Das Internet. Ein Mann verfasst einen Artikel zum Krieg der Männer gegen die Frauen. Eine Frau antwortet darauf. An beiden Texten lässt sich Kritik üben. Eine weitere Frau versucht, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Sie setzt sich für geraume Zeit an ihren Schreibtisch, und schreibt folgenden Text. Von unserer Gastautorin Veronika Kracher.
Bevor man, wie Martin Niewendick es tut, den „Krieg gegen die Frauen“ am Beispiel von Morden nicht erklärt, aber versucht durch die Aufzählung widerwärtigster Gewalttaten zu belegen, sollte sich intensiver mit dem Begriff, seiner Geschichte und seiner Vielschichtigkeit auseinander gesetzt werden. Der Krieg gegen die Frauen manifestiert sich nicht nur im Mord, sondern fungiert auf allen erdenklichen Ebenen des die Gesellschaft durchdringenden, omnipräsenten Geschlechterverhältnisses. Allein schon deshalb ist es meines Erachtens verfehlt, diesen Krieg mit der Auflistung von Leichen aufzuzeigen, da nur eine theoretische Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen das nötige Rüstzeug liefert, um in die Schlacht ziehen zu können – wenn man es denn auch wirklich vorhat.
Sei es das ungewollte Angestarrtwerden in der Bahn, der wie beiläufig erscheinende Körperkontakt im Club, die sexistische Anmerkung einer Lehrkraft, Mädchen seien in naturwissenschaftlichen Fächern nun einmal nicht so begabt, die Reproduktion antiquierter Rollenvorstellungen in Kinderbüchern, die ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, die Vergewaltigung, Mord und Totschlag: all das sind Mittel, mit denen dieser Krieg geführt wird. Indem lediglich von seinen schlimmsten Auswüchsen berichtet wird, werden die alltäglicheren Schauplätze verschleiert – im Vergleich zu einem Mord ist der Grabscher doch schließlich nicht so schlimm.
Mit der „King-Kong-Theorie“ der französischen Autorin und Regisseurin Virgine Despentes würde ich den Krieg der Geschlechter als einen Allgemeinzustand bezeichnen, in dem eine Frau mit der permanenten Angst lebt, dass ihr, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen, unvermeidlich Gewalt angetan wird – weil man(n) sie als Frau wahrnimmt. Dass diese allumfassende Gewalt partiell geleugnet wird, erachte ich unter anderem als Selbstschutz: Ihre Anerkennung wäre psychisch kaum zu ertragen. Niewendicks Fassungslosigkeit aufgrund der von ihm aufgezählten Fälle ist verständlich, verunmöglicht jedoch eine Analyse von den Ursachen der Morde. Der „pure Hass auf Frauen, gepaart mit einer Blutrünstigkeit, einer Willkür, einer rasenden Mordlust, die rational nicht erklärbar ist lässt sich mit einer im Betroffenheitsjargon eines Franz Josef Wagner daherkommenden pathetischen Aufzählung auch nun wirklich nicht erklären.
Ich versuche an dieser Stelle, Abhilfe zu leisten. Erstens wäre es ein Fehlschluss zu glauben, dass der Tod der Frau das erklärte Ziel dieses Krieges wäre – schließlich braucht das männliche Subjekt nach wie vor das im nicht-männlichen Körper verortete Andere, das man sich zu Eigen machen kann. Er ist „lediglich“ einer seiner Auswüchse. Auch Mercedes Nabert entgeht in ihrem Text unter anderem die grundlegende Erkenntnis, dass physische Gewalt immer mit Männlichkeit assoziiert wird und als legitimer Aspekt von Männlichkeit gilt . Sie ist tragischer Weise grundlegender Bestandteil einer männlichen Sozialisation; das permanent durch die sowohl im Kapital- als auch im Geschlechterverhältnis sich artikulierenden gesellschaftlichen Widersprüche verunsicherte und bedrohte männliche Subjekt bedarf ihrer, um sich über das aufgrund pathischer Projektion als bedrohlich wahrgenommene nicht-männliche Andere zu erheben.
Die Bedrohung des eigenen Subjekts durch dieses Andere erfahren (Cis-)Männer grundsätzlich anders als Frauen: Schon von Geburt an wird man aufgrund des zum Phallus verklärten Schniepelchens zwischen den Beinen dazu auserkoren, dominant, stark, distanziert und potent zu sein. Andererseits erfährt man, ebenfalls von Geburt an, trotz dieses Schniepelchens immer noch von Frauen abhängig zu sein: beginnend mit der Mutter, die den kleinen Lümmel immer wieder auf das Abhängigkeitsverhältnis zurück wirft, über den begehrten weiblichen Körper, bis hin zur Frau als das Andere, an dem man die eigene Geschlechtsidentität nicht nur exerzieren kann, sondern in der Binnenkonkurrenz des männlichen Geschlechts auch muss. Letztendlich stößt man recht schnell an die eigenen Grenzen der Männlichkeit: Wenn man den gesellschaftlichen Anforderungen nicht nachkommen kann oder will, wird das sanktioniert.
Dies greift einerseits bei der Gewalt von Männern gegen Frauen, auch aber bei der Gewalt unter Männern, die Nabert versucht als Gegenthese zum „War against Women“ stark zu machen. Die „genauere Prüfung“ der Geschlechterverhältnisse, die sie ankündigt, wird leider nicht geliefert. Es ist durchaus richtig, dass statistisch gesehen mehr (Cis-)Männer als Frauen Gewalttaten zum Opfer fallen. Dieser Bodycount mag vielleicht einem Dozenten für empirische Sozialforschung genügen, für eine feministische Auseinandersetzung mit den Verhältnissen reicht das allerdings nicht aus. Dass Frauen in der Regel nicht Teil von Mobstrukturen oder Bandenkriminalität sind, liegt nicht nur darin verwurzelt, dass dies nicht in ihrer Erziehung veranlagt ist, sondern auch in einer geschlechtlich verorteten Arbeitsteilung, und dass eine Frau ganz genau darüber Bescheid weiß, welche Rolle sie Gangstrukturen potentiell innehat – die der „Mafiamutti“ oder die des Opfers. Denn nach wie vor machen Frauen den Großteil der Opfer sexueller und sexualisierter Gewalt aus, also Verbrechen, die sich explizit gegen ihr Frausein richten.
Der Krieg gegen Frauen wird also auf zahlreichen Ebenen geführt, aber sie alle lassen sich auf einen Punkt zurückführen: der Hass auf den weiblichen Körper, der sich erdreistet, das zu tun, was er im Patriarchat nicht tun soll. Nämlich, über sich selbst zu bestimmen.
Was ist eigentlich aktuell Stand der "feministischen Auseinandersetzung" in D?
Was noch wichtiger ist: Wo sind die Belege?
Empirische Sozialforschung wird lt. Text nicht akzeptiert.
Ein Unwohlsein kenne ich auch als Mann , wenn ich in Angsträumen unterwegs bin, meine Kolleginnen verdienen dann weniger, wenn sie weniger Zeit investieren oder nicht dahin gehen wollen, wo der Gegenwind vorherrscht. Das gilt aber auch für Männer.
Die paar konkreten Ausführungen entsprechen nicht meiner Lebenswirklichkeit, dafür kenne ich jetzt den (Cis-)Mann.
Zeit mal wieder "Penthesilea" zu lesen
Es gibt Gewalt von Männern gegen Frauen, und die wird auch so genannt, Gewalt von Männern an Männern wiederum wird verunglimpft als "Gewalt unter Männern". Da werden Opfer zu (Mit-)Tätern gemacht. Ist meiner Meinung nach ein grober Fehler.
Ansonsten ist der Text durchweg vernünftig.
Frau Kracher antwortet auf die Problemstellung mit einem Griff in das Repertoire der feministischen Scholastik, die hier bestenfalls Halbwahrheiten hervorbringt.
Dass ein »Krieg gegen die Frauen« geführt werde, wird von Niewendick als Prämisse übernommen und nicht in Frage gestellt. Das Argument ist freilich zirkulär: dieser »Krieg« wird dadurch plausibel gemacht, dass er definitorisch auf alle möglichen nicht-kriegerischen Verhaltensweisen ausgedehnt wird, wodurch er allererst als Beleg für eine Theorie dienen kann, welche ihrerseits erst die umfassende Ausdehnung der Definition, nämlich vom Mord bis zum »Angestarrtwerden«, rechtfertigt.
Gegen eine empirische Kritik wird diese These sodann küchenpsychologisch verriegelt, indem ihre Nichtanerkennung zur »Verleugnung als Selbstschutz« gestempelt wird.
Und Küchenpsychologie ist schließlich auch die von der Autorin angestrebte Erklärung: man kann ihr (mit Nancy Chodorow) noch zugestehen, dass die »Bedrohung des eigenen Subjekts durch dieses Andere« als psychischer Konflikt im Verlauf des Aufwachsens bei Männern grundsätzlich anders strukturiert ist als bei Frauen – was man ihr nicht zugestehen kann ist die implizite Unterstellung, dass dieser Konflikt im Verlauf eines normalen Aufwachsens nicht auch üblicherweise produktiv aufgelöst wird.
Gerade *angebliche* Bestandteile dieses Krieges wie das »Anstarren« und das Touchieren im Club lassen sich viel besser mit Erwartungen an ein asymmetrisches Flirtverhalten erklären, die *von realen Frauen* (und nicht vom ödipalen Mutterimago) an Männer gerichtet werden.
Das angeblich universelle, tragische Leiden der Männer an den »Grenzen der Männlichkeit« ist daher ebenso sehr ein ideologischer Popanz wie der »Krieg gegen die Frauen« und das »Patriarchat«. Und dass eine »feministische Auseinandersetzung mit den Verhältnissen« mit dem »Bodycount der empirischen Sozialforschung« offenbar auf Kriegsfuß steht, spricht daher auch nicht für diese feministische Auseinandersetzung.
Auf dem Titelfoto ist übrigens die bisher älteste figürliche Darstellung eines Menschen zu sehen. Älter als die berühmten Höhlenmalereien aus Frabkreich. Sie ist im Museum von Blaubeuren, nahe Ulm aussgestellt. Ob es sich um eine Frau oder um das Prinzip "weiblich", also eine Gottheit handelt, ist unklar. Ob die Männer damals ihre Frauen so mies behandelt haben, wie die Autorin es beschreibt, ist auch unklar. Wir leben halt in schwierigen Zeiten. Vermutlich war der Gestalter der Figur aber ein Cis-Mann, der sich aber über so etwas keinen Kopp gemacht hat.
Abgesehen davon, dass der apodiktisch-belehrende Tonfall sich arg mit der sprachlichen Unbeholfenheit beißt: Ist das wirklich alles so einfach? Die Männer, die immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, werden schlicht pauschal zu der bösen Hälfte, von der die Verfasserin sich rabiat abgrenzt. Männer seien eben "grundsätzlich anders als Frauen".
Alles, was auf jener Seite des Grenzzaunes geschieht, ist einzig deren Problem: Es gibt eine "Binnenkonkurrenz des männlichen Geschlechts", entsprechend auch "Gewalt unter Männern", aber wirklich wichtig ist nur die von dort ausgehende Aggression in Richtung der zarten Feenwesen mit ihren schmalen Schultern und ihrem verlegenen Lächeln:
"Der Krieg gegen Frauen wird also auf zahlreichen Ebenen geführt, aber sie alle lassen sich auf einen Punkt zurückführen: der Hass auf den weiblichen Körper" (müsste es nicht heißen: "den Hass…?")
– Alles auf einen Punkt. Also eine monokausale Erklärung, eine theory of everything. Die Weltformel, aufgedeckt von "Gastautorin Veronika Kracher" aus dem Ruhrgebiet.
Veroniker Kracher: "Niewendicks Fassungslosigkeit aufgrund der von ihm aufgezählten Fälle ist verständlich, verunmöglicht jedoch eine Analyse von den Ursachen der Morde. [….]Betroffenheitsjargon eines Franz Josef Wagner"
Martin Niewendick: "Scheinbar wahllos bewegen sich Männer wie Wahnsinnige durch die Landschaft um an nichtsahnenden, wehrlosen Frauen die grausamsten Verbrechen zu verüben."
Frank Josef Wagner: "Ich mag Frauen in Führungspositionen, kluge, studierte Frauen. Aber sie haben diese Gender-Welt längst überschritten. Sie sind das dritte Geschlecht: Das Hosenanzugsgeschlecht."
Veronika Kracher: "Auch Mercedes Nabert entgeht in ihrem Text unter anderem die grundlegende Erkenntnis, dass physische Gewalt immer mit Männlichkeit assoziiert wird und als legitimer Aspekt von Männlichkeit gilt"
Mercedes Nabert:
"Das Klischee vom Mann als Täter. Es hat unterschiedliche Ursachen, biologische, wie gesellschaftliche, Y-Chromosom und Fußball. Und es ist wahr: Den meisten physischen Gewaltverbrechen machen sich Männer schuldig, wie in zahlreichen Statistiken immer wieder festgehalten wird.";
"Gewalt per se wird medial als etwas männliches dargestellt. So etwas tun die einander nun einmal an, lässt man uns glauben, „die brauchen das eben, müssen sich auch einmal schmutzig machen“."
Veronika Kracher: "Die „genauere Prüfung“ der Geschlechterverhältnisse, die sie ankündigt, wird leider nicht geliefert."
Mercedes Nabert kündigt an: "Einer genaueren Prüfung kann sein Märchen von einem Geschlechterkrieg […] jedoch nicht standhalten."
usw.
Lies doch in Zukunft die Texte, die Du kritisierst, ja? Und arbeite an Deiner Misandrie. Für den feministischen Diskurs nicht wirklich förderlich, die.
Dass das weibliche Geschlecht über kein biologisches Aggressionspotential verfügt, ist schlicht Unsinn. Beide Geschlechter verfügen vielmehr schon aus rein biologisch angelegter Überlebensnotwendigkeit über ein solches. Es ist anscheinend jedoch jenseits jeder nachgeburtlichen Sozialisation gewaltmäßig unterschiedlich ausgeprägt. Der Kulturalisierung durch Erziehung und soziales Lernen sind jedoch beide nachgewiesenermaßen zugänglich, was heißt, dass Emanzipation beiden Geschlechtern grundsätzlich möglich ist. Der sogenannte Krieg zwischen den Geschlechtern ist deswegen auch keine unaufhebbare Konstruktionsdeterminante des Geschlechterverhältnisses, sondern nur eine unter bestimmten äußeren Bedingungen mögliche Konstruktionsvariante.
Uaah…was für ein BS, totaler womansplaining alarm…fragt bloss keine Männer, suchet niemals nach nachvollziehbaren Gründen, verleugnet weiter jeden Anteil und interpretiert ruhig weiter den immer gleichen Sermon in das Verhalten Einzelner, um dann auf die Gruppe zu schließen, weil das ja gar nicht sex- bzw rassistisch ist und sich die Geschlechterverhältnisse durch derartige Unverschämtheiten bestimmt verbessern…
"Der Krieg gegen die Frauen manifestiert sich nicht nur im Mord, sondern fungiert auf allen erdenklichen Ebenen des die Gesellschaft durchdringenden, omnipräsenten Geschlechterverhältnisses"
Außer in einem richtigen Krieg, wa? Ach ja und auf dem Bau und in der Frauenquote und und…
Aber nein, niemand möchte Opferzahlen dieser beiden "Kriege" vergleichen, stimmts?
(Omnipräsent klingt im Übrigen auch ein bisschen obsessiv, aber ok…)
Sind die RB auf nem clickbait-trip oder wie versteh ich das hier?
PS: Und sag mir doch mal bitte einer, wann zum letzten mal in Deutschland einer Frau verwehrt wurde, das ungeborene Leben in ihrem Körper zu töten…es gibt vielleicht rechtliche Grenzen, aber die finden in der Praxis doch nur in Ausnahmefällen Anwendung (zu weit fortgeschrittene Schwangerschaft, etc). Zumindest haben die Mädels bei uns das alle ohne große Probleme eingestiehlt bekommen und das schon vor 30 Jahren…was beschwert man sich also über angeblich fehlende reproduktive Rechte?