Der Lokalzeitung beim Sterben zuzuschauen ist qualvoll

Eine gedruckte ‚Waltroper Zeitung‘. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Ich war einst ein begeisterter Zeitungsleser. Meine Zuneigung zu diesem Medium ging sogar so weit, dass ich Anfang der 1990er-Jahre eine Ausbildung zum Verlagskaufmann machte. Inzwischen gibt es diesen Beruf in der altbekannten Form schon seit einigen Jahren nicht mehr. Und die von mir einst geschätzte Lokalzeitung vermutlich auch nicht mehr lange.

Bevor das Internet die Medienlandschaft nachhaltig veränderte, schätzte ich Printmedien sehr. Ich war, was damals für einen Teenager eher ungewöhnlich war, ein Abonnent verschiedener Titel, las phasenweise mit der ‚Waltroper Zeitung‘ aus dem Zeitungshaus Bauer (Marl) und der Lokalausgabe der ‚WAZ‘ täglich sogar zwei gedruckte Lokalzeitungen.

Inzwischen gibt es die WAZ hier vor Ort nicht mehr, zumindest keine eigene Lokalausgabe. Die Redaktion im benachbarten Datteln, für die ich in den 1990er-Jahren auch einmal für einige Jahre als freier Journalist im Bereich Lokalsport tätig war, wurde längst geschlossen. Und ich wäre garantiert auch schon kein regelmäßiger Leser der ‚Waltroper Zeitung‘ mehr, wenn ich in diese nicht bei meinen Eltern einen Blick werfen könnte, wenn ich dort zu Besuch bin. Ein eigenes Abo für inzwischen rund 50 Euro/Monat? Auf keinen Fall! Das wäre es mir heute nicht mehr wert. Nicht einmal ansatzweise. Dafür kann man ja zum Beispiel das Sky-Komplettpaket abonnieren, was für mich einen wesentlich höheren Wert darstellt als die Lokalzeitung.

Was ich bei Durchsicht der kriselnden Zeitung in diesen Tagen erlebe, das treibt einem als einstiger ‚Zeitungsfan‘ zudem schon länger die Tränen in die Augen. Radikal eingeschränkte Lokalberichterstattung, insgesamt schrumpfende Umfänge, ein deutliches Absinken der Qualität der Berichterstattung in allen Bereichen… Kein Wunder, dass sich die Auflage in den vergangenen Jahren faktisch halbiert hat.

Wer heute noch eine gedruckte Lokalzeitung liest, der findet dort in der Regel Nachrichten, die er am Vortag schon im Internet lesen konnte. Warum sollte man dafür überhaupt noch Geld ausgeben? Der Versuch der Verlage, die Leserschaft zur Onlineausgabe greifen zu lassen, wird allerdings zeitgleich dadurch torpediert, dass die Qualität des Inhalts seit Jahren schon im Sinkflug begriffen ist.

Gute, exklusive Lokalberichterstattung wäre aus meiner Sicht ein möglicher Ausweg aus der Misere. Doch genau das Gegenteil passiert in diesem Bereich. Das Angebot wird insbesondere auch hier geringer und schlechter. Schafft der Mantelteil der Zeitung es zumindest durch Zusammenarbeit mit anderen Verlagen noch eine gewisse Standardberichterstattung zu bieten, ist insbesondere der Qualitätsverlust im Bereich der Lokalberichterstattung unübersehbar.

Vielfach greifen die verbliebenen Redakteure inzwischen zu simplen Pressemeldungen um das Blatt irgendwie mit Inhalt zu füllen, setzen zudem auf für die Masse der Leser sinnfreien Inhalt wie Hochzeits- und Tierfotos. Die Produktionskosten zu senken scheint hier der vordergründige Antrieb zu sein.

In unserem konkreten Fall wurde zudem vor einigen Jahren, nachdem die Redaktion der WAZ schon vor Jahren verschwand, auch die örtliche Geschäftsstelle der ‚Waltroper‘ dichtgemacht und die Redaktion nach Datteln verlegt. Auch der Lokalteil wurde damals mit den zwei benachbarten Städten (Datteln, Oer-Erkenschwick) verschmolzen. Dass einen Waltroper aber im Regelfall gar nicht groß interessiert was dort los ist, das scheint im Verlag keine großartig zu stören. Zudem verschwanden aus der Redaktion etliche vertraute Namen. Attraktiver machte all dies das Produkt natürlich nicht.

Interessante, von den Redakteuren selbst recherchierte und kritische Texte über mein Lebensumfeld hier vor Ort finde ich an (zu) vielen Tagen inzwischen gar nicht mehr. War früher zum Beispiel der Montag noch einer der interessantesten Tage der Lokalzeitung, weil dann zu lesen war, was am Wochenende so los war, wird man dort inzwischen überwiegend mit vorgefertigten Artikeln über Dinge konfrontiert, die mit der Aktualität nichts zu tun haben. Offenbar spart man es sich inzwischen an den Wochenenden Mitarbeiter auf die Veranstaltungen im Stadtgebiet zu schicken. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Wie man so dem schleichenden Tod der Lokalzeitung entkommen möchte? Ich habe keine Ahnung… und die Blattmacher offenbar auch nicht.

Wie bedrohlich die Lage für unser Blättchen hier vor Ort inzwischen ist, erkennt man unter anderem auch daran, dass es als Diskussionsplattform inzwischen nahezu irrelevant geworden ist. Leserbriefe, einst eine populäre und von etlichen Bürgern gerne genutzte Möglichkeit um seine Meinung in die Stadtgesellschaft zu befördern, gibt es inzwischen so gut wie gar nicht mehr. Die Leute diskutieren inzwischen fast ausnahmslos in privaten Internetforen. Die Lokalzeitung spielt für viele da längst keine Rolle mehr. Inzwischen trägt die Zeitung sogar hin und wieder mal Meinungen aus diesen privaten Internetforen in die eigene Printausgabe, um den verbliebenen Lesern überhaupt noch aktuelle Debatten anbieten zu können. Früher war das mal umgekehrt, da setzte die Zeitung die Themen.

Will man Leute unter dem Rentenalter erreichen, dürfte das Medium Printzeitung inzwischen ohnehin nicht mehr zeitgemäß sein. Das Leben spielt sich zu einem großen Teil in vielen Bereichen längst im Internet ab. Einen erfolgreichen Weg dorthin haben die Verlage, die sich inzwischen häufig Medienhäuser nennen um etwas moderner zu erscheinen, offensichtlich noch keinen gefunden.

Für mich als einst begeisterten Anhänger von Printprodukten ist das noch immer eine bittere Erkenntnis. Die Entwicklung ist über die einst von mir so sehr geschätzte Branche längst hinweggezogen. Und wenn ich bei Gelegenheit bei meinen Eltern wieder einmal in die gedruckte ‚Waltroper Zeitung‘ blicke, werde ich mich bestimmt einmal mehr direkt fragen, wie lange es überhaupt noch möglich sein wird dort zumindest ein paar interessante Lokalnachrichten zu lesen.

Vermutlich nicht mehr allzu lange…

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