Nun also ist es raus: Finanzminister Olaf Scholz wird der Kanzlerkandidat der SPD für die nächste Bundestagwahl. Dies wurde auf einer Pressekonferenz in Berlin soeben auch offiziell mitgeteilt.
Mir persönlich gefällt die Wahl der Parteispitze. Ich hätte Scholz schon gerne bei der jüngsten Suche nach (einem) neuen Parteivorsitzenden am Ende siegreich gesehen. Aber das wollte die Mehrheit der Parteimitglieder ja bekanntlich damals noch nicht.
Nun, nur relativ kurze Zeit später, vollzieht die SPD mit der Entscheidung pro Scholz also eine weitere Wendung, weil sie feststellen musste, dass die beiden Parteivorsitzenden das Ruder nicht haben herumreißen können. Ihnen fehlt es schlicht an Charisma. Seit vielen Monaten dümpelt die Partei in Umfragen bei 15 Prozent. Scholz hingegen machte seinen Job in Pandemie-Zeiten unbestritten ordentlich, präsentierte sich entschlossen, ruhig, führungsstark. Zumindest für SPD-Verhältnisse des Jahres 2020. 😉
Kein Wunder also, dass man sich bei der SPD für die kommende Bundestagwahl nun plötzlich doch Scholz zuwendet, der im Haufen der gesichtslosen Parteivorderen zumindest noch halbwegs über Charisma und Ausstrahlung verfügt. Jetzt rächt es sich, dass man ihn bei der Wahl zur Parteispitze noch unnötig beschädigt hatte, indem man ihm eine Überraschungsniederlage zufügte.
Das Problem von Scholz wird auf dem langen, steinigen Weg zum Kanzleramt allerdings sein, dass auch er keine politischen Wunder vollbringen kann. Eine Partei, der nur noch rund 10 Prozent der Deutschen aktiv ihre Stimme geben würden, wenn heute Wahlsonntag wäre (und man die rund 30 Prozent Nichtwähler einmal dabei mit einberechnet), hat ohnehin keinen echten Anspruch auf die Besetzung des Kanzleramts.
Da Scholz nicht dumm ist, wird ihm natürlich auch klar sein, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nicht der nächste Bundeskanzler dieses Landes werden wird. Das dürfte, wenn keine Wunder passieren, der kommende Kandidat der Union werden, die umfragetechnisch aktuell in ganz anderen Sphären unterwegs ist als die SPD, und auch deutlich vor den Grünen liegt.
Stellt sich also die Frage, warum Scholz sich das überhaupt Antut? Verblendung? Pflichtgefühl? Taktische Gründe? Man weiß es nicht.
Und selbst wenn es für Rot-Grün, oder Rot-Rot-Grün überraschend zu einer Mehrheit reichen sollte, wäre Scholz mit seiner Partei nach aktuellem Stand wohl dabei nur der Juniorpartner in einer neu ausgerichteten Bundesregierung. Und das ist er auch aktuell schon. Viel zu gewinnen hat er, hat auch die SPD nicht, wie es scheint.
Selbst wenn Scholz es bewerkstelligen sollte die Partei aus dem ausgedehnten Umfragetief zu führen, bis zu einer ‚Volkspartei‘ ist es inzwischen ein so weiter Weg, dass die Vorstellung, dass er die SPD zu diesen Zuständen früherer Tage zurückführen könnte, illusorisch erscheint.
Wie man es also auch dreht und wendet, die SPD hat sich durch ihre Politik der vergangenen Jahre, in der sie Ausrichtung und Strategie aus der Sicht von Millionen von Wählern immer mehr verloren hat, zudem parallel dazu personell extrem ausgeblutet ist, in eine schier ausweglose Situation hineinmanövriert.
Scholz ist sicherlich die richtige und völlig logische Wahl aus Sicht der Partei. Aber hatten die Sozialdemokraten überhaupt noch eine andere, wenn sie sich nicht bereits jetzt schon der völligen Lächerlichkeit hätte preisgeben wollen?
Die nächste GROKO steht doch eigentlich schon fest: CDU/CSU und Grüne.
[…] sympathischen Ruhrbarone hat Martin Sonneborn heuer trotz aller Umstände Zeit gefunden um über Olaf Scholz zu sprechen. Das erste Interview mit uns nach dem großen Sommerinterview im Juni […]
Ich dachte, daß eine Kandidatur zum Bundestag erst einmal ein paar Hürden für jeden Kandidaten aufweist. Die hat der Olaf noch nicht genommen.
Kann sogar sein, daß er von seiner Parteibasis gar nicht aufgestellt wird.
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/drei-interne-konkurrenten-fur-olaf-scholz-im-wahlkreis-potsdam-li.87366
Warum sich Scholz das antut? Aus Traditionsbewusstsein!
Warum ihn nun die SPD zum Kanzlerkandidaten gemacht hat? Selbsterhaltungstrieb!
Mit der Wahl von Esken und Borjahns haben sich die Delegierten noch einmal selbstverwirklicht, aber die Wahlen kommen näher und nach dem feel-good-Programm geht es nun um Brot und Butter. Die Schröder-Stricher und Nutten nehmen die zahlende Kundschaft, die in ihren Augen rückständige, spießige Wählerschaft in den Blick. Dafür ist Scholz ihnen gut genug.
Außerdem ist den Freunden "alternativer Lebensstile", was auch schon mal OK einschließt (Essen und Berlin), mehr als bewußt, daß Unangepasstheit den selektiven Druck erhöht, die verfolgte politische Linie also das Zeug zum politischen Darwin-Award hat.
Es ist zum heulen.
Genosse Olaf ist gar nicht so schlecht. Aber eine Sache nehme ich ihm übel: Olaf ist für Wirtschaft zuständig, doch auf die Frage, wie er sein Geld anlege, kam sinngemäß die Antwort: Gar nicht, lasse ich auf dem Konto liegen. – Das darf einfach nicht wahr sein. Wir brauchen eine aktive Beteiligung der Bevölkerung am Produktivkapital, wir brauchen Aktionäre ! Steuerbegünstigte Altersvorsorge auf Basis von Aktien und Sachwerten ! Stattdessen wird dieser Ansatz, der sich in fortschrittlichen Ländern enorm bewährt hat, schlechtgeredet. Hier hat Olaf definitiv Nachholbedarf und muss sich endlich zukunftsfähig orientieren. Schade, dass Gerd Schröder 2005 abgesägt wurde und die Frau kam, die von seinen Reformen unverdientermaßen bis heute profitiert. Ich bin sicher: mit einem Profi wie Schröder wäre die Beteiligung der Menschen am Produktivkapital nicht so sträflich vernachlässigt bzw. diskreditiert worden. Überhaupt würde ich mir eine wahre, echte SPD im Geiste Schröderscher Reformfreudigkeit wünschen (Wiedergeburt). Olaf hätte hier schon das Potenzial, aber er muss sich trauen und auch mal Irrtümer redivieren.
Weiss eigentlich irgendjemand wofür die SPD überhaupt steht?
Ihre Politik inkl. Scholz lässt jedenfalls außer Opportunität keinerlei sinnvolles oder konsequentes Programm erkennen.
Bei der SPD passieren Dinge, die dieser Schreiber logisch nicht mehr zusammenkriegt:
Auf der einen Seiten das Vorsitzenden-Duo welches sich die SPD bei einer möglichen Regierung gestern noch in der zweiten Reihe vorstellen konnte, heute aber einen SPD-Kanzler an erster Stelle für denkbar hält.
Auf der anderen Seite der ausgerufene Kandidat, der in großen Teilen der SPD-Anhängerschaft einen Beliebsheitswert zwischen 0 und Fußpilz hat und seit Jahren für eine untergangene Politikschule der SPD steht, die Teile der Partei mit dem Ursprung alles Bösen gleichsetzen. Weiterhin ist er die Reizfigur in Sachen H4 und die Geschehnisse rund um G20 haben ihm die Parteilinken auch noch nicht vergessen.
Wo da der durchschlagene Erfolg an der Urne her kommen soll, ich bin gespannt …
Wäre er in der CDU aktiv, hätte er gute Chancen der nächste Bundeskanzler zu werden, aber so?
Wer als Sozialdemokrat länger als 1 Jahr vor einer Wahl zum "Kanzlerkandidaten" gekürt wurde, ist m.W. immer vorher gescheitert. Das gibt mir die Sicherheit, anzunehmen, daß seine Nominierung jetzt, wo Söder ab März erst nachdenken will, eine Form von politischem Wegräumen sein wird. Es sind nicht Freunde von Scholz, die sich das ausgedacht haben.
Mhhh habe ich etwas übersehen oder wird hier nirgendwo auf die Kritik an Herrn Scholz eingegangen?