Der Nahostkonflikt, Muslime in Deutschland und der Kampf um Deutungshoheit: Das Beispiel Sawsan Chebli

Sawsan Chebli bei einer Plenarsitzung des Bundesrates am 12. April 2019 in Berlin Foto: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BY-SA 3.0 de


Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine tritt ein Phänomen auf, das jetzt auch beim Krieg in Gaza zu beobachten ist: Der Krieg um die Deutungshoheit in den Sozialen Medien. Ausgefochten von Akteuren, die selbst im Feld nicht beteiligt sind, wird versucht die jeweils eigene Sicht auf die Dinge zu kontextualisieren, in einen größeren Rahmen einzuordnen und somit zu belegen. Gefährlich wird dies immer dann, wenn insbesondere reichweitenstarke Akteure wie die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli offenbar nicht zuvor überprüfen, ob es sich bei den geteilten Informationen um Desinformation, also Fake-News handelt. Von Peter Ansmann und Daniel Bleich

Insbesondere die Hamas ist seit Jahren dafür bekannt, Informationen zu verzerren, falsch darzustellen, Videos angeblicher Angriffe seitens der Israelis selbst zu inszenieren oder schlicht zu lügen. Mit Pallywood entstand sogar ein eigenes Kofferwort für die medialen Umtriebe der Terrororganisation. Um Diskussionen vorwegzugreifen: Niemand steht über dem Gesetz und es ist anzunehmen, dass einige israelische Soldaten Kriegsverbrechen begangen haben. Die Israel Defense Force (IDF), die Armee Israels, hat deshalb vor einem Monat umfangreiche Ermittlungen eingeleitet, um Soldaten zu verfolgen, die „do not meet IDF values, deviate from orders and disciplinary boundaries – and have crossed the criminal threshold.“

Das Ziel der IDF ist klar: Fakten schaffen, um weniger angreifbar zu sein. Insbesondere, da die Hamas keine Gelegenheit auslässt, um der IDF Tote in die Schuhe zu schieben, die sie selbst zu verantworten hat. Bereits im Oktober hatte ich in einem Artikel herausgearbeitet, dass die Hamas eine Sekte von Nazi-Islamisten ist, die billigend und todeskultartig beliebig die eigene Bevölkerung ermordet, um dies propagandistische auszuschlachten.

Der Krieg in Gaza polarisiert auch aufgrund des religiösen Konflikts zwischen Juden und Muslimen, das steht außer Frage. Juden und Muslime mit viel medialer Reichweite können daher in besonderer Weise dazu beitragen, Fakten zu fokussieren und eine künstliche, mediale Eskalation zu verhindern. Ein Negativbeispiel ist hierbei die ehemalige Staatssekretärin und Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli.

Chebli, deren X-Profil den Slogan „Laut – Wie wir gemeinsam den Hass in unserer Gesellschaft bekämpfen“ trägt und regelmäßig zu Diskussionen über Hass und Hetze im Netz eingeladen wird, scheint es mitunter zu versäumen, geteilte Informationen zunächst auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und so Hass und Hetze zu vermeiden. Grundsätzlich lassen sich zwei häufige Argumentationsstränge erkennen:

  1. Die gezielte Unterdrückung der Palästinenser durch Israel
  2. Die weitreichende gesellschaftliche Akzeptanz von „antimuslimischem Rassismus“

Die gezielte Unterdrückung der Palästinenser durch Israel

Am 14.03. postete Chebli „Gerade kommt die Nachricht rein, dass israelische Kampfjets das Feuer auf tausende Palästinenser eröffnet haben.“ Einen Tag später und nach massiver Kritik an ihrer Darstellung folgte „Israelische Quellen melden jetzt, es seien Hamas-Kämpfer gewesen, die das Feuer eröffnet haben. Das alles muss sofort aufhören. Es geht um Menschen und Opfer. Auf beiden Seiten.“ Allerdings nur als Kommentar im ursprünglichen Tweet mit der Falschmeldung. Auch hier wäre es hilfreich gewesen, zunächst offizielle Ermittlungen abzuwarten, bevor man Israel die Schuld zuschiebt. Die IDF reagierte auf den Bericht direkt und meldete über CNN:

“Approximately one hour before the arrival of the convoy to the humanitarian corridor, armed Palestinians opened fire while Gazan civilians were awaiting the arrival of the aid convoy,” the statement said. “As aid trucks were entering, the Palestinian gunmen continued to shoot as the crowd of Gazans began looting the trucks. Additionally, a number of Gazan civilians were run over by the trucks.” The IDF claimed that “Hamas terrorists continue to harm Gazan civilians who are seeking food – and Hamas is blaming Israel for it.”

Desinformation zu "israelischen Kampfjets" die "das Feuer auf tausende Palästinenser eröffnet haben" (Quelle: X)
Beitrag zu „israelischen Kampfjets“ die „das Feuer auf tausende Palästinenser eröffnet haben“ (Quelle: X)

Chebli bedient auch das Narrativ einer einseitigen medialen Darstellung. Am 13.03. wurde ein 12 Jähriger, nach anderen Quellen 13 Jähriger Junge erschossen, nachdem dieser mit Feuerwerk auf israelische Soldaten geschossen hatte. Chebli: „Haben deutsche Medien darüber berichtet?“ Die Antwort: Ja. Bereits am 13.03.2024 berichtete die Süddeutsche Zeitung, am 14.03.2024 NTV.

Ja, deutsche Medien haben berichtet! (Quelle: X)
Ja, deutsche Medien haben berichtet! (Quelle: X)

Am 12.03.2024 behauptet Chebli, dass in vier Monaten mehr Kinder in Gaza getötet worden wären, als auf der ganzen Welt in Kriegen in den vergangenen vier Jahren. „Es ist ein Krieg gegen Kinder und Deutschland unterstützt ihn mit.“ Auch hier bleibt im Unklaren, ob Chebli wirklich argumentieren möchte, Israel wolle gezielt Kinder töten. Die Opferzahlen in Folge des von der Hamas losgetretenen und zu verantwortenden Krieges sind katastrophal, das steht außer Frage. Cheblis These ist jedoch nachweislich völlig falsch. So tobt beispielsweise seit 2020 in Äthiopien ein weitgehend medial unterrepräsentierter Bürgerkrieg. Die genauen Opferzahlen sind unklar, seriöse Schätzungen sprechen von wenigstens 300.000 Toten, befürchtet werden über 600.000 Todesopfer. 40 % der Bevölkerung Äthiopiens sind unter 15 Jahre alt, sprich: Deutlich mehr als 12.300 der Opfer waren Kinder. Betrachtet man die Zahl der bei aktiven Kampfhandlungen sicher und nachweislich getöteten Kinder, so ergibt sich ebenfalls eine ganz andere Zahl: Wenigstens 25.000 zwischen 2020 und 2022.

Es verbietet sich, Opferzahlen gegeneinander aufzurechnen. Jedes dieser Opfer ist eines zu viel gewesen und Chebli hat völlig Recht wenn Sie schreibt, dass „kein Leben mehr wert ist als ein anderes“. Umso wichtiger ist es aber, keine künstlichen, falschen Schlagzeilen zu erschaffen. Dies gilt insbesondere, wenn die Trennschärfe zwischen Tätern und Opfern verloren geht.

Besonders interessant bei diesen beiden Tweets ist die genutzte Funktion „Leser haben Kontext hinzugefügt, der ihrer Meinung nach für andere wissenswert wäre“, um die Darstellung von Frau Chebli so direkt für den Leser zu kontextualisieren.

Die Quellen für die Opferzahlen, die Sawsan Chebli verbreitet, sollte man ebenfalls nicht unkommentiert lassen: Für die weltweiten Opferzahlen an Kindern sind als Quelle die Vereinten Nationen angegeben. Als Quelle für die (angeblich) 12.300 toten Kinder in Gaza, dient das Gesundheitsministerium in Gaza. Dieses untersteht der islamistischen Terrororganisation Hamas und kann daher kaum als zuverlässige und seriöse Quelle für reale Opferzahlen dienen. Die Strategie der Hamas, die Opferzahlen (auch in der Statistik) der Zivilbevölkerung hochzutreiben, ist kaltes Kalkül der Terrorgruppe.

Propaganda mit Zahlen des vom Hamas kontrollierten "Ministry of Health in Gaza" (Quelle: X)
Argumentation mit Zahlen des von der Hamas kontrollierten „Ministry of Health in Gaza“ (Quelle: X)

Die „Show“ pro-palästinensischer Schauspieler während der Oscar-Verleihung nahm Sawsan Chebli zum Anlass für einen Dankes-Tweet Richtung Pallywood Hollywood. „Red Pin for a Caesefire“ ist auf der Collage, die Sawsan Chebli am 11. März 2024 auf X teilte, zu lesen. Auf den Hintergrund des Motives, den Lynchmord an zwei jungen Israelis im Jahre 2000, wurde Frau Chebli in diversen Kommentaren hingewiesen. Sarah Tuttle-Singer dazu im Blog Times of Israel:

„Und ich frage mich, ob die Designer von dieser Geschichte wussten. Ich frage mich, ob sie es wussten, aber es war ihnen egal. Ich frage mich auch, ob das mit Absicht geschah… Ich würde gerne glauben, dass es nicht so war, aber ich frage mich… Ich frage mich, ob die Prominenten, die die Anstecknadeln tragen, die Geschichte der Zweiten Intifada kannten, die uns in Israel fast in die Knie zwang, oder über den Lynchmord in Ramallah und diese schrecklichen Hände aus dem Fenster, die rot von menschlichem Blut waren, und wenn sie etwas davon wussten, frage ich mich, ob sie die Verbindung herstellten und es ihnen einfach egal war. Und ich frage mich, warum sie sich nicht dazu durchringen konnten, neben der roten auch eine gelbe Schleife zu tragen, um sich mit dem Leid der in Gaza gefangen gehaltenen Geiseln zu solidarisieren. Sicherlich ist das menschliche Herz groß genug, um sich sowohl um Palästinenser als auch um Juden zu kümmern, die ohnehin dieselbe Farbe bluten?“ (Übersetzt mit DeepL.com)

 

Red Pin for a Ceasefire - "Thank You!!" (Quelle: X)
Red Pin for a Ceasefire – „Thank You!!“ (Quelle: X)

Auch Louis Keene arbeitete in der jüdisch-amerikanischen „The Forward“ die unzweifelhafte Herkunft der roten Hand umfangreich heraus. Einen Tag später, nach massiver Kritik an Ihrem „Thank You“-Beitrag, forderte Sawsan Chebli in einem neuen Tweet: „Hört auf, mit Unwissen Hass zu schüren und zu spalten.“ Mit der Grafik und dem dazugehörigen Text „Woman, Life, Freedom“ der iranischen Freiheitsbewegung unternahm Sawsan Chebli den Versuch, den Bezug vom Roten-Hände-Symbol zum Lynchmord zu negieren. Ein Ablenkungsmanöver: Der geforderte Waffenstillstand bezog sich explizit auf den Krieg Israels gegen die Hamas und nicht auf den Iran. Auch besteht kein Zusammenhang zur Frauenrechtebewegung im Iran.

"Hört auf, mit Unwissen Hass zu schüren und zu spalten." (Quelle: X)
„Hört auf, mit Unwissen Hass zu schüren und zu spalten.“ (Quelle: X)

Die weitreichende gesellschaftliche Akzeptanz von „antimuslimischem Rassismus“

Von den israelischen Geiseln und zum Terrorangriff der Hamas liest man bei Sawsan Chebli nicht viel. Von Antisemitismus sind nach Cheblis Verständnis vor allem Muslime betroffen:

„Antisemitismus bedroht uns alle, es bedroht vor allem auch Muslime“, sagte Chebli.

Der 07.10.2023, der Tag des Terrorangriffs auf Israel, wird in die israelische Geschichte eingehen und ist eine Zäsur für die zivilisierte Welt. Nie, seit dem Ende des Holocausts, sind an einem Tag so viele Juden ermordet worden. Es ist unangebracht, einem derartig eindeutigen und hinsichtlich der Täter- und Opferrolle unzweifelhaften Datum die Deutungshoheit entziehen zu wollen. Eine junge Muslimin äußerte sich im ZEIT-Magazin vom 21.02.2024: „Ich finde es nicht richtig, dass man sich nur auf den 7. Oktober fokussiert“. Sawsan Chebli greift diesen Beitrag vom 23. Februar 2024 auf:

"Was bei mir seit dem 7.10. abgeht, toppt alles" (Quelle: X)
„Was bei mir seit dem 7.10. abgeht, toppt alles“ (Quelle: X)

Am 16. März schrieb Chebli „Islam-Hasser schlagen eine Mutter in Billstedt krankenhausreif. […] Antimuslimischer Rassismus ist Gift für dieses Land und doch wird er hingenommen oder ignoriert. Es sind ja Muslime.“ Chebli insinuiert, dass Gewalt gegen Muslime akzeptiert sei und nicht verfolgt würde. Dem deutschen Rechtstaat wird diese Darstellung nicht gerecht. Ein Blick in das Hamburger Abendblatt zeigt: Die Darstellung des Ablaufs entspricht der Realität, jedoch hat der Hamburger Staatsschutz bereits am 12.03. die Ermittlungen aufgenommen. Vier Tage vor Cheblis Tweet. Auch kann von einer vermuteten Ignoranz keine Rede sein, der Fall wurde medial sogar überregional dargestellt, so beispielsweise in der Berliner Morgenpost und bei T-Online.

Im März veröffentlichte Chebli eine Kolumne im Berliner Tagesspiegel:

Leiden und Sterben lässt sich nicht aufrechnen. Kein Leben ist mehr wert als ein anderes. Daher sollte es eigentlich nicht schwer sein, Haltung zu zeigen, ohne Hass und Vorurteile zu verbreiten.“, so Chebli. Jedes Wort davon kann man unterstreichen.

Der wichtigste Schritt hierzu ist es, bei den Fakten zu bleiben und verantwortungsbewusst mit den eigenen Ressourcen umzugehen.

Sozialdemokratin, Feministin, Mutter

 

"Sozialdemokratin, Feministin, Mutter" (Quelle: X)
„Sozialdemokratin, Feministin, Mutter“ (Quelle: X)

Auf X – vormals Twitter – veröffentlicht Sawsan Chebli auch als „Sozialdemokratin“. Der Landesverband der SPD Berlin scheint indes weniger glücklich über die Aussagen ihres Parteimitglieds. Auf Anfrage der Ruhrbarone teilte die Pressestelle der SPD Berlin am 18.03.2024 mit:

„Frau Chebli hat keinerlei Funktion oder Amt in der SPD, wir beurteilen und bewerten ihre Äußerungen auf X als Landesverband nicht. Die Haltung der SPD Berlin zum Nahostkonflikt, die sich nicht mit der von Frau Chebli deckt, ist durch mehrere Äußerungen unserer Landesvorsitzenden kommuniziert worden.“

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
Werbung