
Am Ende waren es 513 Stimmen, mit denen die größte Neuverschuldung der bundesdeutschen Geschichte angenommen wurde. Um nicht über Schulden zu sprechen, verklausulierte man die Rekordsumme als „Sondervermögen“.
Es sollte keine zwei Wochen dauern, bis Friedrich Merz sich an seine Versprechen zur Haushaltsdisziplin nicht mehr erinnern wollte. Es dürfte historisch einmalig sein, dass einem designierten Kanzler ein solcher Schritt gelang, noch bevor die Regierungsbildung abgeschlossen war.
Einmalig ist auch die Genese: Da er im neugewählten und somit legitimierten Bundestag keine Mehrheit hätte, drückte Merz die wohl weitreichendste Verfassungsänderung der Neuzeit mit Mehrheiten im alten Bundestag durch.
Protest, auch aus den eigenen Reihen, interessierten den designierten Kanzler dabei scheinbar nicht. Die Junge Union München-Nord kommentierte den Schritt mit „Ba-Ba-Banküberfall“, einer Referenz auf den Song der EAV. Der Coup war teuer erkauft, da Merz für den Schritt die Stimmen der bei der letzten Bundestagswahl abgestraften SPD und eingebrochenen Grünen benötigte. Überhaupt gelang es Merz, die eigene, scharfe Rhetorik in Rekordzeit zu vergessen. Am Ende gelang es den Grünen sogar, Merz dazu zu drängen, Klimaneutralität bis 2045, wenn auch verklausuliert als „Investitionsziel“, ins Grundgesetz zu schreiben. Ein fulminanter Sieg der Grünen, für den es, mit Blick auf das Wahlergebnis, keinerlei demokratisch legitimiertes Mandat gibt.
Der Passus wird NGOs mutmaßlich dazu dienen, Investitionsprojekte zu beklagen, bei denen Klimaschutz nicht als absolute Kernkomponente ausformuliert wird. Wie Merz die vor der Wahl zugesicherte Wirtschaftsstärkung der Bundesrepublik so absichern will, ist völlig unklar.
Auch auf die derzeit laufenden Koalitionssondierungen hatte der Pakt Einfluss. Scharfe Begrenzung der Migration, Grenzschutz, Kernkraft, Ausgabendisziplin – nichts davon schaffte es ins Sondierungspapier. Dafür geht die abgestrafte SPD mit breiter Brust in eine Koalition, in der sich Merz sich und die CDU selbst verzwergt haben. Das Maß, in dem der designierte Kanzler seine eigene Regierung schon vor der Vereidigung um das Vertrauen gebracht hat, ist beispiellos.
Überhaupt: Die Begriffe „Vertrauensverlust“, „Politikverdrossenheit“ verbieten sich für die künftig von Merz geführte Koalition von ganz alleine. Wohl niemals zuvor konnte man die Begriffe „Betrug“ und „bewusste Lüge“ so treffend und konsequent auf politisches Geschehen anwenden. Selbst Gregor Gysi kommentierte: „Die Bevölkerung fühlt sich wieder betrogen. Wieso können diese Politiker nicht vor der Wahl die Wahrheit sagen?“
Demokratisch ist die Abstimmung wohl die größte Hypothek der bundesdemokratischen Geschichte. Selbstverständlich protestierte die AfD gegen das Schuldenpaket, hinter den Kulissen dürfte gefeiert werden. Die Partei profitiert seit Jahren von gebrochenen Zusagen, mangelnder Aufrichtigkeit und inszeniert sich als Gegenentwurf zu einem „Altparteienkartell“. Ein Narrativ, dem Merz heute erheblichen Vortrieb geleistet haben dürfte.
In einer aktuellen FORSA-Umfrage steht die AfD noch 4 % hinter der CDU. Wie Merz die Wähler, die die CDU als konservativ-bürgerlichen Gegenpol zur AfD gewählt haben, künftig überzeugen will, bedarf viel Fantasie.
Sollte es dazu kommen, dass die AfD aus der nächsten Bundestagswahl als stärkste Fraktion hervorgeht, wird man an den 18.03.2025 denken – und an den persönlich Verantwortlichen:
Friedrich Merz.