Ca. 550 Islamisten aus Deutschland kämpfen nach Angaben des Verfassungsschutzes gegenwärtig in Syrien und im Irak für die Terrororganisation Islamischer Staat. Es ist zu erwarten, dass weitere Radikale ausreisen. Einige Dschihadisten sind bereits in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Weitere Kämpfer werden versuchen, zunächst über die Syrische Grenze in die Türkei zu reisen, um anschließend den Flug nach Deutschland anzutreten.
Die Rückkehrer werden im medialen Diskurs in zwei Kategorien unterteilt: Einige Rückkehrer seien traumatisiert und desillusioniert. Andere werden als Veteranen versuchen, die Ideologie des eliminatorischen Dschihadismus zu propagieren oder Anschläge zu verüben. Die Ermittlungsbehörden werden im Zweifelsfall nicht nachvollziehen können, ob ein Rückkehrer zu den Geläuterten oder den Brandstiftern gehört. Die Vorschläge, wie mit diesen Anderen verfahren werden soll, schwanken von Resozialisierung über Abschiebung bis hin zur Dauerüberwachung.
Die Aktivitäten des Islamischen Staats in Deutschland werfen nicht nur das rechtsstaatliche Problem auf, wie ein Europa, das sich als eine Freiheitsordnung im Sinne einer offenen Gesellschaft versteht, seine Feinde bekämpfen kann. In der Suche nach einer effektiven und angemessenen Reaktion auf die Barbarei des Islamischen Staats werden wir auf uns selbst zurückgeworfen. Wie wir dem Problem des Islamischen Staats begegnen, hängt nicht nur von der Wirksamkeit der denkbaren Maßnahmen, sondern auch davon ab, wer wir sind und welche Prinzipien uns leiten. Diesen Gedankengang hat ein umstrittener Rechtswissenschaftler in seiner prägnantesten Form formuliert:
„Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.„
Der Urheber des Zitats ist Carl Schmitt, dem Waldemar Gurian den Titel des „Kronjuristen des Dritten Reiches“ verlieh. In der juristischen Fachliteratur wird er zu Recht mit dem Zusatz „der Unselige“ oder „geistiger Quartiermacher des Nationalsozialismus“ belegt. Dennoch kann man Schmitts eminenten Einfluss auf das allgemeine Staatsrecht nicht einfach ignorieren- konnte sein Werk doch „systematisch für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat fruchtbar“ gemacht werden, was der Schmitt-Schüler und spätere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde in seinem Werk eindrucksvoll bewiesen hat (vgl. Quaritsch, 1989).
Der Begriff des Politischen
Vielleicht könnte Schmitts Auseinandersetzung mit essentiellen Begriffen auch heute der wehrhaften Demokratie bei der Frage nach einer „politischen Reaktion“ auf den IS behilflich sein. Vor der Diskussion über die Reaktion ist es allerdings erforderlich, sich einen Begriff davon zu machen, was Schmitt unter dem „Begriff des Politischen“ versteht:
„Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind.“
Dabei ist die Feindschaft nach Schmitt die natürliche Folge gesellschaftlicher Gegensätze.
„Jeder religiöse, moralische, ökonomische, ethnische oder andere Gegensatz verwandelt sich in einen politischen Gegensatz, wenn er stark genug ist, die Menschen nach Freund und Feind effektiv zu gruppieren.“
Feindschaft als Säule des Islamischen Staats
Im Islamischen Staat als Epiphanie schöpferischer Impotenz hat sich ein solcher Gegensatz zu den liberalen Demokratien herausgebildet: Er ersetzt die Erfindung durch die Offenbarung, die Produktion durch den Raub, die Herrschaft des Rechts durch die Logik der enthemmten Gewalt. Er maßt sich das Recht über Leben und Tod der anderen an. Als Hersteller von Kadavern und Untermenschen, die er als Kuffar deklassiert, ist er (frei nach Camus) kein Diener eines Gottes, sondern nur des Todes. Mit dieser Agenda ist er selbst zum Scheitern verurteilt, selbst wenn man ihn gewähren lässt. Doch gegenwärtig schöpft die Ideologie seiner Führer ihre Anziehungskraft -zumindest auch- aus einer klaren Unterscheidung von Freund und Feind.
Vernichtung als Vollendung der Feindschaft
Schmitt setzt voraus, dass die Anwendung der Freund-Feind-Unterscheidung als Terrain des Politischen in letzter Konsequenz die Frage nach der Vernichtung nicht nur einer abstrakten Andersartigkeit, sondern immer auch des konkreten Anderen aufwirft:
„Die Begriffe Freund, Feind und Kampf erhalten ihren realen Sinn dadurch, daß sie insbesondere auf die reale Möglichkeit der physischen Tötung Bezug haben und behalten. Der Krieg folgt aus der Feindschaft, denn diese ist seinsmäßige Negierung eines anderen Seins. Krieg ist nur die äußerste Realisierung der Feindschaft.“
Die Feindschaft des identitären Projekts des Islamischen Staates gegenüber dem Anderen ist unbedingt. Nicht nur der äußere Feind wird als Ungläubiger bekämpft. Auch nach innen übt sich das selbsternannte Kalifat in der Auslöschung des Heterogenen in Gestalt des Apostaten, des Spions oder des Häretikers.
Der moderne Staat: Früher Soldat, gestern Polizist, heute Sozialarbeiter
Dass die offene Gesellschaft die Kämpfer des IS gleichermaßen als ihre Feinde versteht, ist trotz wortreicher Verurteilungen durch politische und gesellschaftliche Akteure nicht so eindeutig, wie es prima facie erscheint. Im medialen Diskurs wird zwar die Grausamkeit der Massaker des IS an Schiiten, Yesiden und Kurden vorgeführt und verurteilt. Bilder von Enthauptungen, Massenexekutionen, Versklavung und die verzweifelten Hilferufe aus Shingal und Kobane erschütterten die Welt und beließen nur wenig Raum für die Abwiegelung durch Kulturrelativisten. Dennoch wird der Duktus der Meinungsmacher nicht kämpferisch. Inhaltlich entsprechen die Vorschläge dem Rat eines Zahnarztes: Vorsorge und Nachsorge heißen die Gebote der Stunde.
Der Fanatisierung deutscher Konvertiten soll durch Prävention Einhalt geboten werden. Der Erfolg bleibt dabei fraglich. Das Aussteigerprogramm „Hatif“ („Heraus aus Terrorismus und islamistischem Fundamentalismus„) wurde jedenfalls von der Bundesregierung erst eingerichtet, dann mangels Nachfrage wieder eingestellt.
Die goldene Brücke in die Mehrheitsgesellschaft
Den Mördern und Vergewaltigern von Syrien soll dabei die goldene Brücke in die Mehrheitsgesellschaft nicht nur geöffnet werden. Oft ist zu hören, man solle sie an die Hand nehmen. Die Botschaft lautet: Wir lassen niemanden zurück! Darin liegt etwas Wahres. Die IS-Mörder und ihre Gehilfen sind nicht als Unmenschen auf die Welt gekommen. Die Kämpfer des Islamischen Staates haben oftmals unverschuldete Niederlagen, persönliche Tragödien und die Ausgrenzung aus der Mehrheitsgesellschaft erfahren. Vielfach haben gut geschulte, salafistische Prediger leicht beeinflussbare Jugendliche fanatisiert. Viele der Dschihadisten zogen nach Syrien, weil ihnen die Bilder der Grausamkeiten des Assad-Regimes nicht mehr aus dem Kopf gingen. Sie wollten die Verbrechen Assads beenden und nicht übertrumpfen.
Gute Absichten oder Beeinflussbarkeit sind nach Schmitt jedoch keine Kategorien, die bei der Unterscheidung von Freund und Feind Berücksichtigung finden dürfen. Die Psychologisierung der Täter überwindet nicht die Tiefe der Feindschaft.
„Der politische Feind braucht nicht moralisch böse, er braucht nicht ästhetisch häßlich zu sein; er muß nicht als wirtschaftlicher Konkurrent auftreten, und es kann vielleicht sogar vorteilhaft scheinen, mit ihm Geschäfte zu machen. Er ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines »unbeteiligten« und daher »unparteiischen« Dritten entschieden werden können.“
Pazifismus und Gesinnungsethik
Nach Schmitt beruht der Glaube daran, dass jeder Mensch vor den Anderen und sich selbst gleichermaßen gerettet werden kann, auf einem politischen Irrtum, der auf dem Fundament der komfortablen Gesinnungsethik errichtet wurde, mit der sich Margot Käßmann im Kontext der Diskussion über Waffenlieferungen an die Perschmerga diskreditierte:
„Wir können Solidarität durch Spenden zeigen. Von Brot für die Welt über das Rote Kreuz bis Misereor, gibt es Organisationen mit Erfahrung und Sachverstand, die alles tun, um das Leid von Menschen zu lindern. Auf ihren Einsatz für Menschen in Not können wir vertrauen. Nein, Waffenlieferungen sind meine Option nicht, auch wenn das nun politisch offenbar die Marschroute ist. Ich finde, es gibt schon viel zu viele Waffen auf der Welt. Das ist doch auch ein Zeichen von Hilflosigkeit, wenn im Namen des Friedens immer mehr Waffen eingesetzt werden sollen.“
Mit Politik hat dies jedoch nichts zu tun. Wenn Käßmann das Wesen des Politischen, mit Schmitt also den Vorbehalt der physischen Vernichtung der Feinde, ausschließt, muss sie Kauf nehmen, eines Tages in einer Welt zu erwachen, in der sie zwar keine Feindschaft, aber zahllose Massaker vorfindet.
Die offene Gesellschaft: Der geschwätzige Schwächling der Moderne?
Für den bequemen Glauben an eine Politik ohne die Kategorie der Feindschaft macht Schmitt den Liberalismus der parlamentarischen Demokratie, den Kapitalismus und eine „ethische Verseuchung“ des Politischen verantwortlich:
„Der Liberalismus hat in einem für ihn typischen Dilemma […] den Feind von der Geschäftsseite her in einen Konkurrenten, von der Geistseite her in einen Diskussionsgegner aufzulösen versucht. Im Bereich des ökonomischen gibt es allerdings keine Feinde, sondern nur Konkurrenten, in einer restlos moralisierten und ethisierten Welt vielleicht nur noch Diskussionsgegner.“
Diese Verachtung Schmitts für die Errungenschaften der liberalen Demokratien wird von den Ideologen des Dschihadismus geteilt und als westliche Dekadenz ausgelegt. So sagte Hassan Al-Banna als Vordenker des dschihadistischen Islamismus:
„Die früheren Reiche sind zugrunde gegangen, als sie nach Komfort und Wohlstand strebten und den Kampfgeist vernachlässigten. Denn in ihrer Umgebung sind andere Nationen in Erscheinung getreten, die weniger zivilisiert, dafür aber stärker und kampfbereiter waren als sie.“ (zit. nach Abdel-Samad, 2014).
Eine Kultur der Kollektivehre, des gewaltsamen Triumphes über den Feind und der Eliminierung des Heterogenen schließt ein Verständnis für die Prinzipien von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit aus. Dass aber auch die Spartaner des Islamischen Staats Religions- und Meinungsfreiheit in der offenen Gesellschaft für sich beanspruchen können, verspotten sie als offene Flanke ihrer Feinde und als Türöffner für die weltweite Barbarei des Kalifats. Die Grenzen zwischen Verhältnismäßigkeit und Appeasement sind oft schwer zu lokalisieren.
Auf dem Weg zum Feindstrafrecht
Der Islamische Staat will seine Feinde zu einer Entscheidung zwingen: Seid wie wir oder kapituliert vor uns! Die offene Gesellschaft aber darf es dem Islamischen Staat aber weder gleichtun, noch darf sie ihre Feinde recht behalten lassen. Ist eine Renaissance der Feindschaft im Sinne Schmitts damit unumgänglich? Ein gesondertes Feindstrafrecht scheint jedenfalls nicht mehr völlig fernliegend. Heribert Prantl meint, eine derartige Entwicklung in der Sprache der Gesetzgebung zu erkennen:
„Die politische Strafrechtsrhetorik ist schon seit langem eine Rhetorik der Militanz geworden, und die Bezeichnungen, die den Gesetzen gegeben werden, sagen es recht deutlich: Man redet nicht mehr von zu bestrafenden Bürgern, sondern von zu bekämpfenden und auszuschließenden Feinden. Die Gesetze heißen seit geraumer Zeit Bekämpfungsgesetze- Verbrechensbekämpfungsgesetz oder Terrorismusbekämpfungsgesetz oder Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz. Und mit fast jedem dieser Gesetze werden prozessuale Rechte abgebaut, die Voraussetzungen für Untersuchungshaft gesenkt, die Rechte der Verteidiger reduziert, der Zugang zum Verteidiger erschwert, die Telefonüberwachung und Beschlagnahme erleichtert.“ (Prantl, 2008)
Die innewohnende Gefahr des Feindstrafrechts liegt auf der Hand:
„Je heftiger sich eine Zivilisation gegen eine äußere Bedrohung zur Wehr setzt, je mehr sie sich einmauert, desto weniger hat sie am Ende zu verteidigen.“ (Enzensberger, 2015)
Das Dilemma: Die Wiedergeburt der Feindschaft
Kann man Schmitt daher beiseitelegen? Wohl kaum. Anschließen will man sich ihm ebenso wenig. Einen souveränen Umgang mit Schmitts Thesen hat Reinhard Mehring treffend charakterisiert: „Man lernt zwar von seinen Diagnosen, lehnt aber seine illiberalen Antworten ab“ (vgl. Mehring, 2006). Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung hilft, das Dilemma zu beleuchten: Die Dschihadisten lassen sich nur durch die Grausamkeit ihrer Feinde effektiv bekämpfen. Die größte Errungenschaft der offenen Gesellschaft ist aber die ernsthafte Bemühung, Grausamkeit und Feindschaft zu überwinden.
Das Dilemma mag ausweglos sein. Die Lage ist jedoch nicht hoffnungslos für den, der es erträgt, sich im Dilemma einzurichten. Doch das erfordert einen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden:
Die Überlegenheit der offenen Gesellschaft ist die Folge ihrer Fähigkeit, ihr eigenes Dilemma zu ertragen. Sie fußt auf den Vorteilen einer Vielfalt von Lebensweisen und Ideen in einer Streit-Kultur, die an die Vorläufigkeit des Wissens und den Wert der besseren Ideen glaubt. Dem Islamischen Staat ein eigenes identitäres Projekt entgegenzusetzen bedeutet, die großen Stärken der offenen Gesellschaft aufzugeben.
Die offene Gesellschaft hat dennoch Feinde, die sie klar benennen und mit allen Mitteln bekämpfen muss, die sie nicht selbst verrohen lässt. Die Feindschaft zwischen der offenen Gesellschaft und ihren Feinden ist jederzeit und klar zu benennen. Das erfordert, dass neben einer Willkommenskultur auch eine Kultur der zivilisierten Verachtung gepflegt werden muss.
Wer die Kategorie der Feindschaft verdrängt, läuft Gefahr, von ihr eingeholt zu werden. Gefährliche Verdrängungsmechanismen sind ein Staatsverständnis nach dem Leitbild der „akzeptierenden Sozialarbeit“, eine kulturrelativistische Haltung, die Psychologisierung der Täter, westlicher Selbsthass und eine naive Gesinnungsethik. Die offene Gesellschaft kann einen Feind nicht neutralisieren, indem sie ihn ent- oder sich beschuldigt.
Literatur
Abdel-Samad, Hamed: Der islamische Faschismus : Eine Analyse. 1. Aufl.. München: Droemer eBook, 2014.
Enzensberger, Hans Magnus: Versuche über den Unfrieden. Originalausgabe. Berlin: Suhrkamp Verlag GmbH, 2015.
Mehring, Reinhard: Carl Schmitt zur Einführung. 3. erg. Aufl.. Hamburg: Junius, 2006.
Mehring, Reinhard: Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen : ein kooperativer Kommentar. Berlin: Akademie Verlag, 2003.
Popper, Karl R ; Kiesewetter, Hubert: Gesammelte Werke : Die Offene Gesellschaft und Ihre Feinde. Band II: Falsche Propheten: Hegel, Marx und Die Folgen. 8. Aufl.. Tübingen: Mohr Siebeck, 2003.
Prantl, Heribert: Der Terrorist als Gesetzgeber: wie man mit Angst Politik macht. München: Droemer, 2008.
Quaritsch, Helmut: Positionen und Begriffe Carl Schmitts. Berlin: Duncker & Humblot, 1989.
Quaritsch, Helmut: Complexio Oppositorum : über Carl Schmitt. 1. Aufl.. Berlin: Duncker & Humblot, 1988.
Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen : Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien. 3. Auflage. Berlin: Duncker & Humblot, 1991. (PDF)
Schmitt, Carl: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. 5. Aufl.. Berlin: Duncker & Humblot, 1996.
Sehr differenzierte, unaufgeregte und fundierte Analyse, absolut lesenswert. Nur eines verstehe ich nicht – warum kürzlich Hamed Abdel-Samad mit seinem Buch "Der islamische Faschismus" in einem anderen Beitrag so schlecht weg kam …
Ein weiterer, hellsichtiger Artikel von Ihnen, Herr Hagen.
"Die Überlegenheit der offenen Gesellschaft ist die Folge ihrer Fähigkeit, ihr eigenes Dilemma zu ertragen. Sie fußt auf dem Vorteil einer Vielfalt von Lebenweisen und Ideen in einer Streitkultur, die an die Vorläufigkeit des Wissens und an den Wert der besseren Ideen glaubt."
1.
Dazu ein Einwurf – zu einem be- und nachdenkenswerten Beitrag-:
Ist "Überlegenheit" der hier angebrachte Begriff?
a.)
Wenn man an den Wert der eigenen Ideen als die besseren glaubt, legitimiert dieser Glaube Überlegenheit?
b.)
Führt die Wahrnehmung eigener Überlegenheit nicht zwangsläufig dazu, Andere und Anderes als unterlegen zu bewerten ? Und das hat Folgen!
Statt "Überlegenheit"…………….?
Ich denke darüber nach, welcher Begriff hier der angebrachte sein könnte.
2.
"Wert der besseren Ideen……."
a.)
Da morgen Pfingsten ist, darf ich auf einen Beitrag in der ZEIT hinweisen, der außerhalb gewohnter Betrachtungsweisen die Idee von der Gleicheit aller Menschen in der unantastbaren Würde jedes Einzelnen betont und diese menschliche Gleichheit als Gleichheit "in der Vielfalt von Lebensweisen und Ideen" versteht.
-sh. DIE ZEIT v. 21.5.2015, Nr.21, S.1- "Pfingsten eine Revolution" v.Thomas Assheuer.
Ich zitiere die Schlußsätze aus diesem Beitrag:
"…daß nur die Hoffnung auf ein säkulares Pfingsten bleibt, die Hoffnung auf ein politisches Wunder.Nicht das die Todfeinde plöztlich mit einer Zunge reden sollten; es würde völlig reichen wenn sie sich darüber verständigen, einandern nicht länger mit aller Macht zu bekämpfen, bis zum Äußersten. Denn sonst bliebe nur de ewige Kampf. Es wäre -inmitten der aufgeklärten Hochmoderne- die Wiederkeht grausamer Antike, gegen die die pfingstlichen Erzähung von zweitausenden Jahren in die Welt gesetzt wurde."
In diesem pfingstlichen Beitrag in DER ZEIT geht es also auch um den Glauben an den Wert bessere Ideen wider die Annahme eines "Ur-gesetzes"von der Unabdingbarkeit immer währender Feindschaften zwischen den Menscchen und Völkern, die sichüber die Jahrtausende "lediglich" in ihren Rechtfertigungen unterscheiden.
b.)
Der Beitrag des Gastautors und der pfingstliche Beitrag in der ZEIT lassen mich kritisch fragen, ob "in der westlichen Staatengmeinschaft", hier konkret in Deutschland, zunehmend nicht mehr nach der Legitimät demokratischer Staatsgewalt gefragt wird, also danach, welche unantasbaren Grundwerte das demokratische Staatswesen ausmachen und letztendlich alles staatliche Handlen legitimiern, sondern daß ein "rein legalistisches Denken"den demokratischen Staat mehr und mehr zu begründen scheint- und er sich nur noch dadurch von anderen Staatswesen unterscheidet, dh., die Legalität demokratisch begründeter Staatstätigkeit wäre dann dessen (einzige) Legitimation.
Deutschland und seine Nachbarstaaten liefern tagtäglich in ihrer Innen- und in ihrer Außenpolitik immer mehr und immer neue Gründe zu solch selbstkritischen Betrachtungen der Legitimät ihres Tuns oder Unterlassen.Jedenfalls scheint mir dieses Verhalten ein hinreichender Anlaß zu sein. selbstkritisch zu fragen, womit Deutschland u.a. "westliche Staaten" dann noch ihre Legitimation begründen wollen für "eine Kultur der zivilisierten Verachtung".
"die Idee von der Gleicheit aller Menschen in der unantastbaren Würde jedes Einzelnen betont und diese menschliche Gleichheit als Gleichheit "in der Vielfalt von Lebensweisen und Ideen" versteht."
Letzters ist ein gefährlicher Irrtum! Menschen haben die gleichen, unveräußerlichen Rechte, aber "Lebensweisen und Ideen" bzw. Kulturen und Ideologien sind nicht gleich, sondern verschieden. Wie verschieden, sieht man am Vergleich der offenen Gesellschaften des Westens mit den sektiererischen und unfreien Gesellschaften, die den Nahen Osten dominieren.
Guter Artikel, eine Leerstelle: Wie entsteht so ein „intensiv existentiell Fremdes“? Oder entsteht es gar nicht, „ist“ es einfach nur?
Das Schmitt-Zitat – >> Er ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist … << – ist ja nun auffallend tautologisch. Oder eben "identitär“: Etwas ist, weil es ist, was es ist.
Eine solche Diagnose ist denkfaul, wissen wir alle. Also verstehe ich nicht, was sich aus dieser schmittschen "Diagnose" [so ja das zustimmend zitierte Mehring-Summar] irgend lernen ließe.
Dass Gesinnungsethik dumm sei? Im Artikel oben schließt diese Einsicht unmittelbar an, sie kommt wie eine Schlussfolgerung daher und mag, tagespolitisch gesehen, häufig zutreffen – aber verdankt sich diese Einsicht tatsächlich dem schmittschen „Feind-Sein“? verdankt sie sich einem meta-politischen Zusammenhang, einem überzeitlichen [„existenziellen“] Begründungshorizont, dessen einzige Logik lautet: Der „Feind“ ist „feindlich“, weil er feindlich „ist“?
Natürlich nicht. Allerdings wird das oben angedräut – dass wir das Feind-„SEIN“ in die realpolitische Kalkulation hinein nehmen sollten als eine „existenzielle“ Kategorie, früher hätte man gesagt: das Böse. An eben dieser Stelle aber, an der sich ja weiter denken ließe, springt der Text ganz unverhofft aus dem schmittschen Freund-Feind-Muster heraus und führt die "zivilisierte Verachtung" ein: Sie sei ein realpolitisch praktikables Handlungsmuster.
Was für sich genommen wiederum okay ist. Voraussetzung für eine Strategie der Verachtung allerdings wäre, dass man akzeptierte, dass es zwar de facto Feinde gibt, die aber keine Feinde "sind", wenn anders es keinen Sinn hätte, sie zu verachten. Denn worauf zielte die Verachtung? Dass man die Feinde als "Feinde" verewigte? Das wäre Schmitt.
Dass man sie zu Freunden machte? Eine andere Legitimation als diese, die schwer gesinnungsethisch scheint, kann zivilisierte Verachtung für sich nicht reklamieren.
Wozu Schmitt?
Vielleicht muss man den Begriff der Feindschaft von seiner existenziellen Seite befreien und prozessual begreifen. Feinde werden gemacht, ja sie machen sich selbst dazu. Feind sein ist eine Entscheidung, die grundätzlich rückgängig gemacht werden kann, bzw. nicht auf immer gilt. So kann dann auch Fremd- und Feindsein voneinander getrennt werden, denn auch ehemalige Freunde können zu Feinden werden und umgekehrt.
Feindschaft ist dann ein Handlungskonzept das selbst verhandelbar ist. Was nicht bedeutet, dass das immer geht. Wer Verhandlungen ausschließt, bleibt Feind so lange er das tut. Konkret: Wer die offen Gesellschaft zu seinem Feind erklärt und auf ihre Vernichtung aus ist, dessen eigene Vernichtung wird nicht prinzipiell ausgeschlossen. Für die offen Gesellschaft darf ihre Feindschaft gegenüber ihren Feinden jedoch nicht existentiell und damit ewig sein oder werden, auch wenn sie das umgekehrt für ihre Feinde ist.
Selbst wenn die Feinde der offenen Gesellschaft ihre Feindschaft für unverhandelbar halten, so muss die offene Gesellschaft ihre Feindschaft gegenüber ihren Feinden immer wieder mit sich selbst verhandeln. Sie muss sozusagen die Hoheit über ihr eigenen feindliches Handeln behalten um ihre eigene Freiheit zu bewahren. Verachtung – selbst zivilisierte – hilft dabei nur wenig, denn genau diese könnte dafür sorgen, diese selbstreflektive Handlungshoheit zu verlieren.
Ich will anhand eines ganz bestimmten Punkt auf die Vorteile einer offenen, meinethalben auch "überlegenen" Gesellschaft hinweisen.
In der Bundesrepublik wurde, anfangs durchaus verhalten. die NS-Zeit aufgearbeitet. Da lief vieles daneben, aber mit den Auschwitzprozessen ab 63 kam da einiges in Gang. Ein Politiker, der sich da daneben benimmt, ist weg vom Fenster, auch und gerade heute. Von der strafbewehrten Holocaustleugnung gar nicht zu reden. Dieser Umgang mit der geschichtlichen Schande unseres Landes ist gewiss auch das Ergebnis einer offenen Gesellschaft. Nun das Gegenbeispiel. Der Volksdeputiertenkongress der SU hat 89 den Moskauer Vertrag mit Nazideutschland als rechtswidrig und von Anfang an für ungültig erklärt. So weit, so gut. 2006 forderte Lettland eine Entschuldigung für die Plünderungen, Deportationen und Morde der Sowjets 39/40. Die Antwort des Schnellmilliardärs Putin ist dreist und zeugt von keinerlei Offenheit: "Was will man den noch? Sollen wir das jedes Jahr wieder neu verurteilen?…Wir haben uns einmal dazu geäußert, das genügt. Und: "Man darf nicht zulassen, dass die Toten den Lebenden dauernd in den Arm fallen, sie am Vorwärtsschreiten hindern." Und bekannt offen, dass dieser "Vertrag den Sicherheitsinteressen der SU entsprach".
Die russische Historikerin Dr. Tatjana Timofeeva von der Lomonosov -Universität schreibt der Zukunft zugewandt 2009: " Wer dem heutigen Russland eine andere Sicht der historischen Rolle vertritt, stößt auf offene Feindseligkeit. Dies betriff insbesondere die Länder, die früher zur UdSSR und zum kommunistischen Block gehörten. Und in den der Zusammenbruch des sowj. Imperiums als Befreiung und als Anbruch einer neuen historischen Epoche empfunden wird. Die Suche nach Gegner und > inneren Feinden< , die an allem heimischen Unglück schuld sein sollen, ist ein Teil des Erbes, dass die russländische Gesellschaft aus der Sowjetzeit übernommen hat. Die Tatsache, dass die gegenwärtige politische Elite Russlands dem Pakt solche Pietät entgegenbringt, zeigt, dass auch in der heutigen russländischen Außenpolitik die Anhänger der sog >Realpolitik<, die auf dem Primat brutaler Politik in den internationalen Beziehungen basiert."
Ich finde unsere "offene" und "überlegene" Gesellschaft durchaus und nicht in diesem Falle im Vorteil.
Danke für die vernünftige Beurteilung Schmitts. Er hat sich ja, klug wie er war, selbst als Nachfolger von Macchiavelli gesehen: auch einer, dessen Problemdiagnosen überzeitlich sind, obwohl seine politischen Lösungsvorschläge zeitgebunden waren.
Schmitts ersten Satz halte ich für völlig richtig: Politik ist Konflikt, in dem jeder von uns Verbündete und Gegner unterscheiden muss.
Schmitz zweiten Satz halte ich für falsch. Fremdheit für sich schafft nicht notwendig Konflikte, soweit kein Interessengegensatz (Konkurrenz um Ressourcen) hinzutritt. Insofern hat Schmitt das Konkurrenzproblem unterschätzt.
Auch heute wird m.E. die Interessenfrage unterschätzt. Zum einen das (legitime) Interesse der Salafisten i.e.S., an irgendeinem Ort der Welt ungestört nach ihren Vorstellungen leben zu dürfen. Zum anderen die ganz weltlichen Interessen der vielen anderen, die sich den Salafisten aus praktischen Gründen angeschlossen haben, wie z.b. die früheren Baathisten (Saddam-Anhänger) im Irak.
Statt die Interessenlagen zu präzisieren, wird viel zuviel herumpsychoanalysiert (vgl. Weigle und Timofeeva). Das Unterbewusste ist nun mal nicht offenkundig, und so kann man in den zu bekämpfenden Anderen hineininterpretieren, was immer man gerade möchte – einschließlich von solchen Motiven, die man bei sich ablehnt und daher auf andere projiziert.
Wie Arnold Voss in #8 schon angedeutet/festgestellt hat, ist das ganz große Defizit einer Annäherung über Schmitt, dessen dualistisches und dadurch statisches Weltbild.
Eine liberale Gesellschaft kann auf diese binär versimpelte Weltsicht nur abgrenzend berücksichtigend eingehen.
Liberale Gesellschaften feinden nicht an, sondern werden angefeindet und, das ist eine Lehre der Geschichte, dürfen sich soweit wehren, bis der "Feind" aushaltbar ist. Der liberale Staat ist darum immer Zumutung und nie Wellnessoase. Dazu gehört, daß die Grenzen der "Aushaltbarkeit" auch innerhalb der liberalen Gesellschaft immer wieder neu diskutiert, definiert und ausgehandelt werden. Liberalität ist also auch nicht status quo, sondern Prozeß.
Das Problem einer Käßmann und eines Schmitt ist, daß sich die eine wie der andere in ihrer Nische der Behaglichkeit einrichten. Weder die eine noch der andere können Sicherheit garantieren, sie offerieren dafür bestenfalls spezifische Illusionen der Sicherheit bzw. einer für sie selbst aushaltbaren Unberührtheit. Für diese sedierende Illusion ist man gerne bereit die Zumutungen der Liberalität und die Liberalität selbst zu opfern.
Auf seine Weise ist Carl Schmitt genauso ein Wattebäuschchenwerfer wie Käßmann, seine Schmerzgrenzen liegen nur auf völlig anderem Terrain. Carl Schmitt war sicher ein cleverer Macchiavelist, aber für einen Liberalen ist er auch ein den begrenzten Funktionalitäten frühneuzeitlichen Denkens verhafteter dummer Arsch.
Eine Strategie der "Verachtung" wird nicht zum Ziel führen, dafür ist die Interessenlage der IS-Aktiven viel zu heterogen.
Ein gut Teil gerade der deutschen Teilnehmer dürfte in ihrer Motivation von nicht wenig erlebter Verachtung und Selbstverachtung geprägt sein. Zumindest legt der soziale Hintergrund dieser Personen eine solchen Annahme nahe. Der psychologische Dienst des LKA und z. B. die Fachkräfte der IFAK in Bochum stimmen darin überein, daß der deutsche IS-Anhänger genausogut Neonazi sein könnte und die Gruppenzugehörigkeit eher zufällig zustande kommt. Allen gemein ist eine stark unterentwickelte Resilienz. "Verachtung" kann also wenn überhaupt im Rahmen einer wohldurchdachten Taktik zum Tragen kommen, wenn sie nicht kontraproduktiv verstärkend wirken soll. Hier in Deutschland besteht die Herausforderung offensichtlich und tatsächlich vordringlich in einer (Re-)Sozialisierung der Betreffenden jenseits ihrer primitiv strukturierten, distopischen Peergroups. Da Liberalität kein Selbstzweck ist, sondern u. a. auch der Praktikabilität und Funktionalität verpflichtet ist, halte ich die bisher eingeschlagenen Wege im Sinne der Liberalität für geboten und Abweichungen davon für eine die Nerven verlierende, wattebäuschchenwerfende Hysterie und dies gerade auch dann, wenn sie kernig, restriktiv mit Freund/Feind-Rhetorik daher kommt.
Davon völlig unbenommen werden und sollen strafrechtlich Relevante Taten der Betreffenden auch entsprechend geahndet werden.
Fröhlich stimmen mich natürlich alle diejenigen, die hier für eine selbstreflexive und damit auch selbstkritische liberale Bundesrepublik eintreten.
Deshalb mein Vorschlag: Könnten wir nicht die "offene Gesellschaft" als Ideal behandeln und darauf verzichten, so zu reden, als ob die real existierende Bundesrepublik (oder irgendein real existierender westlicher Staat) per se schon "die offene Gesellschaft" repräsentiert?
Um 1945 war das alles etwas einfacher. Heute ist Russland viel freier als unter Stalin und umgekehrt Großbritannien viel weniger frei als unter Churchill (und Cameron hat ja gerade erklärt, dass er die traditionelle englische Freiheit noch weiter abbauen will).
Die Frage bleibt: Wozu Schmitt? Wozu eine Ontologie des Feindes?
@ Helmut Junge # 15
Das Gleichsetzen von Fremdheit und Feindschaft bei Schmitt öffnet schon vom Grundsatz dem Rassismus Tür und Tor. Die von Thomas (Wessel) bei Schmitt richtig festgestellte Ontologie des Feindes (# 13) ist im Kern nichts anderes als Rassismus. Der totale Feind bedeutet dabei nichts anderes als den totalen Krieg und davon gibt es nun mal keine kleinen Dosen.
@ Helmut Junge Danke für Deinen erhellenden Kommentar zu Herrn Schmidt. Ich war mir nicht sicher, ob es der Nazi-Schmitt war und zu faul selber nachzuschlagen, auch weil u.a. ich an einem Artikel über evangelische Erziehungsarbeit im Moor sitze. Nochmals Dank!!!
Carl Schmitt ist für mich nach wie vor einer der überragenden intellekutellen Köpfe des 2o.Jhd. in Deutschland, nicht nur bezogen auf die Rechtswissenschaft. Diese Feststellung hat nichts damit zu tun, ob ich die Ideen, die Carl Schmitt "produziert" hat, teile oder nicht.
Vieles von dem, was er als Rechtswissenschaftler gedanklich erarbeitet und zu Papier gebracht hat findet weiterhin Beachtung -in der Rechtswssenschaft, im Staatsverfassungs- und im Völkerrecht. Auf Letzeres bezogen sind seine rechtsphilosohischen Ideen, ist die daraus entstandene "Rechtssystematik", z.B. über Kriege, über Recht und Krieg, Kriegslegitimation weiterhin höchst aktuell und und international immer wieder, immer auf's Neue in der Diskussion, auch wenn dabei nicht immer C.Schmitt als "Ideengeber" benannt wird.
Auch das stelle ich "wertungfrei" fest.
A b e r …………..
In Vielem teile ich die Auffassungen von Carl Schmitt ganz und gar nciht.
Ohne darauf im einzelnen einzugehen, so scheint mir, haben meine in vielem anderen Auffassungen
-rechtsphilosophischer Natur, aber auch in den daraus folgenden konkreten Betrachtungen über den Staat, über Legitimation und Legalität von Staatsgewalt, über die von ihm vertrenen Meinung, daß der demokratische Staat nicht zugleich Rechtstaat zu sein ha und,und, und……-
Ihre Wurzeln darin, daß Carl Schmitt keine "natürlichen, vor – und überstaatlichen Rechte", also keine weltweit als die jedem Menschen "angeborenen" grundlegenden Rechte akzeptiert, sondern nur das vom Staat gesetzte Staatsverfassungsrecht nebst allen daraus resuliternden und damit zu vereinbaren rangniedrigen Rechtsnormen.
Insofern hat der "Rechtspositivist" Carl Schmitt auch nach 1945 ganz wesentlich die Diskussion mitbestimmt, die die "Mütter und Väter" des GG geführt haben, als es darum ging, ob und inwieweit die "Idee des Naturrechtes" Fundament des deutschen Verfassungsrechtes werden sollte oder ob "man" nicht doch dem "rechtspositivisten Denken" folgen sollte.
Und insofern bin ich letztendich "ein entschiedener Gegner" Carl Schmitts, da für mich die Idee "von den natürlichen Grudnrechten aller Menschen als vor- und übrerstaatliches Rechte" die unverzichtbare Grundlage jeder menschenwürdigen, jeder gerechten Staats- und Geselslchaftsordnung ist.
Wenn bezogen auf C.Schmitt dessen Antisemitismus und desen Rassismus angesprochen wird, dann zurecht. "Antisemit und Rassist", ich komme jetzt wieder auf meine Grundsatzkritik an Schmitt zurück, hätte er nicht sein können, wenn er der Idee von den "natürlichen Grundrechten aller Menschen weltweit" gefolgt wäre.
Mehr politische und kulturelle Kampfbereitschaft gegenüber totalitären Gesellschafts-, Herrschafts- und Religionskonzepten würde mir schon ausreichen. Wenn es dann wirklich zu einem ersten terroristischen Angriff in Deutschland kommt, wird sich zeigen, ob es auch im Staatsapparat genügend kampfbereite Kräfte gibt. Die Geschichte der NSU-Morde macht mich diesbezüglich jedoch eher skeptisch.
Walter, Danke für diese Erklärung. Ich hatte mir so etwas Ähnliches schon selbst zusammengereimt, natürlich ohne in der vergangenen Nacht die dazugehörige Literatur gelesen zu haben.
Ich bin dieser Thematik immer aus dem Weg gegangen. Selbst in den Jahren als Schöffe hatte ich nicht das Gefühl, daß mir auf diesem Gebiet etwas entgehen könnte.
Ich möchte zwar immer gerne alles verstehen, aber das Leben ist einfach zu kurz. Insofern freue ich mich aber immer, wenn ich auf solch einfache Weise , wie das hier im Bloq möglich ist, etwas Neues zu entdecken und dazuzulernen kann, und zwar so ganz nebenbei, ohne große zeitliche Investition. Ja, das Thema ist sehr komplex, aber wenn ich wichtigsten Diskurse innerhalb des Rahmens der dritten Staatsgewalt nicht kenne, scheint mir doch einiges zu entgehen. Wenn Carl Schmitt dort diskutiert wird, obwohl er eindeutig ein Rassist war, könnte ich sagen "weg mit den Juristen!", aber das brächte vermutlich nicht den gewünschten Erfolg.
Ich hatte schon angedeutet, daß solche Diskussionen, wie sich das Strafrecht auf neue Herausforderungen einstellen soll, m. E. seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten geführt werden. Sie liegen also auf Lager. Darum sind die Politiker so schnell, wenn ihrer Auffassung nach neue gesetze dringend notwendig sind. Sonst könnte ich mir deren Tempo zu gewissen Zeiten nicht erklären.
Ich fürchte nur, daß weitere Verschärfungen de Strafrechts unser Leben stark beeinträchtigen können. Und wenn nur ein Bruchteil dessen käme, was ich mir nach dieser Diskussion ausmale, werden wir im Falle eines Falles, große Freiheitsanteile verlieren. Das macht mir jetzt doch Sorgen. Aber ich bin überzeugt, daß das, was wir bisher als Strafrecht haben, ausreichen wird, wenn es nur konsequent durchgesetzt wird.
@ Arnold Wie war das eigentlich im Deutschen Herbst? Da ging doch schon ziemlich die Post ab, so in Richtung starker Staat und Abschaffung von oder zumindest das Infragestellen von Bürger-und Verteidigerrechten.. Und ein wenig Lynchstimmung lag auch in der Luft.
Wir brauchten über dieses Thema vermutlich gar nicht diskutieren, wenn Politik und Behörden zeigen würden, daß sie zu ihrer Aufgabe auch die Befähigung haben. So aber befürchte ich nun mal, daß es einmal zum Knall kommt und dann der Ruf nach einer "harten Hand" hysterisch laut wird. Was dann kommen wird, ist dann aber keine Kampfbereitschaft des demokratischen Staates, sondern repressive " Infragestellung von Bürger- und Verteidigerrechten", also in etwa das, was Herr Schmitt sich für solche Fälle so ausgedacht hat.
Wer das nicht will, muß eigentlich darauf drängen, daß diese Behörden und Politiker jetzt (!) ihre Aufgaben erfüllen.
Schmitts Bedeutung liegt doch darin, dass er scharfsinniger Beobachter und Analytiker war. Und zwar gerade einer, der die Probleme und inneren Widersprüche der liberalen Demokratie aufdeckte und auf den Begriff brachte – einer der großen sozialwissenschaftlichen Entdecker.
Es ist immer schade, wenn Wissenschaftler nicht nach ihren Leistungen beurteilt werden, sondern nach ihrer Gesinnung.
Und was ihn für einige Marxisten interessant machte, ist seine Ideologiekritik: gegen Gruppeninteressen, die sich den Anschein des Allgemeininteresses geben ("wer Menschheit sagt, will betrügen").
[…] Dieser Artikel erschien zuerst am 23. Mai 2015 bei den Ruhrbaronen. […]