Viel los aktuell im Profifußball. Kaum ist das Achtelfinale im DFB-Pokal gespielt, steht schon der nächste Spieltag im Ligaalltag an. Unsere Autoren Peter Hesse und Robin Patzwaldt haben es sich auch in dieser Fußballwoche nicht nehmen lassen ihren meinungsstarken Senf zu den Geschehnissen abzugeben.
In ihrem Gespräch geht es diesmal um die Erfolgschancen des VfL Bochum, bittere Tränen auf Schalke, den wankelmütigen BVB und den selbsternannten ‚Big City Klub‘ Hertha BSC.
Peter Hesse: Hallo Robin, der DFB-Pokal hat mal wieder seine eigenen Geschichten geschrieben: Jahn Regensburg hat Köln rausgekegelt, Leverkusen stolpert über Rot-Weiß-Essen und der BVB ist nur mit Mühe und Glück gegen Paderborn weiter. Nun klopft wieder die Bundesliga an. Am Freitag sind die Bayern bei Hertha BSC Berlin, was muss Pal Dardai aus der Trickkiste ziehen, um nicht komplett gegen den Rekordmeister unterzugehen?
Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Nun ja, die Bayern erscheinen aktuell ja deutlich schlagbarer als früher. Sie spielen seit dem Herbst eigentlich weit unter ihren Möglichkeiten. Dass sie immer noch mit Abstand vorne stehen, sagt ja viel aus. Ich fürchte, da wird auch für die Hertha am Freitag nicht viel zu holen sein, auch wenn sich die große Mehrheit der Fans in Deutschland das sicher wünschen würde. Ich drücke speziell Dardai aber auf Sicht die Daumen. Es war für mich unverständlich, warum man sich in Berlin vor Jahren von ihm getrennt hat, weil die Entwicklung der Hertha für die Verantwortlichen nicht schnell genug voranging. Die Rückkehr zu ihm als Trainer ist ja ein ganz kräftiges Eingeständnis einer Fehlentwicklung, wie ich finde. Schön wäre es für ihn, wenn er seine Klasse auch diesmal als Chef der Profis beweisen könnte.
Peter Hesse: Themenwechsel: Der BVB muss am Samstag zum SC Freiburg – und ein halbes Team wird nicht zur Verfügung stehen. Bürki (Schulterprobleme), T. Hazard (Individualtraining nach Muskelfaserriss), Meunier (Knieprobleme), Witsel (Achillessehnenriss) und Zagadou (Muskelfaserriss) müssen zum Teil noch lange pausieren. Trainer Edin Terzic muss die drei Hauptprobleme seines Teams in den Griff bekommen: die Wackelabwehr, das defensive Mittelfeld, was immer zu schnell bei Kontern überlaufen wird – und dass im Sturm Erling Haaland nicht gut genug bedient wird – und zu oft auf sich alleine gestellt ist. Marco Reus ist noch immer nicht in Top-Form (zieht man das Spiel in Leipzig ab) und Sancho hat pro Spiel vier bis fünf gute Momente, den restlichen Spielverlauf taucht er einfach nur ab. Moukoko hatte im Spiel gegen Union Berlin sein Startelf-Debüt, er wird sonst nur als Joker mal für 10 Minuten eingesetzt. Müsste Terzic nicht viel mehr auf den Dortmunder Youngster setzen, um in der Offensive variabler und gefährlicher zu sein?
Robin Patzwaldt: Beim BVB hängt meiner Meinung nach fast alles von der Einstellung ab. Hat die Mannschaft Bock, ist sie nach Bayern die zweitbeste Truppe der Liga. Auch in dieser Besetzung. Hat sie aber keine Lust, wird es in jedem Spiel schwer sich durchzusetzen. Nach dem langen Pokalfight gegen Paderborn befürchte ich eher letzteres. Zumal Freiburg immer sehr engagiert ist gegen Dortmund. Ich wäre schon mit einem Punt zufrieden. Aber um die Saisonziele zu erreichen müssten es eigentlich deren drei werden. Ich bin in Gedanken eh schon im Sommer. Es wird spannend zu sehen werden, wie sich der BVB neu aufstellt. Diese Saison habe ich innerlich schon ein Stück weit abgehakt. Ich denke, dass geht vielen Fans so. Hoffentlich hat die Mannschaft es zumindest noch nicht getan ?
Peter Hesse: Kommen wir mal nach Schalke, die sich am letzten Tag der Wintertransfers noch mit Shkodran Mustafi verstärkt haben. Der Fußball-Weltmeister von 2014 muss nach seinem Wechsel vom FC Arsenal bis einschließlich Freitag wegen der Corona-Mutationen auf der britischen Insel in Quarantäne bleiben. Nach Absprache mit dem Gesundheitsamt wollen die Schalker anschließend kurzfristig entscheiden, ob Mustafi gegen Leipzig auflaufen kann. Auch in Richtung Finanzen gibt es königsblaue News: Wie schon die Stölting Service Group (bis 2029) und Böklunder (bis 2024) hat nun auch die Hagedorn Unternehmensgruppe seinen Sponsoring-Vertrag auf Schalke vorzeitig und ligaunabhängig bis 2024 verlängert. „Das Sponsoring“, so heißt es in einer Vereinsmitteilung, „wurde sogar noch erweitert und die Summe aufgestockt.“ Das ist gut für den gebeutelten Club. Schalke ist unglücklich und knapp gegen Wolfsburg im DFB-Pokal-Achtelfinale ausgeschieden und die volle Konzentration liegt jetzt darin, den drohenden Abstieg zu vermeiden. Samstag kommt ausgerechnet das starke Team von Red Bull Leipzig nach Gelsenkirchen. Glaubst du das Jan Klaas Huntelaar in der Startelf stehen wird?
Robin Patzwaldt: Zunächst einmal bin ich in Sachen Mustafi skeptisch – der hat doch schon ewig nichts mehr gerissen. Aus meiner Sicht ein Panikkauf der Schalker, die ja bekanntlich wenig finanzielle Möglichkeiten haben. Im Pokal taten sie mir am Mittwoch leid. Die Leistung war echt okay und das Ergebnis unglücklich. Ungewöhnlich, wie emotional sich viele Spieler nach dem Aus gezeigt haben. Vielleicht ist da noch nicht alles verloren. zumindest scheint einigen doch etwas daran zu liegen es ab sofort besser zu machen. Im Hinblick auf das nächste Spiel habe ich nicht viel Optimismus bei Schalke. Leipzig ist eine ganz harte Nummer. schon im Hinspiel gab es, beim ersten Spiel von Neu-Trainer Baum damals direkt eine Packung. Wenn Schalke diesmal einen Punkt ergattert, wäre das schon ein Erfolg, denke ich.
Peter Hesse: Bochum hat ja auch gegen Leipzig mit 4:0 ordentlich einen auf die Mütze bekommen – und das Spiel zeigte auch auf: wenn der VfL die Castroper Straße wieder erstklassig machen will, müssen sie mehr als nur eine Schüppe drauflegen. In der nächsten Runde für den DFB-Pokal sind diese acht Teams übrig geblieben: Regensburg, Gladbach, Wolfsburg, Leipzig, Kiel, Bremen, Dortmund und überraschender Weise der Viertligist Rot Weiß Essen. Am Essener Stadion sammelten sich nach dem Spiel gegen Leverkusen bis zu 250 Fahrzeuge zu einem Autokorso, die sich hupend von der Hafenstraße im Norden der Stadt bis ins Zentrum bewegten – dazu wurde quasi an jeder Ecke ein Feuerwerk gezündet. Ich hab einen Kumpel, der Rot Weiß Essen Fan ist – und der hat mir vorgestern etwa 40 Nachrichten via Whattsapp geschrieben – so viel, wie in den letzten acht Jahren nicht. Besonders ragt bei den Essenern ja ihr Torjäger Simon Engelmann heraus, der in der laufenden Saison schon 20 Treffer für RWE in der Regionalliga erzielt hat. Was ich besonders bemerkenswert finde: Engelmann hat nie höher als in der vierten Liga gespielt! Und nur wenige Stürmer haben wie er einen so treffsicheren Killerinstinkt und seine knallharte Schusstechnik stammt scheinbar aus der alten Marco van Basten-Schule…
Robin Patzwaldt: Ja, der VfL Bochum hat gesehen wie groß die Kluft zur 1. Liga inzwischen geworden ist. Ich hatte das ja in den Vergangenen Wochen hier im Blog schon angemerkt. Sollte der VfL tatsächlich aufsteigen, dann wird es extrem schwer ohne kohle die Klasse zu halten. Denn der derzeitige Kader des VfL hat einfach nicht das Format. Zu RW Essen: Die Begeisterung der Fans kann ich verstehen, Pyro und Massenansammlung in Corona-Zeiten hingegen nicht. Diesmal ist mir da gar nicht so viel von zugetragen worden. In der vorherigen Runde im Dezember war es noch extremer. Damals hatte ich das ja auch hier im Blog kritisch aufgegriffen. Sportlich ist das eine tolle Geschichte. Genauso wie der Erfolg der Regensburger, die gegen die Kölner noch einen 2-Tore-Rückstand drehen konnten. dem BVB blieb ein solches Schicksal am Dienstag ja zum Glück erspart ?
Peter Hesse: Ein Coup der besonderen Art ist ‚Amazon Prime‘ gelungen. Der Streamingdienst hat den FC Bayern für eine Doku verpflichtet, die noch in diesem Herbst ausgestrahlt werden soll. Es ist übrigens das erste Mal, dass der Rekordmeister einem Kamerateam Zugang in alle möglichen Bereiche gewährt. Allerdings drehen die Bayern im Sinne des „FC Hollywood“ die Produktion selbst – und arbeiten hierfür mit der Produktionsfirma ›Wiedemann & Berg‹ zusammen. Also braucht man nicht befürchten, dass Karl-Heinz Rummenigge wie ein Autorenfilmer die Kamera selbst in die Hand nimmt und Co-Trainer Hermann Gerland am Set als Beleuchter arbeitet. Die Münchner haben aber am Schnittplatz die Regiegewalt in ihrer Hand – und werden mitbestimmen, welche Szenen in die Doku einfließen werden – und welche nicht. ››Mia san mia‹‹ heißt es ja nicht umsonst. Ansonsten wünschen wir allen Fußballfans ein spannendes und vor allem torreiches Wochenende, bleibt tapfer und sportlich!
Dass Herr Patzwaldt den VfL Bochum nicht mag, ist nicht, aber vielleicht sollte er sich mal die Spiele anschauen, bevor er der Mannschaft Woche für Woche die Qualität abspricht. Gestern hat man eine bessere B-Elf spielen lassen, weil der Fokus auf der Liga liegt und der Terminplan aktuell sehr unglücklich ist, in der Runde davor wurde mit Mainz auswärts ein Erstligist besiegt. Auch andere Vereine wie Fürth, Kiel oder Regensburg haben gezeigt, dass sie durchaus mit dem letzten Drittel der Bundesliga mindestens mithalten können.
Zumindest steht der VfL aktuell zurecht auf Platz zwei: zweitbeste Abwehr, drittbester Angriff, etliche sehr überzeugende Siege unter anderem beim HSV, gegen Düsseldorf, Paderborn oder Heidenheim. Der zweite Anzug mag vielleicht nicht optimal sitzen, die erste Elf hat jedenfalls das Potenzial, aufzusteigen. Und wie immer benötigt man natürlich auch das nötige Matchglück. Es macht aber definitiv Spaß, sich die Spiele des VfL anzuschauen.
PS. Das Runde ist der Ball! 😉
@Bob Hope: Ich schaue mir seit Jahren schon die Mehrzahl der Spiele des VfL an. Ab und an im Stadion (als es noch ging) in Mehrzahl auf Sky. So ein Abo muss sich ja rechnen 😉 Der Unterschied zu Liga 1 in Sachen Qualität des Spiels ist inzwischen in der kompletten 2. Liga leider extrem groß geworden. Der Unterhaltungswert ist zudem deutlich geringer. Das ist nicht die Schuld des VfL. Das liegt an der sich extrem öffnenden Schere in Sachen Finanzen. Dass ich etwas gegen den Verein hätte ist total falsch. er liegt sogar in den Top3 meiner meistgesehenen Vereine. Der VfL tut mir nur leid, dass er seit Jahren auf der falschen Seite dieser Schere ist und dort wohl auch nicht mehr wegkommen wird, wenn kein Wunder geschiet.
@Robin Patzwaldt: Das der finanziellen Schere ist klar, aber trotzdem glaube ich, dass die oberen fünf, sechs Mannschaften der aktuellen Zweitligatabelle durchaus Chancen hätten, in der ersten Liga den Klassenerhalt zu schaffen. Finde die Spitzenspiele in der zweiten Liga oft interessanter als die Spiele im letzten Drittel der ersten – auch taktisch. Gerade die Pokalspiele haben das gezeigt: Das sah bei den Duellen erste gegen zweite selten so aus als spielte der Favorit gegen den Underdog.
Und auch der VfL hat seit dem Abstieg vor elf Jahren keinen so guten Fußball und attraktiven mehr gespielt wie in der laufenden Saison. Und dafür braucht man keine blauweiße Brille. Ob es am Ende reicht, wird man sehen, aber zu behaupten, die Mannschaft habe nicht die Qualität, spiele nicht attraktiv (wie vor ein paar Wochen geschrieben), halte ich für gewagt.
Aber wie gesagt: Die erste Elf hat definitiv das Zeug zum Aufstieg, dahinter wird es eng im Kader. Viele Ausfälle darf es also nicht geben, weshalb man auch das Spiel in Leipzig mehr oder weniger abgeschenkt hat.