Beim Titel „Der goldene Schnitt – Ein Fest für die Vorhaut“ könnte man beinahe annehmen, es handele sich um die neue Trash-Fantasie eines Wenzel Storch, wäre der nicht auf den Katholizismus abonniert. Tatsächlich ist für die Uraufführung am 16.4. im Studio des Dortmunder Hauses Tuğsal Moğul verantwortlich, der beim vergangenen NRW-Theatertreffen mit seinem Stück „Die deutsche Ayşe“ den Publikumspreis gewann. Moğul ist nicht nur Theatermacher aus Münster, sondern auch Anästhesist. Das ist in sofern bedeutsam, als in seinen Arbeiten sowohl Medizin als auch Migration oftmals eine Rolle spielen – so auch hier.
Das Studio des Schauspielhauses ist mit Luftballons und Lamettagirlanden dekoriert. Judith und Ibrahim haben den Raum gemietet, um hier die Beschneidung ihres Sohnes zu feiern. Das Publikum sind die Gäste, die zunächst umfangreich begrüßt werden und einander als angereiste Verwandte, Freunde und Kollegen vorgestellt werden. Ibrahim ist türkischer Abstammung und Anästhesiearzt, Judith ist Bosnierin mit teilweise jüdischen Wurzeln und arbeitet im gleichen Krankenhaus wie ihr Mann. Mit dem medizinischen Vorgang der Beschneidung sind beide aus ihrer Arbeit vertraut, da beide Muslime sind, steht die Beschneidung des Sohnes nach muslimischem Ritual zunächst außer Frage. Es wird getanzt, gesungen und getrunken, während der Sohn noch auf einer Spritztour durch Dortmund unterwegs ist. Doch dann bekommt Ibrahim Zweifel, zunächst, ob die Eltern die Entscheidung über die Beschneidung eigenmächtig treffen dürfen, dann hinsichtlich medizinischer Risiken. Für Judith ist der Fall jedoch klar, das Beschneidungsritual ist unumgänglich, um den Sohn zum vollwertigen Mitglied der muslimischen Gemeinschaft zu machen und als Teil der gemeinsamen Tradition wichtig als Ausdruck der eigenen Identität. Der Streit eskaliert, Ibrahim bricht die Beschneidungsfeier ab, doch dann bereitet sich der Sohn in einer traumartigen Sequenz selbst zur Beschneidung vor.
So reizvoll der Anfang mit seinem klugen Setting ist, so sehr wird das Stück doch schnell zu einem etwas spröden Austausch nicht allzu origineller Argumente für und gegen das Ritual der religiösen Beschneidung. Etwas unglücklich ist dabei, dass der Mann die Position des Beschneidungsgegner besetzt, in der er ohnehin stärker ist, da nun mal Männer eine intensivere Beziehung zu Vorhäuten haben als Frauen. Zudem reagiert Judith beim ersten Aufkommen von Ibrahims Zweifeln irrational und zickig, was ihre Position im weiteren nachhaltig schwächt. Und wer die Diskussion um die religiöse Beschneidung in den vergangenen Jahren verfolgt hat, hört an diesem Abend auch keine neuen Argumente. Zumal es nur um die muslimische Beschneidung geht und das weitaus größere Problempotenzial der jüdischen Säuglingsbeschneidung bis hin zu medizinisch höchst bedenklichen ultraorthodoxen Riten ausgespart wird.
So bleibt „Der goldene Schnitt“ ein unterhaltsamer Abend, aber doch nur ein etwas oberflächlicher Einführungskurs in die Diskussion um religiöse Beschneidung, obwohl sich Jasmina Musić, Murat Seven und nicht zuletzt Murat Majedzadeh mit viel Engagement in ihre Rollen werfen.
Nächste Vorstellungen: 22., 28.4., 14., 29.5.