Angst zu schüren macht Spaß und offensichtlich bringt sie auch Geld – zumindest in Film und Fernsehen. Eine Geschichte der Atomangst in den Medien. Von unserem Gastautor Karsten Kastelan.
Angst vor Technologie, also den neuesten Errungenschaften der Wissenschaft, ist nicht neu – und spätestens seit Mary Shelleys Roman „Frankenstein – oder Der neue Prometheus“ von 1818 im literarischen Mainstream angekommen. Aber es gab sie auch vorher schon, schließlich endete die Idee des Ikarus, der Sonne entgegenzufliegen, auch mit einer Bruchlandung. Und es wird sicherlich den einen oder anderen Höhlenmenschen gegeben haben, der (wahrscheinlich mit Grunzlauten) vor dem Feuer gewarnt hat, weil man sich an ihm ja, leicht belegbar, verbrennen kann.
Dieselbe Grundangst ist auch heutzutage noch vorhanden: ob Impfungen, 5G Telefonie, künstliche Intelligenz: was Fortschritt verspricht wird immer wieder Gegner finden, die vor den unerwünschten Folgen warnen. Manchmal auch durchaus zu Recht.
Die Atomangst – also die Angst vor der massiven Energiefreisetzung durch die Spaltung besagter Kerne – hat aber einen besonderen Platz in unserer populären Kultur eingenommen, den wir jetzt gerade sehr eindringlich zu spüren bekommen. Denn obwohl ein Großteil der deutschen Bundesbürger eine Verlängerung der Nutzung von Atomkraft befürwortet, ist der Widerstand in der Politik zwar bröckelnd, aber noch ungebrochen.
Einer der Gründe dafür ist die Wolke. Nein, nicht der enttäuschende Film von 2006 oder das zugrundeliegende Buch aus den 80ern, sondern der böse Atompilz, den wir aus Filmen kennen.
Als 1983 der Fernsehfilm „The Day After“ in die deutschen Kinos kam, wurden wir mit einer Schreckensvision des nuklearen Holocaust konfrontiert. Das Medienecho war ohrenbetäubend und positiv. Mitten im kalten Krieg mussten wir uns ansehen (oder ohne Kinobesuch zumindest anhören), welche Auswirkungen ein nuklearer Kahlschlag haben würde. Nicht zu Unrecht, aber es war ein kultureller Wendepunkt für uns alle. Nagasaki und Hiroshima waren zwar geographisch und zeitlich weit weg, aber wir waren schon lange auf den tödlichen Orgasmus der totalen nuklearen Zerstörung vorbereitet. Das durchaus penisartige Bild des Atompilzes, das wir heutzutage in unseren Köpfen haben, dürfte vornehmlich aus diesem Film stammen – genauso wie die weniger realistische Abbildung von einem Himmel voller Atomraketen.
Realismus war in den frühen Jahren der künstlerischen Behandlung der Atomkraft noch nicht gefragt, sondern eher Humor und Phantasie. „Godzilla“ war ein Kind der atomaren Gefahr, wenn auch fleischgeworden; „Dr. Strangelove – oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ eine brillante Satire. Später kam der Trash, von „Atomic Hero“ bis zur „Atomic Blonde“ – aber zuvor einige sehr ernsthafte Filme, die sich mit atomarer Gefahr auseinandersetzten.
Allen voran war James Bridges‘ „Das China-Syndrom“ von 1979, der unwissend einen realen Nuklearreaktoranfall beschrieb, der 12 Tage nach seiner Premiere in der Realität nachgespielt wurde – garantiert ohne Wissen der Produzenten, die aber dennoch mit einem damals sensationellen Einspielergebnis von über 50 Millionen Dollar belohnt wurden.
Der Film beschreibt packend und realistisch, wie Sicherheitswarnungen in einem hierarchisch organisierten Betrieb ignoriert werden (ein Thema, auf das wir noch zurückkommen werden) und fast zu einem Supergau führen.
Der nächste wichtige Film zu Reaktorunfällen war Mike Nichols‘ „Silkwood“ von 1983, der diesmal auf einer wahren Geschichte beruhte, die sich also schon ereignet hatte. Karen Silkwood, eine Laborantin in einem Aufbereitungswerk für Plutonium, wird nuklear verstrahlt – und kämpft nun dafür, dass die Gefahren ihres Berufs publik gemacht werden. Wer den Film gesehen hat, wird sich an eine sehr eindringliche Szene erinnern – eine „Zwangsdusche“ zur „Entkontaminierung“. Oft kopiert, nie erreicht.
Dies sind zwei großartige Filme, die auf die Gefahren des Umgangs mit der Kernspaltung aufmerksam machen. Aber ihre Bilder wirken mehr, als das, was sie transportieren. Systemisches Fehlversagen und einen traurigen Einzelfall.
Zahlreiche Epigonen folgten – und das transportierte Bild war immer dasselbe: eine unsichtbare Gefahr, aber die Sichtbarkeit der resultierenden Krankheit. Man war „verstrahlt“ – aber nicht im Sinne der Pattex-Kinder und einiger Abgeordneten des Bundestages, sondern auf dem Weg ins Jenseits, mit ständig tickender Uhr.
Und es gibt sie. 2019 wurde „Chernobyl“ in einer verdient preisgekrönten Serie aufbereitet, die – und hier kommen wir an den bereits erwähnten Punkt – sehr gekonnt aufschlüsselt, wie es so weit kommen konnte. Die Antwort: sowjetische Funktionäre mussten Ziele erfüllen, die nicht erfüllbar waren. Kritische Stimmen dürfte es nicht geben – das Parteibuch entschied. Und so kam es dann auch zu der schwersten nuklearen Katastrophe in der Weltgeschichte. Kritisiert wurde die HBO-Serie übrigens nur aus Moskau (angeblich war der CIA schuld) und von einer angeblichen Drehbuchautorin, die sich aufregte, weil kein Afrikaner im Film zu sehen war.
Zu dem Kernkraftunglück in Fukushima gibt es bislang eher wehleidige Filme von außen, aber auch das mag einen Grund haben. Es gab bislang nur einen Toten, der nachweislich durch die Strahlung starb. Und gut ein Dutzend bei den Aufräumarbeiten. Gemessen an den Toten durch das Erdbeben und die dadurch entstandene Flutwelle, kann man die Tatsache, dass da ein Reaktor stand, nicht wirklich verantwortlich machen. Insbesondere, weil dieser (und hier kommen wir wieder auf die Herarchie, die keinen Widerspruch annimmt) seine Notstromaggregate auf der Meeresseite hatte. Ein unweit stehender Reaktor wurde nicht beschädigt; Notstrom kam von der Landesseite.
Dennoch entschied sich Angela Merkel, eine klare Proponentin der Atomkraft, sich lieber an die Spitze einer Bewegung zu setzen, die sie nicht bekämpfen konnte. Die Bilder, die Film und Fernsehen in unseren Köpfen hinterlassen haben, halfen ihr hier genauso, wie die (selten aufgenommenen, aber viel ausgestrahlten) Bilder von Frauen und Kindern aus der später folgenden Flüchtlingskrise.
So ist sie halt, die Macht der Bilder – und der von ihr erzeugten Emotionen.
Und aufbauend auf Grundängsten, die uns die Kultur bislang nur als Selbstzweck präsentierte. Die Angst vor dem Mann mit dem Messer motiviert uns. Und die Angst vor dem Atompilz auch.
Wenn dies aber politisch ausgenutzt wird, um eine Wählerschaft in die Richtung irrationaler Meinungen (gerade jetzt Atomausstieg) zu manipulieren, wird es gefährlich.
Mehr noch als die Reaktion auf die Klimaentwicklung ist für die Grünen doch das Antiatom-Dogma doch das Lebenselixier.
Merkel entschied sich gegen die Atomkraft, weil diese Technologie aufgrund ihres grau-Risikos nicht verantwortbar ist. Das ist richtig. Falsch war, Gas und Öl als Brückentechnologien nicht ebenfalls zu befristen, und die Energiewende zu terminieren. Atomkraft ist ein Holzweg, zumal in den Kriegszeiten, die in diesem Jahr angebrochen sind
Und das ÖR-Fernsehen hilft noch immer bei der Angstmacherei vor Atomkraft. Das ZDF hat in der heute-Sendung vom 1.8.2022 ein Bild von einem Kernkratwerk gezeigt, über desssen Kühltürmen dunklel schwarzer Rauch aufsteigt. Zur Erinnerung: über Kühltürmen steigt weißer Wasserdampf auf! Dass von einem „Qualitätsmedium“ derart manipuliert wird, regt heute kaum noch jemanden auf:
https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/zdf-manipuliert-bild-von-akw/