Gerade die drei großen Ruhrgebiets-Fußballclubs haben arge Probleme: Bochum ist Tabellenletzter, der BVB flog im DFB Pokal in Wolfsburg raus und Schalke taumelt von der einen Katastrophe zur nächsten. Thommy Junga und Peter Hesse philosophieren dazu über den Ballon d’Or, Jürgen Klopp und Manchester United.
Thommy Junga: Wir müssen leider schon wieder über Borussia Dortmund sprechen! Den Saisonstart holprig verbaselt, jetzt das Pokalaus gegen Wolfsburg. Trainer-Projekt Nuri Sahin wirkt angezählt, der vereinsinterne Moderator Sebastian Kehl verfängt sich Parolen und nun sorgt eine angebliche durchaus prominente Streichliste hinsichtlich des balltretenden Personals für Aufsehen. Gefühlt wird es jeden Tag schlimmer. Wieviel Druck hält der schwarz-Gelbe Kessel noch aus, bis dem Westfalenstadion das Dach wegfliegt?
Peter Hesse: Ich habe den Terzic-Hummels Zwist zur Sommerpause nicht verstanden und erst recht nicht, warum Nuri Sahin Edin Terzic ersetzen musste. Mir kommt es fast vor wie auf Schalke: es ist fast egal wer Trainer ist, es läuft trotzdem nicht richtig rund. Ich hätte auf jeden Fall mit Terzic weitergemacht – ein guter Typ in meiner Wahrnehmung, der es schaffte dem Team eine spielerische Handschrift aufzudrücken, was seit der Ägide von Thomas Tuchel nicht mehr gelungen ist. Als ich die Startaufstellung gegen Augsburg sah, dachte ich, dass es besser eigentlich nicht geht – ich hätte zwischen Abwehr und Sturm auch mit Nmecha und Sabitzer auf der Doppel-6 gespielt. Und dann funktioniert es doch wieder nicht. Die Chance auf einen Titel ist seit Dienstag durch das K.O. in Wolfsburg auch futsch. Die Chancen auf ein Weiterkommen in der Champions League oder in der Meisterschaft sehe ich im Moment auch mit sehr gedämpften Gefühlen entgegen. Wir sehen auf der Tribüne immer wieder den schlecht gelaunten Aki Watzke samt seinem Assistenten-Kommando auf der Tribüne. Der Comedian Matze Knop sagte, die sehen aus wie DDR-Honecker-Schergen vor 40 Jahren, und das stimmt auch. Ich habe aber keine Idee, wie es gerade besser werden soll – die Bayernjäger kommen aktuell aus Leipzig und Leverkusen. Der BVB kann froh sein, wenn sie am Ende dieser Saison in die Champions League kommen. Im Flurfunk wird gerade eifrig nach Christian Streich als neuen Trainer gefordert, aber ob der es besser machen könnte? Ich glaube eher nicht.
Thommy Junga: Ein paar Kilometer die B1 runter läuft es ähnlich gut, dort zerbröselt gerade der VfL Bochum. Man hat das Gefühl Zeuge eines absurden Sozialexperimentes zu sein. Zu testen gilt es scheinbar, wie man einen Bundesligisten und Traditionsverein in nur sechs Wochen komplett zerlegt. Die Mannschaft sägt den Trainer ab, der Vorstand ätzt gegen den Kader, der Aufsichtsrat trägt seine Dispute öffentlich aus, der Vorsitzende springt aus dem entgleisenden Zug und ein neuer Sportdirektor ist genau so wenig in Sicht wie ein neuer Trainer, der die 1-Punkte-Truppe wieder in die Spur bringen soll. Womit kannst du den Bochumer Anhängern jetzt noch Hoffnung machen?
Peter Hesse: Bei der Klatsche gegen die Bayern fehlte Stürmer Myron Boadu, der bei seinen bisherigen Kurzeinsätzen immerhin zwei der bisher sieben Bochumer Treffer erzielt hat. Gegen Frankfurt wird der Niederländer wegen Hüft-Beschwerden nach wie vor nicht zum Kader gehören, sein Comeback ist noch völlig ungewiss. Wenn man diversen Insidern Glauben schenken darf, macht sich so ein bisschen Aufbruchstimmung breit beim Tabellenletzten. Die Laune der Beteiligten bei den Trainingseinheiten an der Castroper Straße ist besser, ein paar taktische Kniffe sollten dafür sorgen, dass die Mannschaft insgesamt stabiler wird. Ich hoffe, dass der VfL in den kommenden drei Spielen in Frankfurt, zuhause gegen Leverkusen und dann in Stuttgart sich mit stabiler Abwehrleistung und etwas Glück nach vorne besser verkaufen wird – dann klappt es auch hoffentlich mit den Punkten. Vielleicht ist ja zudem in der Winterpause noch eine Verstärkung drin. Wenn nicht, dann sieht es doch ganz klar nach Abstieg in Liga zwei aus – so bitter es auch klingt.
Thommy Junga: Nun ist es offiziell: nicht der vollmundig gehandelte und immer nah am Skandälchen entlangdribbelnde Real-Star Vinicius Jr. hat den Ballon d‘Or als Auszeichnung des besten Fußballers erhalten, sondern der Spiritus Rector des Europameisters Spanien, Rodri von Manchester City. Real Madrid hat sehr verknittert reagiert und gleich die komplette Veranstaltung boykottiert. Mit der Wahl Rodri wollen die Fans nun aber auch so gar nicht warm werden. Wer war für dich der beeindruckendste Kicker des Jahres?
Peter Hesse: Nein, für mich war es eindeutig Lamine Yamal vom FC Barcelona, der leider nur auf Platz acht gelandet ist. Mit bitzschnellem Tempo kann er dann zu seinen gefürchteten Dribblings ansetzen und ganze Abwehrreihen auf der Außenbahn aushebeln. Durch seine enorme Schnelligkeit ist er für die Abwehrspieler, die sich oft erst in seine Laufrichtung drehen müssen und dadurch wertvolle Sekunden verlieren, nur durch Fouls zu stoppen. Er ist der, der dem statischen und oft zu leicht ausrechenbarem Spiel die Unberechenbarkeit zurückgibt, seine bolzplatzhafte Frechheit ist eine Augenweide – und er hat schon mal Glanz-Momente, die an Maradona oder Johann Cruyff erinnern. Aber Yamal ist noch jung – ich hoffe, wir können uns noch lange an seinem Spiel erfreuen.
Thommy Junga: Man kommt dieser Tage noch immer nicht am Thema Klopp und RB vorbei. Groß ist der Schock, dass der Schmiegermutterliebling Jürgen, der bereits einer Vermögensberatung, männlicher Hautpflege, verschiedenen Kleinwagen, Elektronikhändlern, allerlei Biersorten und noch vielen anderen sein Gesicht geliehen hat nun seine Partnerschaft mit Red Bull rauskloppt. Kannst du die Entzauberung nachvollziehen oder sind wir alle nur einfach naive Romantiker?
Peter Hesse: Vielleicht wollte er sich mit seinem Engagement beim Brausefabrikanten auch selber von seinem Thron schubsen. Als er Ende September aus den Händen von Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz erhielt, war ich selber sehr bewegt und angetan von seiner sehr menschlich geführten Rede. Von Liverpool aus habe der als „populärster deutscher Bürger in Großbritannien“ zudem erheblich zu einem positiven Bild unseres Landes beigetragen. In meiner Wahrnehmung dachte ich, dass Klopp so einen Gefallen am Sabbatical findet und bestimmt eine Auszeit von drei Jahren nimmt – und dann Co-Kommentator bei einem TV-Sender wird. Klopp war schon immer für eine Überraschung gut – aber dass er diesmal in der medialen Wahrnehmung mit so viel Häme überzogen wird, das dürfte ihn selbst überrascht haben.
Thommy Junga: Blick nach England. Manchester United hat nach langer Leidenszeit den Trainer-Stecker gezogen und Erik Ten Haag gefeuert. Der wollte im Sommer nach einer völlig verkorksten Saison schon freiwillig das Handtuch schmeißen, wurde wohl aber wohl extra nochmal zum Verbleib überredet – nur, um dann jetzt doch rausgeschmissen zu werden. Jetzt strecken die Red Devils, immerhin Premier League-Rekordmeister, mit Ruben Amorim von Sporting Lissabon die Fühler nach dem nächsten Trainertalent ohne Premiere League-Erfahrung aus. Braucht so ein Supertanker nicht einen erfahrenen Mann auf der Brücke?
Peter Hesse: Ja, aber woher nehmen – wenn nicht stehlen, sagt der Volksmund. Und Manchester United muss sich noch einige Wochen gedulden, ehe Ruben Amorim als neuer Trainer im Old Trafford aufschlägt. Wie britische Presse-Organe berichten, hat sich der englische Rekordmeister mit Sporting Lissabon darauf geeinigt, dass Amorim noch bis zur Länderspielpause, die am 11. November endet, in Portugal bleibt. Bis dahin stehen für Sporting noch drei wichtige Partien an, unter anderem das Champions League-Spiel gegen Manchester City, was als Lokalderby natürlich eine besondere Brisanz hat. Für Amorim fließen zufolge elf Millionen Euro Ablöse nach Lissabon – eine stolze Summe. Vorläufig wird United nach der Entlassung von Erik ten Hag nun also weiterhin von Interimstrainer Ruud van Nistelrooy angeleitet. Die Vereinslegende legte beim 5:2 im Ligapokal-Achtelfinale gegen Leicester City einen Traumstart hin – also so richtig müssen wir uns um Manchester United keine Sorgen machen.