist ganz sicher nicht künstlich von Stefan Laurin suggeriert worden. Aber interessant, daß es zu solchen Verwechselungen kommt, ist es allemal.

teekay
teekay
11 Jahre zuvor

‚Den […] gewählten Stil der persönlichen Diffamierung kennen wir sonst nur aus
dem rechtsextremen Lager‘-das kann man ja sicher belegen…ach so, eher nicht? Naja es ging ja auch lediglich darum das Wort ‚rechtsextrem‘ irgendwie zu platzieren damit das prominent erscheint-und das ist ja, siehe Ueberschrift gelungen.
Also wenn die Ruhrbarone fuer diesen Beitrag kein Werbegeld bekommen haben sind sie schoen dumm, denn diese unkritische ‚Dokumentation‘ kann ja nicht als ernsthafter redaktioneller Beitrag verstanden werden.

Erdgeruch
Erdgeruch
11 Jahre zuvor

Ich denke, dass es nach dem Atomausstieg neuer Feindbilder bedarf, um die eigene Existzenz zu überhöhen, die ja vor allem durch aggressives Auftreten geprägt war – zum Teil auch gerade in den 1980ern sehr berechtigt. Die sucht man nun in der Klimapolitik mit diesen historisch tradierten aggressiven Stil.

Es wird daher im Schwarzbuch direkt mit unterstellt, dass man keine Beteiligung am politischen Entscheidungen anstreben sollte, wenn man für gewisse Überzeugungen steht – es soll ja auch Leute geben, die sich tatsächlich auch so für Kohlestrom einsetzen. Es gibt sicher in der Politik auch Lobbyisten, die ja auch von den entsprechenden NGO sehr gut und sauber recherchiert werden – eine Kompetenz, die Greenpeace aber eben nicht hat, was man an der unterirdischen Qualität der Recherche erkennen kann. Denn viele der dort aufgezählten sind es tatsächlich auch mehr Überzeugungstäter als alles andere. Das man sich aber gleich als moralischesten aller Schiedsrichter aufspielt – Kohlestrom böse! – führt dann eben auch zu abstrusen jüngsten Aussagen, wie zum Beispiel, dass der Feinstaub der Kraftwerke unsere Lebenszeitbum 10 Jahre verkürzt.

Was mich aber wirklich stört ist Folgendes: Ich habe Greenpeace immer für ihren globalen Anspruch gemocht. Sie haben sich mit dem französischen Geheimdienst und japanischen Fischern gleichermaßen angelegt. Diese Kampagne konzentriert sich aber fast nur auf Deutschland – nicht Indien und China. Warum? Weil ihnen klar ist, dass wir aus industriellen Gründen diese Kraftwerke gar nicht so schnell abschalten könnten, selbst wenn wir wollten. Es garantiert ein jahrelanges Thema zur Spendengenese.

nusskati72
nusskati72
11 Jahre zuvor

Ja, interessant, die Verwechselung. Ob Industrieller oder Industrie-Gewerkschafter ist in diesem Fall auch einerlei. Ich frage mich, warum ein Medium per Copy & Paste 1:1 diese Pressemitteilung/Stellungnahme veröffentlicht. Das ist einseitige Berichterstattung, mindestens. Es ließe sich auch als Lobbyarbeit werten.

Sören
Sören
11 Jahre zuvor

Die IGBCE gehört wohl zu den konservativsten ecken des DGB. Sie ist vom Manager Klüngel Personell oft gar nicht zu trennen. Daher wundert mich diese Position nicht. Wundern tut mich nut das ihr hier so viel Raum gegeben wird. Ich habe auch meine Kritik an Greenpeace, die man als streng stalinistisch zentralisierte Organisation bezeichnen muß.
Herr Laurin, stossen sie sich nur daran das den Korrupten Machenschafften hier Gesichter konkreter Personen zugeordnet werden weil dies droht eine verkürzte und gefährlich personalisierte Kritik zu werden?
Sicher muß man damit vorsichtig sein, letztlich halte ich es aber für unumgänglich konkrete Akteure auch in die Verantwortung zu nehmen. Im Kern sollte dann eher die Frage stehen ob die Vorwürfe gegen die Personen berechtigt sind. Die IGBCE ist für mich da einfach keine glaubhafte Instanz da sie selbst eher Teil des Filz ist.

schnack
schnack
11 Jahre zuvor

Der gute Mann ist kein einfacher Gewerkschafter wie Stefan Laurin das hier darstellt.
Neben dem Aufsichtsratzvorsitz bei der Steag ist er u.a. auch Vorstandsmitglied der Atlantikbrücke. Insofern stellt er sogar eine Art „Superindustrieller“ dar, die sich eher mit Hans Olaf Henkel als mit Michael Sommer vergleichen lassen müssen.

Hans Meier
Hans Meier
11 Jahre zuvor

Herr Laurin, sie haben mit dieser Veröffentlichung offensichtlich in ein Wespennest gestochen.
Einerseits hat Greenpeace die Maske fallen gelassen, ihre profitable Beteiligung an der regenerativen Energie-Erzeugung als Lobbyverein zu vermarkten und Konkurrenz wegzubeißen. Darin klärt sich ein Lobbyengagement dem BUND, NABU und weiter NGO`s längst beigetreten sind.
Das Sie in diesem Forum von einer Schar von teilweise Naiven und einer organisierten Anhängerschaft destruktiver Wichtigtuer angegriffen werden, die sich zu ihrem Zeilenzubrot als bezahlte Stimmungsmacher Hoffnung auf mehr machen, liegt in der Natur von linken Funktionärsambitionen, die im realen Leben keine erfolgreiche Berufstätigkeit realisieren konnten.
Wichtig und weiterführend ist, das endlich die Arbeitnehmer und ihre Vertreter den Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand erkennen, den die Lobbyistenbande, mit der Zerstörung einer stabilen Stromversorgung und Klima-Schutz-Geld-Erpressung als moderne Mafia vorhat.
Wenn wie hier, schon die arbeitende Bevölkerung und deren demokratisch gewählte Interessen-Vertreter in die Schmutzecke gezogen werden, in der sich diejenigen schon befinden, die mit dem argumentieren, was ihren Zustand und ihre Umgebung darstellt, dann outet sich etwas erbärmlich Destruktives.
Statt den Strom auf einfache und preiswerte Art zu erzeugen, damit die Produktionskosten nicht explodieren, die Arbeitsplätze und der Wohlstand verloren gehen, propagieren Chaoten das Gegenteil, wie im Drogenrausch an dem sie die dealend die schnelle Rendite zu machen versuchen, sche.ßegal aber Hauptsache ohne Moral und angeblich revolutionär aber leider nur Sche.ße blöd.

Erdgeruch
Erdgeruch
11 Jahre zuvor

@Juma

Ich finde das im Vergleich zu früher eben wenig, ich habe mir das schon vor dem Kommentarverfassen angesehen.

@Hans Meier

Das Greenpeace an regenerativen Energien beteiligt wäre, wäre mir neu.

Erdgeruch
Erdgeruch
11 Jahre zuvor

@Stefan

Wow, danke, das ist wirklich bedenklich. Das sollte man als NGO niemals machen, weil es eben das eigene Anliegen sofort untergräbt.

Hans Meier
Hans Meier
11 Jahre zuvor

Wahrscheinlich lassen sich sektiererische Gläubige nicht durch Fakten „irritieren“ das hat quasi-religiöse Inbrunst so ansich, hier ist allerdings kein Studienabbrecher und Quacksalberer der Angstfraktion zu bestaunen:

https://www.kerngedanken.de/2013/03/die-welt-nach-fukushima-teil-1-gefaehrliche-orte/#more-2340

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

@#17 | Hans Meier: „Ich … arbeite in der Kerntechnik“. Aha, danke für soviel „Expertise“. Kommen noch die üblichen Verschwörungsseiten oder war’s das schon?

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Bin neugierig geworden;also Schwarzbuch besorgen und lesen.
Dann kann ich evtl.mitreden, vorher ganz sicher nciht.

Juma
Juma
11 Jahre zuvor

Greenpeace Energy ist eine eingetragenen Genossenschaft und gehört somit ausschließlich den Mitgliedern und nicht dem Verein Greenpeace e.V.

Torsten
Torsten
11 Jahre zuvor

„Niemand findet es anrüchig, wenn z.B. Stadträte als Aufsichtsratsmitglieder in Stadtwerken für erneuerbare Energie eintreten.“

Stadtwerke gehören den Bürgern. Kleiner, aber feiner Unterschied.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Das „Miteinander“ von Wirtschaft,Politik,Gewerkschaften -und den Medien!!-ist weder neu noch a priori „Böse“.
Grenzüberschreitungen zwischen einerseits diesem selbstverständlichen Miteinander und anderseits einer intransparenten Kungelei -getragen und geprägt von „sich findenden Interessen“, auch persönlich finanzieller Natur- sind systemimmanent. Ob die jeweilige Grenzüberschreitung juristisch relevant oder nur der „politischen Kultur“ widerspricht, ist eine im Einzelfall -nicht immer eindeutig- zu beantwortenden Frage.
Wenn das „Schwarzbuch-Kohle“ nun solche personellen Verpflechtungen zwischen der Wirtschaft -hier der Kohle/der Kohle-energiewirtschaft- und den Parteien/Gewerkschaften publik macht, ist das nichts anderes als ein Beitrag zu unbedingt notwendiger Transparenz;nicht mehr und nicht weniger.

Was daraus zu folgern ist, bleibt jedem Leser dieses Schwarzbuches überlassen.

Im übrigen:
Ich habe im Schwarzbuch nicht einen Namen gefunden, den ich dort nicht erwartet habe.

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