
Das Ruhrgebiet hat im Rahmen seines jahrzehntelangen Strukturwandels enorme Herausforderungen im Bereich der sozialen Transformation bewältigt. Anders als in anderen europäischen Städten oder Regionen mit vergleichbarer Entwicklung gibt es im Ruhrgebiet jedoch keine No-Go-Areas oder Armenviertel. Aktuell verschärft sich allerdings die Situation in einigen Stadtteilen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die EU-Binnenwanderung in Form von Zuwanderung aus Südosteuropa dar. Unser Gastautor Garrelt Duin (SPD) ist Regionaldirektor des Regionalverbands Ruhr.
Das Phänomen „Armutszuwanderung“ betrifft nicht die ganze Region. Aber da, wo es virulent ist – zum Beispiel in Teilen von Duisburg und Gelsenkirchen – ist es ein großes Thema. Ich sehe mit Sorge, genauso wie die Verantwortlichen in den betroffenen Städten, dass der soziale Frieden in manchen Stadtteilen gefährdet ist. Bund und EU dürfen hier nicht länger wegschauen. Wir im Ruhrgebiet sind jederzeit bereit, an passgenauen Lösungen mitzuarbeiten.
Diese spezifischen Problemlagen finden ihren Ausdruck in hohen (Kinder-) Armutsquoten, einer hohen Zahl an von Bildung nicht erreichter Haushalte und einer anhaltend hohen Langzeitarbeitslosigkeit. Es bedarf deshalb einer Investitionsoffensive in Bildung und Qualifikation sowie in Maßnahmen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, um das öffentliche Leben zu stärken und Radikalisierungstendenzen entgegenzuwirken.
Das gemeinsame Ziel aller Beteiligten muss sein, kriminelle Machenschaften und Missbrauch von Sozialsystemen zu verhindern. Es geht auch darum die Grundlagen zu verbessen, und die Ordnung und Sauberkeit in den betroffenen Vierteln wiederherzustellen.
EU-Binnenwanderung in Form von Zuwanderung aus Südosteuropa ist ein dauerhaftes Phänomen mit besonders starken Auswirkungen im Ruhrgebiet. Die Herausforderungen sind mit negativen Folgen verbunden, die durch die Kommunen allein nicht mehr zu bewältigen sind. Es bedarf grundlegender Veränderungen sowie zusätzlicher Steuerungs- und Integrationsmaßnahmen.
Grundlegend geht es um Anpassungen der EU-Bedingungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in Verbindung mit Gesetzesänderungen auf Bundesebene mit dem Ziel, kriminelle Machenschaften und systematische Missbräuche durch veränderte Zugänge zu den Sozialsystemen zu verhindern. Wir brauchen, um die Situation zu verändern, die Anpassungen bei der Arbeitnehmer-Freizügigkeit in Europa mit entsprechenden Gesetzesänderungen auf Bundesebene. Darum hat sich die bisherige Bundesregierung nicht gekümmert, obwohl sie es könnte. Brüssel betrachtet dies als nationale Angelegenheit.
Ich möchte daher, dass der Begriff Arbeitnehmer-Freizügigkeit geschärft wird, mit der Betonung auf Arbeitnehmer. Damit ist nämlich nicht Sozialleistungs-Freiheit gemeint. Wer diese Freizügigkeit möchte, sollte nachweisen müssen, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgeht.
Für die Planung und Umsetzung von Gegenmaßnahmen ist ein kontinuierlicher Austausch zu den Entwicklungen der Armutszuwanderung auf EU-, Bundes- und Landesebene erforderlich, z.B. durch die Einrichtung von Staatssekretärsausschüssen oder Bund-Länder-Kommissionen.
Integration ist unerlässlich, insbesondere in einer Region wie dem Ruhrgebiet mit seiner langjährigen Einwanderungsgeschichte. Integration erfordert vor allem ein hohes Engagement und hohe Investitionen in die soziale Infrastruktur durch die Kommunen.
Deshalb geht es auch um konkrete und schnelle Maßnahmen vor Ort. Dazu gehört etwa Wohnraumsteuerung in Problemlagen durch geeignete Förderprogramme sowie die langfristige und verlässliche finanzielle Unterstützung durch regionalspezifische Förderansätze.
Die neue Bundesregierung muss die Städte im Ruhrgebiet insbesondere finanziell wie organisatorisch besser bei allen Integrationsaufgaben unterstützen. Sie muss irreguläre Migration begrenzen, europäische Abkommen wie Dublin III wieder wirksam machen, Rückführungs- und Migrationsabkommen mit Herkunftsländern vorantreiben und Schleuserkriminalität bekämpfen.
Gleichzeitig gilt: Deutschland braucht Zuwanderung von Fachkräften – auch das Ruhrgebiet ist dringend darauf angewiesen. Für die künftige Bundesregierung heißt das: Sie muss die Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt vereinfachen und beschleunigen.
In dieser Situation braucht das Ruhrgebiet Mittel für präventive Handlungsansätze, um die gesellschaftliche Teilhabe von allen benachteiligten und armutsgefährdeten Personengruppen sicherzustellen. Besonders wichtig sind präventive Ansätze im Bereich der Kinder- und Jugendförderung. Von großer Bedeutung ist aber auch die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Frauen.
Um den sozialen Zusammenhalt in unserer Region zu stärken, erwarten wir von der Bundesregierung die Entwicklung entsprechender Programme und die Unterstützung ebensolcher Forderungen an die EU mit passgenauen Förderzugänge für die Problemlagen in den Städten.