Die Lage der Liga ist angespannt, die Bundesliga befindet sich im Endspurt. Macht der FC Schalke 04 den BVB zum Meister und darf sich dann im goldenen Buch der Stadt Dortmund eintragen? Das klingt genau so absurd, wie der Rauswurf von Oliver Glasner bei Eintracht Frankfurt, die finanzielle Schieflage von Hertha BSC und die undurchsichtigen DFL Pläne, sich neuen Investments zu öffnen. Thommy Junga und Peter Hesse werfen kurz vor dem 32. Spieltag ein paar Argumente hin und her.
Peter Hesse: Im Rennen um die Meisterschaft in der Bundesliga trennt derzeit nur ein Punkt die Vereine Borussia Dortmund und FC Bayern München. Zum möglichen Meisterschaftstitel könnte dem BVB sein Erzrivale Schalke 04 am Wochenende verhelfen. Denn die Gelsenkirchener spielen gegen die Bayern. Schon vor der Partie machte der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Thomas Westphal, Schalke ein kurioses Angebot: ein Eintrag in das Goldene Buch der Stadt, wenn Schalke den BVB zum Meister macht. Wird Gelsenkirchen im nächsten Kumpel-Schritt noch die Partnerstadt der Ruhr-Metropole – und dann mit schwarz-gelber Goldkante?
Thommy Junga: Jetzt brechen scheinbar wirklich alle Dämme bei der Beschwörung des Titel-Dusels. Ich traue ehrlich gesagt jedem der letzten drei Gegner der Bayern Punkte zu, egal ob Schalke, Leipzig oder Köln. Die Dortmunder wirken fokussiert und könnten sich gegen ihr Restprogramm durchaus schadlos halten. Ob die Schalker wirklich gerne als die Dortmunder Meistermacher in die Bundesligageschichte eingehen wollen, da hege ich erst mal so meine Zweifel. Momentan ist den Gelsenkirchenern aber zumindest im sportlichen Bereich wirklich alles zuzutrauen.
Peter Hesse: Ich habe nicht so richtig verstanden, warum Eintracht Frankfurt in dieser Woche Oliver Glasner gekündigt hat, obwohl der Salzburger mit dem Triumph in der Europa League für den größten Erfolg in der jüngeren Vereinsgeschichte gesorgt hat. Unter Glasner hat die Eintracht zum ersten Mal die Champions-League-Saison in der Gruppenphase überstanden und sie stehen außerdem im Pokalfinale am 3. Juni in Berlin gegen RB Leipzig. Glasner steht für klare Worte und hat personell nicht gerade einen zweiten FC Bayern zur Verfügung, sondern eher Zweite bis Dritte-Wahl Spieler, die er streckenweise zu Höchstleistungen animiert hat. Warum muss er trotzdem gehen?
Thommy Junga: Und diese eher durchschnittliche Kaderqualität hat Glasner zuletzt wohl auch zu häufig öffentlich moniert. Da wurde es Sportvorstand Krösche wohl irgendwann zu bunt, auch weil Glasner an sportlichem Standing verliert. Den jüngeren Erfolgen wie dem Einzug ins Pokalfinale steht eben auch eine Serie von zehn mehr oder weniger vergeigten Bundesligaspielen gegenüber. Und dieser eklatante Einbruch im Saisonverlauf ist unter dem österreichischen Coach nicht neu. In dieser wieder schwierigen Phase inszeniert sich Glasner mal per Diver vor der Kurve und mal dünnhäutig im Pressegespräch. Ohne die internationalen wie nationalen Pokal-Highlights wäre Glasner wohl schon länger weg vom Eintrachtfenster.
Peter Hesse: Vor ein paar Tagen jährte sich die Sensations-Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern zum 25. Mal, nachdem die „roten Teufel“ als Aufsteiger in die erste Liga rutschten. Die Abwehr mit Libero Miroslav Kadlec sowie den beiden
Manndeckern Harry Koch und Schjönberg stand sicher, Otto Rehagel praktizierte wie immer seine altbewährte „kontrollierte Offensive“-Taktik. In der Mittelfeldzentrale war der Schweizer Ciriaco Sforza der Chef, vorne sorgten Olaf Marschall und Pavel Kuka für Tore. Wenn jetzt Darmstadt und Heidenheim aufsteigen sollten – ist schon jetzt klar, dass keiner der beiden Teams Meister werden kann. Eigentlich schade, oder?
Thommy Junga: An diesem Jubiläum sieht man ganz gut, was sich seit den 1990er Jahren eigentlich so grundlegend geändert hat im Profifußball: Qualität ist heute direkte Folge von finanziellen Möglichkeiten. Das findet seinen Niederschlag nicht nur den Ablösesummen, das fängt schon damit an, welches lizensierte Scoutingpaket du dir leisten kannst. Als Kaiserslautern damals seine Mannschaft zusammengestellt hat, da sind noch echte Menschen zu richtigen Fußballspielen gefahren und haben sich hinterher bei den Leuten an den Küchentisch gesetzt. Für das untere Drittel der Bundesliganahrungskette gelten deshalb immer noch die selben Regeln: schneller sein, kreativer sein und persönlich überzeugen. Ist im Zuge des digitalen Wandels im Fußball allerdings verdammt schwierig geworden. Gefühlt spielt mittlerweile fast jeder durchschnittliche Profiklub in Europa mit den verfügbaren Datensätzen Moneyball – da wird es für die ganz kleinen Vereine schwierig mitzuhalten.
Peter Hesse: Die Pläne der Deutschen Fußball-Liga, mit dem Einstieg eines Investors zusätzliche Millionen Euro zu erlösen, werden weiter kontrovers diskutiert. In Dortmund stellten sich zwei DFL-Führungskräfte Hans-Joachim Watzke und Axel Hellmann der Kritik der Fans. Wenn Watzke betont, dass er „seit Jahren für die 50+1-Regel kämpfe, um jetzt nicht ein trojanisches Pferd hereinzulassen“ – kann man ihm das tatsächlich abnehmen oder bekommt er schon ganz bald die goldene Pinocchio-Münchhausen-Medaille für besonders zweifelhafte Versprechungen verliehen?
Thommy Junga:Ich glaube Herrn Watzke sofort, dass er 50+1 bevorzugt. Was würde denn jegliches Invest, sei es in einen anderen Klub oder in die gesamte Struktur Bundesliga bedeuten? Nichts anderes, als das große Summen die Abstände zu seinem Verein verkleinern würden und sich der Markt verteuern würde. Derzeit ist Dortmund fraglos die zweite Kraft in Deutschland. Die Vorteile, die man sich derzeit durch geschickte Transferpolitik gegenüber der Konkurrenz erarbeitet hat würden schwinden. Ein mit 20 oder 30 Millionen aufgepumptes Freiburg oder Frankfurt könnten noch näher rankommen als ohnehin schon. 15 Millionen in Bochum würden einen größeren Effekt haben, als 25 für Dortmund. Ein System, dass über die Platzierung geschlüsselt Gelder ausschüttet muss nicht schlecht sein, es darf nur nicht zur Verfestigung der Strukturen beitragen. Das machen die Verbände bisher falsch, weil sie mehr an die Topklubs mit Topplatzierungen auszahlen. Das sollte einfach ganz anders angegangen werden.
Peter Hesse: Fußball-Bundesligist Hertha BSC soll sich laut einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« in einer schwierigen finanziellen Lage befinden und dringend die Finanzspritze eines Investors benötigen, um die Auflagen der DFL im Lizenzierungsverfahren erfüllen zu können. Der Klub hat inzwischen seine schwierige Finanz- und Investorenfrage offengelegt. Mit etwas Pech kann die alte Dame bald in der Oberliga mit Neuruppin, Blau Weiß 90 oder der TSG Neustrelitz spielen. Wie sehr schockt dich das?
Thommy Junga: Das wird noch ein heikles Thema im Abstiegskampf, denn stand jetzt weiß wieder niemand so recht wie viele wirklich ab- und aufsteigen. Hängt noch nicht an der ganz großen Glocke, wird aber spätestens kommen, wenn die Lizenzierungsfristen auslaufen. Problematisch scheint ja vor allem die vereinseitig eingeräumten Mitbestimmungsrechte des neuen Investors 777. Wenn die Liga hier ein verkapptes 50 minus irgendwas aufdeckt, dann wird das Sportgericht in Frankfurt nach der Saison gut zu tun bekommen. Frei nach Schiller: Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet