In der Champions League hat Bologna 88 Sekunden gebraucht um den BVB mit einer Niederlage nach Hause zu schicken. Diese vierte Niederlage hat Trainer Nuri Sahin seinen Job gekostet. Thommy Junga und Peter Hesse reden über den Dortmunder Status Quo – und dazu über die Union Berlin–VfL Bochum-Feuerzeug-Klage, die Winter-Transfers und den Abgang von Omar Marmoush bei Eintracht Frankfurt.
Thommy Junga: Paukenschlag in der beschaulichen Emilia-Romana. Noch in der Nacht nach dem Champions League-Spiel des BVB in Bologna wurde Nuri Sahin der Trainerstuhl vor die Hoteltür gestellt. Nach vier mehr als unglück-seeligen Auftritten kam das „Basta!“ für den verdienten Ex-Spieler, der bereits mit 16 Lenzen für Dortmund in der Bundesliga debütierte und genau wie sein Vorgänger Terzic damit einen starken Vereinsbezug vorlebte. Nun blicken alle Schwarz-Gelben mit bangen Blicken auf die vielen Köche, die da nun am BVB-Herd stehen und die Bolognese auslöffeln werden müssen. Ricken, Sammer, Kehl und noch einige weitere Endscheider – man verliert da leicht den Überblick – müssen jetzt angesichts der bisherigen Hausmannskost ein glücklicheres Händchen beweisen, oder?
Peter Hesse: Als Thomas Tuchel bei Borussia Dortmund rausflog, wurde als Nachfolger Peter Bosz in der Saison 2017/18 installiert. Er erhielt damals einen Zweijahresvertrag, soweit so gut. Unter Bosz stand der BVB nach sieben Spieltagen mit 19 von 21 möglichen Punkten fünf Punkte vor dem FC Bayern München an der Tabellenspitze. Sann ein plötzlicher Turn-Around: in den folgenden acht Spielen holte die Mannschaft nur noch drei Punkte und rutschte auf den achten Tabellenplatz ab. Dazu schied sie aus der Champions League mit zwei gewonnenen Punkten hinter Tottenham Hotspur und Real Madrid und vor APOEL Nikosia aus. Nach insgesamt neun Pflichtspielen in Folge ohne Sieg, darunter ein 4:4-Unentschieden im Revierderby gegen den FC Schalke 04 nach einer 4:0-Führung, wurde Bosz am 10. Dezember 2017 durch den eine Woche zuvor beim 1. FC Köln freigestellten Peter Stöger ersetzt. Dieses Spielchen haben wir seitdem immer wieder erlebt – und seitdem wurden noch fünf weitere Trainer verschlissen. Als Matthias Sammer nach dem Spiel gegen Bologna sagte, dass Grundlagen im Team nicht da sind. Sammer im O-Ton: „Leider kann die Mannschaft auch nicht verteidigen – und angreifen kann sie auch nicht. Du kriegst ein Bild von dieser Mannschaft, wo du sagst, sind die zusammen, oder sind die nicht zusammen. Wir sind auch nicht an einer Über-Mannschaft gescheitert heute.“ Ich habe Ende November das Spiel gegen Bayern (1:1) gesehen, da stimmte die Einstellung und das Mannschaftsgefüge – und ein neuer Trainer muss hier ansetzen. Das Team braucht eine klare Struktur mit einer klaren Aufgabenverteilung – und vor allem einen Kapitän, der das Team anführt. Can und Brandt sind das nicht, ich würde an dieser Stelle eher Sabitzer oder Kobel sehen. Ich wünsche U-19-Trainer Mike Tullberg viel Glück am Samstag gegen Werder Bremen.
Thommy Junga: In Bälde steht die Revisionsentscheidung zum nicht abgebrochenen – aber abbruchreifen – Spiel zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum an. Union hatte zunächst in erster Instanz mit seiner Einschätzung juristisch Federn gelassen, um dann mit dem Versuch einer verbalen Schlammschlacht für Aufsehen gesorgt. Nun springen den gerupften Berlinern wohl die Abstiegskonkurrenten Holstein Kiel und der FC St.Pauli gerüchteweise als Nebenkläger zur Seite. Wird das der Game-Changer für die Köpenicker im Feuerzeug-Skandal?
Peter Hesse: Die Unioner werfen dem DFB vor, sie haben mit dem Urteil gegen seine eigene Rechtsordnung verstoßen. Das Spiel am 14. Dezember nach dem Feuerzeugwurf gegen Torwart Patrick Drewes vom VfL Bochum fortzusetzen, habe im persönlichen Ermessen von Schiedsrichter Martin Petersen gelegen, sagte Union-Präsident Dirk Zingler. Das Sportgericht des DFB sah dies anders und wertete die Partie (1:1) nach der mündlichen Verhandlung mit 0:2 gegen Union. Nach dem Einspruch und der dazu gehörenden Begründung entscheidet das Bundesgericht nun, ob es eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren oder eine mündliche Verhandlung gibt. Es gibt ein schönes Sprichwort, das heißt: „Vor Gericht braucht man drei Säcke: einen mit Papier, einen mit Geld und einen mit Geduld.“ Ich glaube nicht, dass der DFB sein Urteil nochmal ändern wird, das würde ihn in zukünftigen Fällen noch angreifbarer machen.
Thommy Junga: Für mich gehören die Transferphasen zu den spannendsten und skurilsten Wochen im Fußball. Jeder steht eine echte Revolution bevor: im Stile der jüngsten Änderungen im englischen Fußball sollen alle Transferaktivitäten vor dem ersten Spieltag enden – also keine Verpflichtungen mehr, obwohl die ersten Spiele schon gelaufen sind. Sinnvoll oder einfach nur eine weitere Marktverkürzung unter denen kleinere Klubs leiden werden?
Peter Hesse: Die europäischen Top-Ligen wollen offenbar im kommenden Sommer die Fußball-Transferperiode vor dem ersten Spieltag enden lassen. Die Deutsche Fußball Liga sei mit ihren Clubs diesbezüglich im Austausch, sagte Ansgar Schwenken als DFL-Direktor Spielbetrieb gegenüber Pressevertretern. Die englische Premier League hatte bereits 2018 die Wechselfrist Mitte August enden lassen. Da aber andere Ligen nicht mitzogen, kehrte man wieder zum ursprünglichen Modell mit dem sogenannten Deadline Day Ende August zurück. Mit der neuen Regelung solle man (Achtung: es wird spooky!) „die Integrität und Glaubwürdigkeit des Wettbewerbs“ erhöht werden. Das könnte auch ein Auszug aus einer Rede von Donald Trump sein….
Thommy Junga: Mitten im Bundesliga-Höhenflug verlässt ein Adler die Frankfurter. Torgarant Omar Marmoush wechselt für eine weitere Fabelsumme aus der Mainmetropole Richtung Manchester City und ist jetzt die neueste Attraktion im Scheichzirkus. Was überwiegt bei Dir? Die Anerkennung für die gute Scoutingabteilung der SGE oder das Gefühl, die Bundesliga findet aus dem Image Talentschuppen für die großen Zehn nicht heraus.
Peter Hesse: Vor 30 Jahren war der Karlsruher SC die Talentschmiede für den FC Bayern, heute ist die Bundesliga das Ausbildungszentrum für die Premier League. Marmoush hat einen hoch dotierten Viereinhalbjahresvertrag unterschrieben, der ihn bis zum 30. Juni 2029 an Manchester City bindet. Marmoush, der sein Heimatland Ägypten im Zuge des Wechsels von Wadi Degla SC Kairo zum VfL Wolfsburg im Sommer 2017 verlassen hatte, verabschiedet sich damit erstmals wieder aus der Bundesliga und stellt sich außerhalb Deutschlands einer neuen Herausforderung. Frankfurt kassiert eine Ablöse in Höhe von 75 Millionen Euro, weitere fünf Millionen könnten an Boni hinzukommen. Um es mit Bill Clinton zu sagen: „It’s the economy, stupid!“ In einer Zeit, die geprägt ist von ökonomischen Unsicherheiten, sind Warenallianzen am Transfermarkt immer ein probates Mittel.
Thommy Junga: Die Hinrunde ist um, Zeit für einen kleinen Rückblick. Mit Dortmund haben wir die Enttäuschung der Saison schon heute identifiziert, mit Frankfurt eine fußballerische Überraschung ebenfalls benannt. Was hat für Dich nach der Hinrunde eine besondere Erwähnung verdient?
Peter Hesse: Auch wenn Mainz die letzten beiden Spiel gegen Leverkusen und Union Berlin verlor, steht das Team aus der Karnevalsplatz mit kleinem Etat und überzeugendem Fußball auf Platz 6 der Tabelle. Mit einem Sieg am Samstag gegen den VfB Stuttgart könnten sich die Mainzer im oberen Tabellendrittel weiter etablieren. Kürzlich entführten sie erst drei Punkte aus Frankfurt und machten das so kaltschnäuzig wie kokett – und das obwohl Mittelfeldspieler Amiri in der 21. Minute die rote Karte sah – und das muss man mit 10 Spielern erstmal so nachmachen.
