Warum werden Feministinnen derartig in die Mangel genommen?

Polizeipräsidium Dortmund Foto: Joehawkins Lizenz: CC BY-SA 4.0 DEED

Meinungsfreiheit ist der wichtigste Bestandteil einer funktionierenden Öffentlichkeit. Sie ist ein hohes und schützenswertes Gut, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht funktionieren kann. Dass dieses Recht nicht universal gilt, sondern willkürlich beschnitten wird passiert nicht häufig, aber es passiert.

Die feministische Bloggerin und Aktivistin Rona Duwe muss sich die letzten zwei Monate wie Joseph K. aus Kafkas Roman „der Prozess“ gefühlt haben. Was sie getan hatte? Die Antwort ist schwierig.

Ein Versuch: Es fing im November mit einem gelben Brief vom Polizeipräsidium Dortmund an. Rona Duwe holte eine erkennungsdienstliche Vorladung zur Vermeidung weiterer Straftaten aus ihrem Briefkasten. Es sollen Fotos und Fingerabdrücke abgenommen werden. Was hat Rona Duwe getan, dass so ein Verfahren rechtfertigt? Was war passiert? Und warum werden Feministinnen derartig in die Mangel genommen?

Rona Duwe erlangte in den letzten drei Jahren in den sozialen Medien einige Bekanntheit, als sie Anfang 2021 ihr Buch „Mutterwut Muttermut“ veröffentlichte. Dem Buch und ihr wurde unterstellt „transfeindlich“ zu sein, obwohl das Buch nur ein einziges Kapitel zur Genderidentitätsideologie enthält. Einige Mutter- und Elternblogger distanzierten sich von ihr. Viele weitere Blogger wurden angeschrieben und aufgefordert Rona Duwe ebenfalls auszuschließen, keinen Kontakt mehr zu ihr zu haben und ihr Buch nicht zu kaufen. Seitdem gilt Duwe in den sozialen Medien als TERF – als „transexkludierende Radikalfeministin“, wie es auf Deutsch heißt. Dieser diffarmierende und entmenschlichende Begriff sagt eigentlich nichts anderes, als dass es jemand anstößig findet, wenn Feministinnen sich ausschließlich auf Frauenthemen konzentrieren. Einmal als TERF identifiziert beschließt Duwe, ihre Bedenken bezüglich des Selbstbestimmungsgesetzes, transaktivistischer Vereine oder der Queerideologie zukünftig offen zu äußern. Dafür erntet sie extrem viel Widerstand, Diffamierungen, Beleidigungen, Mobbing und offene Gewalt- und Besuchsdrohungen.

Bei X, ehemals Twitter, stellt sie 2023 Fragen zur Ähnlichkeit eines vom FBI erfassten Symbols der Pädophilen-Szene und einem Maskottchen, das von einer Translobbyorgansation auf einem öffentlichen Pressefoto gezeigt wird. Daraufhin wird sie juristisch belangt. Das Landgericht Düsseldorf stellt fest, dass es sich um von der freien Meinungsäußerung gedeckte Erörterungen handelt. Das Oberlandesgericht Köln sieht das etwas anders und der Prozess endet in einem Vergleich. Man darf nun weiterhin kritisch über die Ähnlichkeit sprechen, aber nicht behaupten, es handele sich um keinesfalls das gleiche Symbol.

Doch zurück zur erkennungsdienstlichen Vorladung. Dieser Vorladung ging eine Vorladung der Kripo im Juli 2023 voraus. Hier hatten Duwe und ihr Anwalt Akteneinsicht angefordert. Die Akte wurde bis November nicht zugesendet. Stattdessen kam die erkennungsdienstliche Vorladung. In der Vorladung sind mehrere Anzeigen gegen Duwe gelistet. Die meisten kennt sie nicht und werden auch nicht genauer erläutert. Gegen zwei hat sie sich anwaltlich zur Wehr gesetzt. Laut der Vorladung gab eine Anzeige den Ausschlag, die Duwe unterstellt, Transpersonen mit Pädophilen gleichgesetzt zu haben und den Verein dgti mit negativen Kommentaren in Verbindung gebracht zu haben. Duwes Anwalt fordert erneut Akteneinsicht und nimmt zu der Vorladung in einem 30-seitigen Schreiben Stellung.

Anfang Dezember kommt eine zweite, zwingende Vorladung. Die Kriminalhauptkommissarin behauptet darin, Duwe hätte die Möglichkeit, zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen, nicht genutzt. Ihr Anwalt hakt noch einmal telefonisch nach und sendet ein weiteres Mal die Stellungnahme per Mail. Da die Vorladung dennoch nicht zurückgezogen wird, bleibt Rona Duwe nur noch die Möglichkeit vor dem Verwaltungsgericht zu klagen.

Die Anschuldigungen sind so absurd wie symptomatisch für den Kampf der Transaktivisten. Ihr wird unter anderem Volksverhetzung vorgeworfen. Es klingt dystopisch, aber Tweets und Blogbeiträge, die sich für für den Erhalt geschlechtergetrennter Räume einsetzen, die die Transideologie hinterfragen oder den Schutz von Kindern anstreben, werden zunehmend als volksverhetzend angezeigt. Diese Anzeigen werden offensichtlich inzwischen von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht mehr belächelt, sondern ernst genommen und weiterverfolgt.

Die Begriffe Volksverhetzung sowie Hass und Hetze häufen sich wenn Transaktivisten sich zu Wort melden. Doch was genau versteht man unter Volksverhetzung?
Die juristische Definition meint mit Volksverhetzung Aussagen die,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordern oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

In den letzten Jahren häuften sich Anzeigen von Transrechtsaktivisten. Sie fühlen sich beleidigt, sehen ihre Menschenwürde angegriffen oder den öffentlichen Frieden bedroht, wenn man beispielsweise sagt, dass man das Geschlecht nicht ändern kann oder dass Frauen erwachsene Personen weiblichen Geschlechts sind. Es geht, wohlgemerkt nicht um das, was wir unter Herabsetzung, Beleidigung oder Bedrohung verstehen. Es sind Aussagen, objektive Feststellungen ohne „Hass und Hetze“, die aber dazu stilisiert werden, weil man sich ohne es zu merken der Ideologie unterworfen hat, dass bestimmte Sprechakte Gewalt oder Hetze sind. Dazu zählt, an Geschlechtsidentität nicht zu glauben, einen Mann als Mann zu bezeichnen oder nicht zu glauben, dass Kinder in falschen Körpern geboren werden können.

Damit eins klar ist, es geht um das Wort Mann, nicht um Perversling, Vergewaltiger oder ähnliches.

Dies zeigt sich unter anderem auch darin, dass Duwe in erster Linie als „Transkritikerin“ oder „Transhasserin“ und nicht als Feministin bezeichnet wird. Bedenken, unangenehme Fragen und Kritik sind Hass und Hetze. Und was Hass und Hetze ist, fällt immer häufiger unter willkürliche und poststrukturalistische Definitionen.

Das angekündigte Selbstbestimmungsgesetz behandelt das subjektive Gefühl der Geschlechtsidentität wie eine Tatsache. Schon jetzt hat die Geschlechtsidentität Eingang in einige Gesetze gefunden. Hiermit verlässt man die Sphäre des Objektiven und öffnet Willkür und Glauben Tür und Tor. Die Definition, was Geschlechtsidentität ist, ist tautologisch: Frau ist, wer sich als Frau fühlt. Trans ist, wer sich als Trans fühlt. Wenn bis vor einigen Jahren mindestens der Wille, sich seine Geschlechtsteile umoperieren zu lassen oder sich dem anderen Geschlecht optisch anzunähern ein Hinweis war, ob jemand trans war oder nicht, reicht heute allein der Sprechakt. Ein Mann mit Vollbart kann eine Lesbe mit Penis sein.

Die Vorwürfe, die Duwe gemacht werden lesen sich ähnlich absurd. Sie bringe Transmenschen „in Zusammenhang mit negativen Kommentaren“ und ein Pressesprecher der Polizei Dortmund bezeichnete Duwe als „keineswegs unbescholten“. Schließlich folge er ihr auf X.

Zusammen mit Stefanie Bode hat Rona Duwe eine Elternbroschüre mit dem Titel „Wegweiser aus dem Transgenderkult“ herausgebracht. Die Broschüre ist eine zusammengefasste Übersetzung Buchs der amerikansichen Entwicklungspsychologin Maria Keffler und zeigt Eltern Hilfestellungen, wenn ihr Kind glaubt, im falschen Körper geboren zu sein und den Drang entwickelt, körperschädigende Maßnahmen an sich durchzuführen. Die Broschüre wurde nach Forderungen von Transrechtsaktivisten von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz als jugendgefährdend eingestuft und indiziert. Sven Lehmann (Queerbeauftragter des Bundesregierung) begrüßte diese Entscheidung auf X/Twitter. Der Download-Link ist von der Website der Initiative „Lasst Frauen Sprechen“ entfernt. Die Broschüre ist aber weiterhin ausgerechnet bei einer transrechtsaktivistischen Psychotherapiepraxis für Kinder und Jugendliche herunterzuladen. Das Buch „Desist, Detrans & Detox: Getting Your Child Out of the Gender Cult“ von Maria Keffler ist nicht auf dem Index. Das ist den Transaktivisten allerdings nicht mehr so wichtig. Darüber gab es bisher weder Beschwerden noch Anzeigen. Auch gibt es Informationen zu Konversionstherapien von Homosexuellen bei rechtskonservativen Vereinen, die weder angezeigt noch anderweitig unter Druck gesetzt worden sind. Man könnte meinen, dass es den Transaktivisten nicht primär um die Broschüre geht, sondern darum Duwe einzuschüchtern und mürbe zu machen.

Sich zur Wehr zu setzen ist nicht nur aufwendig, es ist auch beschämend, wenn man immer wieder die Rechtsschutzversicherung kontaktieren muss und es ist auf Dauer sehr teuer.
Die Taten, die Duwe begangen haben soll sind keine Taten, sondern es sind ihre Gedanken oder Fragen – Dinge, die in einem Rechtsstaat kein Straftatbestand sein sollten. Dass den Anzeigen mit derartigem Ernst nachgegangen wurde, ist ein Skandal.

Am 25. Januar 2024, knapp zwei Monate nach der Vorladung bekam Duwe ein kurzes, knappes Schreiben, dass die Polizei das erkennungsdienstliche Verfahren gegen sie zurückzieht und das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt wird. Es ist ein gutes Zeichen, für Meinungsfreiheit, für Frauenrechte und zeigt, dass noch nicht alles verloren ist.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
10 Monate zuvor

Anzumerken bliebe noch, daß der Rückzieher der Polizei nach bundesweiter Berichterstattung kam.
Es ist vielleicht lohnend eine Verfolgung Unschuldiger und die Vollstreckung gegen Unschuldige (§ 344, § 345 StGB), also das Vorliegen eines Amtsdelikts zu prüfen.

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