Es ist eigentlich genau das, was viele Fußballfreunde in diesem Lande sich zurückwünschen. Doch der gestrige Nachmittag hat dann wieder einmal gezeigt, dass es durchaus auch Nachteile hat, wenn tatsächlich alle neun Bundesligaspiele zeitgleich am Samstagnachmittag stattfinden.
So viele Ereignisse, so viele Geschichten die es durchaus wert sind einmal näher in Ruhe betrachtet und auch diskutiert zu werden, dass man selbst als aufmerksamer Beobachter der Geschehnisse kaum noch hinterher zu kommen droht, sich nach den rund drei Stunden zunächst einmal wieder etwas sammeln muss, um all diese unterschiedlichen Aspekte des Nachmittags ein wenig sacken zu lassen.
Gleich neun der 18 Erstligastadien erlebten am Samstagnachmittag also bereits das letzte Spiel der Saison. In allen neun zeitgleich angesetzten Erstliga-Begegnungen ging es auch sportlich tatsächlich noch um etwas. Von Meisterschaft bis Abstieg. Und das am 33. Spieltag. Es war die volle ‚Dröhnung‘ Fußball, die bei herrlichstem Wetter die Nation ‚bespaßte‘.
Dass am Ende der FC Bayern München die vierte Fußballmeisterschaft in Folge einheimsen konnte, was ein Rekord in der Ligageschichte ist, das war dabei vielleicht die wichtigste, aber sicherlich längst nicht die meistbeachtete Erkenntnis des Tages unter den Fußballfans.
Das wenig spektakuläre 2:1 in Ingolstadt fand nur wenige Tage nach dem Ende des Triple-Traums selbst bei den Bayern-Offiziellen so wenig Beachtung, dass man auf die eigentlich obligatorischen Bierduschen verzichtete. Symptomatisch für die vielleicht am wenigsten gefeierte Meisterschaft der Ligageschichte war die Formulierung von Sky-Reporter Torben Hoffmann, der in seinem Bericht aus dem Ingolstädter Stadion formulierte: „Pep gab nach dem Spiel den ‚Feierbefehl‘!“ Damit ist dann eigentlich auch schon alles zu dieser abermaligen Meisterschaft der Bayern gesagt.
Deutlich emotionaler ging es da schon beim gestrigen Kampf um die Europapokaltickets und im Abstiegskampf zu. Die Ergebnisse des Tages sorgten dafür, dass erste Vorentscheidungen fielen, einige Teams ihr sportliches Schicksal soweit klärten, dass es für sie am letzten Spieltag, am kommenden Samstag, dann um (fast) nichts mehr geht.
Herausragende Erkenntnis dabei: Nachdem Hannover 96 ja bereits seit Wochen als erster Absteiger feststeht, können aktuell mit Stuttgart, Bremen und Frankfurt nur noch drei weitere Teams absteigen. Allesamt große Namen, Traditionsteams mit großer Anhängerschar. Das ist bemerkenswert. Die ‚Underdogs‘ im Abstiegskampf haben sich inzwischen alle vorzeitig gerettet. Egal ob Ingolstadt, Darmstadt, Hoffenheim, Augsburg, die ‚Kleinen‘ bleiben allesamt der Liga über den Sommer hinaus für mindestens ein weiteres Jahr erhalten.
Besonders bitter gestern: Die Schiedsrichter griffen auf entscheidende Art und Weise in den Wettstreit der Teams ein. Mit zwei groben Fehlentscheidungen verschoben sich die Ausgangslagen der Clubs gestern möglicherweise entscheidend.
Während die Frankfurter Eintracht bei ihrem Heimerfolg gegen den BVB klar davon profitierte, dass den Dortmundern ein eindeutig regulärer Ausgleichstreffer durch Mats Hummels kurz vor der Halbzeitpause aberkannt wurde, musste Werder Bremen in Köln miterleben, wie der vermeintliche Führungstreffer der Hanseaten durch den Schiedsrichter aus unerklärlichen Gründen aberkannt wurde, es somit am Ende nicht zum angestrebten Sieg reichen sollte.
Die Hessen gehen somit mit einem deutlichen Vorteil in das direkte Abstiegsduell der beiden Teams am letzten Spieltag. Ihnen reicht, aktuell auf Rang 15 platziert, somit schon ein Unentschieden an der Weser zum sicheren Klassenerhalt.
So gut wie abgestiegen dürfte seit gestern hingegen der traditionsreiche VfB Stuttgart sein. Dieser hat nach der deftigen 2:6-Pleite vom Montag in Bremen nun auch sein so wichtiges letztes Heimspiel der Saison gegen Mainz 05 gestern mit 1:3 verloren.
Mit nun bereits zwei Punkten Rückstand auf die Bremer auf Rang 16, ist ein Sieg in Wolfsburg für die Schwaben nicht nur Pflicht, man ist dann auch noch auf die Ergebnisse der Konkurrenz angewiesen, wenn man nicht den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten will.
Kein Wunder also, dass die Stimmung rund um das Stadion in Stuttgart gestern sehr aufgeheizt war. Während die Fans ihrem Unmut nach der Begegnung in einem Platzsturm kundtaten, zeigte sich Ex-BVB-Kicker Kevin Großkreutz weinend vor den Kameras.
Großkreutz war zuvor einer der Gründe für die Pleite der Schwaben, war in seinem ersten Auftritt nach Verletzung offenbar noch nicht wirklich wieder in Form, verschuldete zwei Gegentreffer seines neuen Teams persönlich mit. Auch Mitch Langerak, der vor der Saison aus Dortmund in Richtung Schwabenland wechselte, feierte gestern einen Startelfeinsatz. Seine Top-Leistung bewahrte die Süddeutschen zwar vor einer noch höheren Niederlage, konnte den Absturz auf Tabellenplatz 17 aber letztendlich auch nicht verhindern.
Beiden Ex-Borussen droht somit der Makel eines Abstiegs am nächsten Samstag. Großkreutz hatte in den sozialen Netzwerken zuletzt bereits angekündigt, dem Team auch dann treu bleiben zu wollen. Was wäre das für ein Absturz! Vom Weltmeister zum Zweitligaspieler in nur zwei Jahren. Das wäre wirklich eine ganz harte Nummer!
Dass der FC Schalke 04 beim 1:1 gegen den FC Augsburg seine Chancen auf eine Champions League-Teilnahme gestern verspielte, das hatte ich ja schon ganz kurz thematisiert.
Doch die Begegnung in Gelsenkirchen hatte thematisch ebenfalls deutlich mehr zu bieten als das reine Geschehen auf dem Platz. So wurde am Samstag u.a. bekannt, dass S04 den Vertrag mit Trikotsponsor Gazprom frisch verlängert hat. Ein durchaus umstrittener Partner, den sich die Knappen da auch weiterhin mit ins Boot holen. Da können auch die gewünschten Millionenzahlungen nicht verdecken, dass es sich um einen Partner handelt, den viele Fans sicherlich zurecht kritisch beäugen, steht er doch nicht unbedingt für ein über jeden Zweifel erhabenes Image. Das der Schalker wird nun über weitere Jahre damit verknüpft sein. Ein Thema, welches eigentlich schon alleine mal wieder eine separate Betrachtung wert wäre.
Sportchef Horst Heldt wurde im Stadion nach sechs Jahren beim Club nun auch offiziell verabschiedet. Er ging, obwohl im letzten Sommer noch schwer in der Kritik, sogar mit Applaus der Fans in der Arena.
Pfiffe hingegen erntete Club-Boss Clemens Tönnies, der mit lautstarken Rücktrittsforderungen der Fans konfrontiert wurde, als er die Abschiedsrede auf Horst Heldt über die Stadionlautsprecher hielt. Die Neuausrichtung des Clubs durch Tönnies scheint im eigenen Lager nicht unumstritten zu sein.
Was nun aus Trainer Andre Breitenreiter wird, das ist aktuell noch nicht bekannt. Vieles deutet aktuell darauf hin, das auch er gestern bei seinem letzten Heimspiel auf Schalke agierte.
Ganz andere Diskussionen führt man derzeit nebenan in Dortmund. Die gestrige 0:1-Niederlage in Frankfurt war sportlich für die Borussen eher nebensächlich. Obwohl es natürlich bitter war, dass die erste Niederlage der Bundesligarückrunde eine so unnötige am 16. Spieltag des Jahres 2016 war.
Bei den Schwarzgelben interessieren sich die Fans derzeit eher für die Personaldiskussionen. Was wird aus Mats Hummels, was aus Ilkay Gündogan. Hummels soll angeblich nun doch ernsthaft überlegen in Dortmund zu verlängern, der für wahrscheinlich gehaltene Wechsel von Gündogan nach Manchester könnte durch seine Knieverletzung, welche ihn nicht nur den Rest der Saison, das Pokalfinale in Berlin, sondern auch die Teilnahme an der Fußball-EM in Frankreich im Sommer kosten wird, noch einmal ins Wanken geraten. Bleibt am Ende so auch Gündogan im Revier? Die nächste Woche dürfte hier vermutlich einige Klarheiten bringen.
Kurz erwähnt sei hier auch noch eine vermeintliche Kuriosität am Rande: Da trifft der Ex-Berliner Sandro Wagner zum 2:1-Siegtreffer von Darmstadt 98 in der Hauptstadt, was für die Lilien den Klassenerhalt bedeutete, doch dann fliegt der 28-Jährige anschließend mit Gelb-Rot vom Platz. Im TV-Interview nach dem Kick gibt sich Wagner dann erfrischen ehrlich, aber vollkommen egoistisch. Er wolle am Abend gar nicht mit dem Team den Klassenerhalt feiern. Er würde es bevorzugen direkt zu seiner Familie zu fahren. Überhaupt sei die Saison jetzt für ihn persönlich ja auch schon beendet, da er ja am letzten Spieltag ohnehin gesperrt sei. Und überhaupt war das vielleicht sein letztes Spiel für den Club, weil er im Sommer womöglich wechseln werde, so Wagner. Der verbale Albtraum für alle Fußballromantiker und -Traditionalisten. Aber so sind sie wohl inzwischen vielfach, die Herren Profikicker.
Trotzdem darf man sich als Fan bereits heute auf die letzten Saisonentscheidungen am nächsten Samstag freuen!
Ach ja, und nicht ganz zu vergessen: Herzlichen Glückwunsch natürlich auch von dieser Stelle an den FC Bayern München! Glückwunsch zu einem Titel, der in diesem Lande aktuell allerdings schon niemanden mehr so richtig zu interessieren scheint…
Wenn ich mir die 'Ehe' von Gazprom mit Schalke, oder die Allianz-, Iduna- und Postbankverträge etc. ansehe, dann habe ich nichts mehr gegen die sogenannten 'Plastikvereine' Leipzig, Leverkusen oder Wolfsburg.
Leipzig ist eine schöne Großstadt mit einem großen Umfeld, liegt im Osten und hat viele Fans. Es gibt keinen Grund, warum es da keinen Bundesliga-Fußball geben sollte!
@discipulussenecae: Ich persönlich mag zuschauerstarke Vereine. Und da gibt es zwischen den 'Werksclubs' durchaus erhebliche Unterschiede. Und bei den Werbepartnern bzw. Geldgebern gibt es auch durchaus Unterschiede. Und Du hast Recht, auch Wiesenhof (Bremen) und Netto (Bochum) sind Sponsoren über die man ruhig mal nachdenken sollte beim jeweiligen Verein.
@ Autor:
Was mir in der Beurteilung der Saison fehlt, ist die Qualitätsfrage: Da gibt es mit BM & BVB zwei fast gleichwertige Vereine, die Pokal & Meisterschaft unter sich ausspielen, gefolgt vom ewigen "Bayern-Jäger" Leverkusen. Darunter kämpft – im internationalen Vergleich gesehen und jetzt stark populistisch (au Backe!) gesprochen- Not gegen Elend. Jeder der jetzt international qualifizierten Vereine kann in der kommenden Saison auch schon gegen den Abstieg kämpfen. Bei keinem Verein -außer evtl. RB Leipzig-
ist eine Entwicklung zu beobachten, die eine über Jahre andauernde Leistungssteigerung verspricht, von einem Einnisten unter den ersten vier Plätzen ganz zu schweigen.
Diese Entwicklung der Bundesliga kann man bedauern, natürlich auch Uli Hoeneß und dem FCB anrechnen, im Ergebnis macht sie die Liga aber vor allem langweilig.
Wenn ich dann an meinen letzten Stadionbesuch und die Kosten dafür zurückdenke, fallen mir viele Dinge ein, die ich mit diesem Geld besser hätte machen können. Dies ist natürlich eine sehr persönliche Einschätzung, aber m.E. verläuft die Entwicklung in Fußball, Gesellschaft und Politik immer parallel. Die Entfremdung zwischen Volk und Parteien ist ähnlich der Entfremdung der Vereine zu Ihren originären Anhängern.
@Davbub: Dass die Liga, gerade auch an der Spitze, immer weiter auseinanderdriftet, das haben wir hier im Blog doch im Laufe der Zeit schon häufiger thematisiert und auch diskutiert. Im Archiv findet man da so einiges zu.
Und natürlich ist es für die Zukunft der Liga grundsätzlich bedrohlich was da gerade abläuft. Nicht umsonst stehen aktuell ja auch ausgerechnet Hannover, Bremen, Stuttgart und Frankfurt so tief im Keller. Kaiserslautern ist schon lange weg. Auch Düsseldorf hat aktuell wohl keine Chance mehr auf ein Comeback. Ist der Anschluss erst einmal abgerissen, dann ist es derzeit offenbar fast unmöglich wieder an die Spitze des nationalen Fußballs zurückzukehren, wenn man keinen großen 'Gönner' hat.