Der neue Landesentwicklungsplan – Politische Orientierungslosigkeit oder Stärkung der Regionen?

Dirk Schmidt
Dirk Schmidt

Nordrhein-Westfalen ist ein Bindestrichland. Räumlich treffen die starke Rheinschiene, das gebeutelte Ruhrgebiet und das ländliche Westfalen mit wirtschaftlich erfolgreichen Siedlungszentren aufeinander. Das Land ist heterogen. Einige Regionen weisen bereits schrumpfende Bevölkerungszahlen auf, in 10 Jahren wird das ganze Land schrumpfen. Wie kann die räumliche Entwicklung eines so großen Landes ausgerichtet werden? Damit befasst sich derzeit die Arbeit an einem neuen Landesentwicklungsplan. Von unserem Gastautor Dirk Schmidt.

Ein Weg die Unterschiedlichkeit der Regionen zu berücksichtigen, wären unterschiedliche Leitbilder und Ziele für die Regionen. Jegliches Fehlen eines solchen Ansatzes kritisierte jüngst der ehemalige Bereichsleiter des Regionalverbands Ruhr (RVR) für Planung, der grüne Politiker Dr. Thomas Rommelspacher. Der LEP-Entwurf sei in seiner Bliebigkeit, einem „anything goes“, keine Hilfe für die Planer in den Regionen des Landes. Aber er sei auch kein Hindernis. Anderweitig wird bedauert, dass das Ruhrgebiet im LEP nicht gesondert behandelt werde.

Die Kritik, dass keine Teilräume ausgewiesen werden und dass alles möglich sei, beklagt eine vermeintlich fehlende Steuerungswirkung des LEP, der in seinen Zielen und Grundsätzen zu vage bleibe.  Dieser große, einheitliche Plan ohne Teilräume kann so nur vage sein.  Er muss allen und allem gerecht werden. Der Planentwurf trifft in der Landeshauptstadt auf rot-grüne Konfliktlinien zu Themen wie Flächenverbrauch, Braunkohletagebau und Kraftwerksstandorte. Die Flucht ins Vage ist auch eine Taktik der Konfliktvermeidung zwischen den rot-grünen Koalitionären der Landesregierung. Allen wohl und keinem weh …

Vage Landesvorgaben stärken die Regionen und die Regionalverwaltungen

Die Konsequenz von vagen Vorgaben ist ein notwendiges Ausfüllen auf nachfolgenden Ebenen. Der vom Regionalverband Ruhr zu erarbeitende neue Regionalplan Ruhr wird sich in den LEP einfügen müssen. In den Regionalplan fügen sich die Flächennutzungs– und dann Bebauungspläne der Kommunen. Was in Düsseldorf nicht gelöst werden kann, kann – teilweise sachgerechter und regionsspezfischer – in Essen, Detmold, Münster etc. bearbeitet werden.

Die Ermittlung des Umfangs benötigter Flächen für Siedlungen, Gewerbe und Industrie könnte wie zum LEP vorgeschlagen mit landesweit einheitlichen Theorien erfolgen. Der Regionalrat Düsseldorf und das Ruhrparlament in Essen können jedoch auf empirische Daten eines Siedlungsflächenmonitorings (Rheinblick & ruhrFIS) und eines Gewerbeflächenmonitorings zurückgreifen. Das sind echte Daten, die es leider landesweit nicht gibt,  und keine vagen Berechnungen. Warum sollen für diese Regionen nicht die besseren Instrumente verwendet werden?

Der LEP-Entwurf delegiert die Erarbeitung von Zielen und Steuerungsinstrumenten auf die Regionen. Das finde ich gut, weil ich mich für eine Stärkung der Metropole Ruhr einsetze. Das heißt nicht, dass ich im Detail alle Vorschläge des LEP-Entwurfs begrüße. So fehlt mir zum Beispiel im Entwurf der Emscher Landschaftspark und die Schneisen für Hochspannungsleitungen sind in der Metropole Ruhr nicht realisierbar. Ich begrüße ausdrücklich die Festschreibung des Rhein-Ruhr-Express‘ als Qualitätsangebot des Schienenverkehrs .

Widerstand gegen die Regionalisierung kommt aus den Kommunen

Nicht jedem schmeckt die Stärkung der Regionen. Nicht, weil es sich um eine Schwäche der Landesebene handelt, sondern weil die Region gegenüber einem selber stärker zu werden drohe. Der Widerstand kommt aus den eigenen Reihen, den Planungsverwaltungen in den Großstädten. Es mag paradox anmuten: In den Planungsämtern werden sich stärkere Vorgaben vom Land gewünscht, damit die Regionalplanungsebene nicht konkretisieren muss. Es wird befürchtet, dass konkretisierte Vorgaben, die regionsspezifisch und aufgrund harter Fakten ergehen, viel tiefer die eigene Arbeit bestimmen, als dass das Land das könnte. Vor einem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung wird gewarnt.
Das verwundert aber gerade gegenüber dem Regionalverband Ruhr. Dieser ist ein kommunalverfasster Regionalverband mit einem von den Räten und Kreistagen der Metropole Ruhr gewählten Parlament, der Verbandversammlung. Der RVR als Gebietskörperschaft ist mit seinen Mitgliedskommunen enger verzahnt, als die Anbindung der Regionalräte bei den Bezirksregierungen es ermöglicht. Gelegentlich erfährt die Arbeit des RVR sogar mediale Aufmerksamkeit.

Die Metropole Ruhr ist mit Planungsverwaltungen übermöbliert

Neben dem RVR mit der Regionalplanungsbehörde gibt es die kommunalen Planer in den Stadtverwaltungen. Die kommunalen Planungsabteilungen, insbesondere die 11 kreisfreien Städte, haben sich zur Städteregion Ruhr 2030 („Kooperation und Eigensinn“) zusammengefunden. Ein Teil von ihnen (Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, Essen, Herne und Bochum) hat sich ursprünglich zusammengetan, um einen gemeinsamen Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) zu erarbeiten. Dies war ein notwendiges Vehikel um die planerische Teilung der Metropole Ruhr zu überwinden. Die Teilung manifestiert sich an der symbolisch errichteten Stele im Dreistädteeck Bochum-Essen-Gelsenkirchen, wo in der Mitte der Region drei Regierungsbezirke und Regionalpläne aufeinandertreffen.  Es ist nicht immer eindeutig, ob jeweils alle 11 oder nur 6 Städte als Städterregion auftreten. Bei der Stellungnahme zum LEP sind es insbesondere die 6 RFNP-Städte.

Das Instrument des RFNP hat sich nicht bewährt und mit dem Transfer der Planungszuständigkeit zurück aus Arnsberg, Düsseldorf und Münster nach Essen hat der Landesgesetzgeber es abgeschafft. Mit dem Auslaufen des RFNP, seiner Bewirtschaftung durch die Kommunen und dem Erlass eines Regionalplans Ruhr nach der anstehenden Kommunalwahl im Mai diesen Jahres wird es dann nur noch einen Plan aus einer Hand für die gesamte Region geben. Die Zuständigkeit für einen RFNP geht spätestens zum Jahresende 2015 auf den RVR über (siehe § 39 LPlG). Allein das alles schmeckt nicht jedem, denn die Region ist dann übermöbliert. Die Metropole Ruhr verfügt über eine vom Land finanzierte Regionalplanungsbehörde und leistet sich dazu einen bei den – finanziell schwächelnden – Städten angesiedelten Verbund von Regionalplanern, der parallel dazu arbeitet.  Die Erarbeitung einer regionalen Stellungnahme zum LEP in der Metropole Ruhr ist überlagert von einer Auseinandersetzung über Ziele und Zuständigkeiten in und für die Region. Es geht wieder um Kompetenzen und Stellen.

Am Ende wird die Metropole Ruhr zwei regionale Stellungnahmen zum LEP vortragen. Die eine wird im Ruhrparlament des RVR im März beraten. Die andere wird derzeit in den Räten der kreisfreien Städte von den Stadtbauräten vorangetrieben: Mit dem Verweis auf notwendige einheitliche Beschlussfassung in allen Räten sind Änderungen kaum möglich. Interkommunale Zusammenarbeit stelle ich mir so nicht so vor: ausschließlich von Stadtverwaltungsabteilungen getragen und mit ausgehöhlter politischer Begleitung durch bürgerschaftlich begründeten Räte. Das ist eine Aushöhlung der Selbstverwaltung der Bürger.

Das Rheinland fordert die Metropole – und die Ruhr?

Eine Stilblüte deckt ein Blick auf die bereits vorliegende Stellungnahme der rheinischen Regionalräte zu Düsseldorf und Köln auf. Die Forderung des LEP-Entwurfs nach einer neuen Metropolregion NRW statt der bisherigen Metropolregion Rhein-Ruhr wird abgelehnt. Dieser wird die Forderung nach „Metropolregionen wie die des Rheinlands“ entgegen gesetzt, was mit unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten begründet wird. Teilweise wird sogar die Metropole Ruhr namentlich neben der Wirtschaftsregion Rheinland angeführt.

Die Stellungnahme der kommunalen Planungsverwaltungen der Städteregion 2030 kann sich nicht dazu durchringen. Zwar wird die Metropolregion NRW auch von Ihnen abgelehnt, aber sie bekennen sich zur Beibehaltung der europäischen Metropolregion Rhein-Ruhr. Politischer Gestaltungswille für eine Metropole Ruhr ist nicht erkennbar. Eine Peinlichkeit für die Region. Ruhr-Autoren setzen sich nicht für die Ruhr ein.

Am Ende wird es zwei Stellungnahmen der Region zum LEP geben. Eine der kreisfreien Städte als Städteregion 2030 und eine des Regionalverbands Ruhr. Hinzu kommen noch Stellungnahmen aus den Kreisen, denn sie gehören nicht zur Städteregion 2030. Die Metropole Ruhr tritt vielstimmig auf. Bei einem Chor ist dies durchaus eine Bereicherung, hier schwächt es ihn. Die Auseinandersetzung um Ziele und Grundsätze, schließlich ein Leitbild für die Region, wird zur Kakophonie. Schön, dass das Rheinland die Metropole Ruhr fordert. Ich hoffe, dass sich die noch nicht vorliegende Stellungnahme des RVR daran anschließen wird.

Zeitgleich zur Verabschiedung der Stellungnahme zum LEP wird beim RVR im März eine Verwaltungsvorlage zu den Zielen des neuen Regionalplans Ruhr erwartet, der den LEP ggf. ausfüllen wird. Die Auseinandersetzungen zum Regionalplan stehen in den nächsten Jahren noch an. Möge am Ende wenigstens Einigkeit zum Erreichten herrschen und dieser Plan nicht ebenso Problemstellungen nur weiterreichen. Delegation oder Orientierungslosigkeit, ist die Frage. Ergibt es landesweit Sinn, Problem zu delegieren, bezweifel ich das für die regionale Ebene. Die Bürger und Städte in der Region zeichnen sich durch gleichartige Problemstellungen aus, die gemeinsam gelöst werden müssen.

 Dirk Schmidt ist Geschäftsführer der CDU-Fraktion im RVR und betreibt das Blog Schmidts-Katze.

 

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Arnold Voss
10 Jahre zuvor

So ist das mit einer Leitlinie die „Kooperation und Eigensinn“ lautet. Wenns einem passt ist man kooperativ, wenn nicht, ist man eigensinnig. Kooperation nur wenns einem passt ist aber keine. Außer im Ruhrgebiet. Deswegen geht es hier auch so gut voran. 🙂

Freidenker
Freidenker
10 Jahre zuvor

Ein LEP ist so überflüssig wie der gesamte RVR. Wir benötigen keine staatlichen Planungsmodelle – weil Planungen am Reißbrett einfach nicht funktionieren. Sämtliche Sozialingenieure rühren im Soziotop herum und zerstören natürliche Ordnungen. Die besten Lösungen kann es nur freiwiliig und in möglichst kleinräumigen Sozialstrukturen geben (der kleinste Sozialraum ist die Familie). Wir brauchen deshalb nur eine einzige Gesetzesänderung, die logischerweise dem Parlament abzuringen ist. Es genügt ein einziger Paragraph: Sezessionsrecht für Gemeinden, Städte und Landkreise!

Andreas Lichte
10 Jahre zuvor

@ Freidenker #2

ich möchte Ihren interessanten Gedanken aufgreifen: „… Die besten Lösungen kann es nur freiwiliig und in möglichst kleinräumigen Sozialstrukturen geben (der kleinste Sozialraum ist die Familie)…“

und mich gemeinsam mit Ihnen für eine Rückkehr zur nomadischen Lebensweise im erweiterten Familienverband – „Sippe“ – einsetzen

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Hey ihr Sozialromantiker, seid wann ist eine Familie ein freiwilliger Lebensverband?

Michalski
Michalski
10 Jahre zuvor

Freidenker, jede Stadt im Pott muss Sezessionsrecht haben. Der Pott darf nicht länger durch Rheinländer und Westfalen geteilt werden.
Wir müssen eine Einheit werden. Am besten als Bundesland, wir Berlin.

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