Nachdem der Weggang von Intendant Anselm Weber nahezu beschlossene Sache ist, meldet sich nun Stadtdirektor und Kulturdezernent Michael Townsend in den Ruhrnachrichten zu Wort. Und er überrascht mit erstaunlicher Sachkompetenz. Nachdem er zunächst umfangreiches Verständnis für die Entscheidung Webers zeigt und erneut auf die nicht rosige finanzielle Lage des Schauspielhauses verweist, bringt er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass dennoch hochrangige Bewerber sich für die Intendanz in Bochum finden würden. Immerhin gehöre das Bochumer Haus zu den Top 5 in Deutschland, so Townsend. Das bedeutet, es rangiert auf einer Stufe mit Hamburger Thalia Theater, Berliner Volksbühne, Residenztheater München und Berliner Ensemble. Andere Häuser wie das Staatstheater Stuttgart, die Berliner Schaubühne, das Schauspielhaus Hamburg und die Münchener Kammerspiele müssen sich die Plätze dahinter teilen. Ja, auch Frankfurt – die neue Wirkungsstätte von Anselm Weber – findet sich in Michael Townsends Theaterranking nur unter „ferner liefen“ wieder. Ganz zu schweigen von Provinzspielstätten wie Gorki Berlin, Köln, Düsseldorf, Leipzig und Dresden, die natürlich nicht annähernd dem Bochumer Schauspielhaus das Wasser reichen können. Und was ist der Grund für die herausgehobene Position des Bochumer Schauspielhauses? Vor allem die 1300 Plätze, die es allabendlich zu füllen gilt, glaubt Townsend. Wie kurzsichtig ist es da, dass andere Häuser wie Düsseldorf, Köln und Frankfurt in den vergangenen Jahren ihre Sitzkapazität verringert und damit ihren Toprang eingebüßt haben.
Dann hebelt Townsend die unsägliche Diskussion um Einladungen zum Berliner Theatertreffen als Qualitätsmerkmal aus. Einige Inszenierungen von David Bösch und Roger Vontobel hätten die Einladung allerdings durchaus verdient, meint Townsend. Das ist offensichtlich eine gezielte Spitze gegen den scheidenden Intendanten, der mit seinen Inszenierungen nach Townsends Einschätzung wohl nicht den Sprung nach Berlin schaffen kann, weil er künstlerisch einfach nicht das Format mitbringt. Schade ist an dieser Stelle, dass Max Kühlem, der den Artikel verfasste, nicht nachfragt, welche Inszenierungen genau denn Townsend da im Auge hat. Wir hätten ja gerne auch in dieser Beziehung von der profunden Sachkenntnis des Kulturdezernenten profitiert.
Zuletzt spricht sich Townsend gegen eine Findungskommision aus. Den neuen Intendanten möchte er lieber alleine mit dem Verwaltungsrat des Schauspielhauses suchen. Sein Argument gegen eine Findungskommission sind Indiskretionen, die dabei auftreten können. Das passiert zwar nicht allzu oft, aber mit dem tatsächlich heftigen Skandal bei der Düsseldorfer Findungskommision, der zu einem jahrelangen Dahindümpeln des dortigen Schauspielhauses in Interimsintendanzen führte, hat Townsend ein mahnendes Beispiel direkt vor der Haustür. Und während die Bochumer Kulturschickeria noch Namen wie Castorf, der 2017 die Volksbühne verlässt, Matthias Hartmann, der immer betont hat, dass er sich gut vorstellen könnte, nach Bochum zurückzukehren, oder Sebastian Hartmann, der kontroverse aber spannende Arbeit in Leipzig leistete, wälzt, hört man aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen, die nicht nur dem Schauspielhaus nahe stehen, dass längst Gespräche in eine ganz andere Richtung geführt werden. Olaf Kröck soll es wohl sein, langjähriger Dramaturg unter Weber und Miterfinder des Detroit-Projektes. Die Personalie macht für die Stadt durchaus Sinn: Kröck kennt das Haus und die Stadt, er könnte die erfolgreiche Arbeit Webers konsequent fortsetzen. Und noch etwas spricht für den Dramaturgen: Er stammt aus Viersen, jenem Städtchen, aus dem auch Elmar Goerden kam. Mehr Tradition kann man so einem traditionsreichen Theater wie dem Schauspielhaus Bochum ja kaum wünschen.
Was hälst du eigentlich von der Idee, lieber Honke, einfach mal selber mit dem Kulturdezernenten zu sprechen? Diese Form des halb phantasierten Spin-Off eines bereits veröffentlichten Artikels erscheint mir doch ein wenig bizarr. Die Olaf-Kröck-Vision hingegen gefällt mir ganz gut. Ganz unironisch.
Lieber Max, du bist einfach so verdammt schnell. Ich könnte ja nur die vergessene Frage nach der konkreten Inszenierung nachschieben, alles andere ist in deinem Artikel bereits gesagt. Da bleibt mir nur die Analyse des Gesagten.
Wenn ich mir die Kulturdezernenten von Bochum oder auch von Dortmund ansehe, dann sehe ich vor allem eines: Alte, graue Herren.
Haben die überhaupt Ahnung von aktuellen Entwicklungen im Theater oder schieben sie nur Zahlen hin und her und sichern ihren eigenen, plattgesessenen Bürostuhl?
Thespis möge das Bochumer Schauspielhaus vor "aktuellen Entwicklungen" schützen. Und vor Hartmanns Rückkehr.