Susanne Schröters Buch „Politischer Islam: Stresstest für Deutschland“ bietet einen kompakten Überblick über die Geschichte des Islamismus und seine Netzwerke.
Spätestens seit Mai dieses Jahres ist Susanne Schröter einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Als die Ethnologin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam zu einer Konferenz über das Kopftuch geladen hatte, an der schlug ihr Hass entgegen. Islamisten bedrohten sie und riefen zu Protesten gegen die Konferenz auf, an denen sich allerdings kaum jemand beteiligte.
Nun hat Susanne Schröter ihr neues Buch „Politischer Islam: Stresstest für Deutschland“ veröffentlicht und liefert auf 384 Seiten einen Überblick über den Islamismus. Schröter beschreibt seine Entstehung und seinen Aufstieg in der arabischen Welt seit dem Mittelalter, wie er durch das Bündnis der Wahhabiten mit dem Haus Saud gestärkt wurde: „Der Islam des al-Wahhab war puritanisch, freudlos und lehnte Musik, Tanz, den Genuss von Tabak sowie andere irdische Vergnügungen ab. Daher war es nicht verwunderlich, dass die Zahl seiner Anhänger zunächst überschaubar blieb.“ Erst durch eine Koalition mit dem „Warlord Muhammad Ibn Saud“ gelang es, diese frühe Form des Islamismus den Menschen aufzuzwingen.”
Sie beschreibt, wie in den folgenden Jahrhunderten Gruppen wie die Muslimbrüder und ihre Nachfolger wie die Hamas oder aber auch der Islamische Staat entstanden, wo sie ihre ideologischen Wurzeln haben, was sie eint und was sie trennt. Islamisten werden an dem Buch verzweifeln, denn Schröter ist ein gut zu lesendes Wissenschaftsbuch gelungen, das ohne jede Polemik auskommt. Es ist an sich schon ein gutes Beispiel für die intellektuelle Überlegenheit des aufgeklärten Denkens gegenüber einer spirituell begründeten politischen Ideologie wie dem Islamismus.
Schröder unterscheidet zwischen dem Islam als einer facettenreichen Ideologie, zu der beispielsweise die Sufi-Orden ebenso gehören wie ein liberaler Alltagsislam oder ein säkularer Kulturislam und dem politischen Islam, dem Islamismus, der Ideologie, die auf dem Islam beruht:
„Der politische Islam stellt einen Gegenentwurf zum säkularen Rechtsstaat, zu Demokratie und den Freiheitsansprüchen des Individuums dar. Es handelt sich um eine Herrschaftsideologie, die die vollständige Umgestaltung von Staat und Gesellschaft anhand islamischer Normen beinhaltet.“
Sein Ziel ist die Vernichtung jedweder individuellen Freiheit und die vollkommene Unterordnung unter das Recht der Scharia. Das war im Westen und auch in der Bundesrepublik fast schon verniedlichend unter dem Begriff „Kopftuchdebatte“ läuft, hat kaum etwas mit der religiöse Freiheit von Frauen zu tun, es ist der Versuch neue Standrads zu setzen. All das hat Ähnlichkeiten mit dem Raumkampf, den man von Rechtsradikalen her kennt: „Der politische Islam testet zurzeit seine Grenzen aus, fordert Sonderrechte für Muslime und versucht islamische Normen im öffentlichen Raum durchzusetzen. Leitbild ist dabei die Scharia. Die Neutralität des Staates wird ebenso angegriffen wie die schulische Koedukation. Wer sich diesem Spiel widersetzt, wird lautstark als antimuslimischer Rassist beschimpft. Die Gesellschaft soll durch zunehmenden Stress zermürbt werden, um die eigenen Ziele ungehindert durchsetzen zu können.“
Ob Indonesien, Malaysia oder Deutschland. Susanne Schröter beschreibt wie Islamisten in den unterschiedlichsten Ländern um die Hegemonie kämpfen. Und sie beschreibt, wie große Teile der Politik in der Bundesrepublik nicht einmal erkennen oder erkennen wollen, wem sie gegenüber sitzen. Detailliert beschreibt die Frankfurter Wissenschaftlerin die Islamisten und ihre Organisationen: Von der aus der Türkei gelenkten DITIB über zahlreiche Mitglieder des Zentralrats der Muslime, den eng mit der iranischen Diktatur verknüpften Islamischen Gemeinschaft der Schiiten (IGS), zu der auch das Imam Mahdi Zentrum in Münster gehört, in dem man den Stolz auf den Terrorismus verkündet. Schröter beschreibt anhand vieler Beispiele, wie der Islamismus sich an Schulen, Universitäten und im Leben in den Städten in Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus, Schwulenhass und nahezu allen denkbaren Formen der Ausgrenzung und Verachtung zeigt, die ihre Grundlage im Glauben an die eigene Überlegenheit hat.
Doch mit all den Organisationen, die eine solche Haltung mal mehr, mal weniger direkt propagieren steht die Politik in einem nahezu naiven Dialog:
“Kooperationen staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Akteure mit Vertretern islamistischer Organisationen betreffen die Förderung islamistischer Jugendarbeit mit Steuergeldern, die Berufung islamistischer Funktionäre in Gremien, die den islamischen Religionsunterricht organisieren sowie die Finanzierung einer Vielzahl islamistischer Aktivitäten, darunter solche, die als Extremismusprävention angepriesen werden. Das alles ist integrationshinderlich und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Fatal ist auch, die islamistischen Organisationen mit der Betreuung von Geflüchteten zu beauftragen oder entsprechende Projekte der Verbände zu unterstützen. Statt Zuwanderern einen guten Zugang in den bundesdeutschen Alltag zu ebnen, bietet man ihnen dadurch lediglich die Aufnahme in ein Paralleluniversum an, dessen Akteure der Gesellschaft tendenziell feindlich gegenüberstehen.”
Denn, zitiert Schröter Mariam Lau 2016 in der Zeit: “Die Islamkonferenz war eine Erfolgsgeschichte, was die staatliche Seite betrifft. Man habe Energie und Geld in den Ausbau islamischer Theologien gesteckt, den bekenntnisorientierten Islamunterricht an Schulen eingeführt und die Moscheegemeinschaften in Planungen einbezogen. Die muslimischen Verbände hätten sich jedoch keinen Schritt nach vorne bewegt. Man habe die Debatten nur ausgesessen, um endlich als Religionsgemeinschaften anerkannt zu werden, selbst Religionsunterricht an staatlichen Schulen erteilen zu können und staatliche Förderungen einzustreichen.”
Schröder fordert ein Ende der Fixierung des Dialogs der Politik mit den islamistischen Organisationen, eine Öffnung der Debatten für liberale und säkulare Muslime wie Ahmad Mansour, Seyran Ateş oder Hamed Abdel-Samad. Und sie fordert, den Islamismus aus den Schulen heraus zu halten: Der politische Islam stellt eine totalitäre Ideologie dar, der man bei Kindern und Jugendlichen auch mit dem Mitteln der Demokratieerziehung und der Bereitstellung von Räumen entgegenwirken kann, in denen sie sich frei entwickeln können. Diese Räume müssen in Schulen geschaffen werden, nicht zuletzt deshalb, weil junge Menschen dort einen großen Teil ihrer Zeit verbringen.”
Die Reaktion der islamistischen Verbände und ihrer Verbündeten auf eine solche Politik ist Schröter klar:
“Funktionäre islamistischer Organisationen und ihre nichtmuslimischen Unterstützer lassen nichts unversucht, um eine solche Debatte zu verhindern. Zu diesem Zweck haben sie zwei Begriffe entwickelt, die diejenigen moralisch diskreditieren sollen, die es wagen, den politischen Islam zum Thema einer Kontroverse zu machen. »Islamophobie« und »antimuslimischer Rassismus« nennen sich die Wortungetüme, die dafür in Stellung gebracht werden. An dieser Stelle kann keine umfassende wissenschaftliche Dekonstruktion dieser kruden Konzepte erfolgen, die Islamismuskritik wahlweise als Krankheit oder als Menschenfeindlichkeit denunzieren, doch so viel sei abschließend bemerkt: Eine freie Gesellschaft lebt von einer freien Debatte, gerade dann, wenn es um eine totalitäre Bewegung geht, die im Namen von Religionsfreiheit und Toleranz an den Fundamenten unserer Gesellschaft sägt.”
Susanne Schröters Buch liefert das Wissen und die Argumente, um in solchen Debatte souverän bestehen zu können.
Susanne Schröter: Politischer Islam: Stresstest für Deutschland. Gütersloher Verlagshaus, 25,00 Euro
Ich brauche mehr Zeit. Das Buch würde sicherlich ein paar Kenntnisse auffrischen und mein Bild vervollständigen.
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Blöd ist , dass der Kampf gegen Rechts nicht merkt, dass er auf der ganz rechten Außenbahn von religiösen Gruppen überholt wird.
Wir müssen aufpassen, dass sich unsere freie Gesellschaft erhält.
Zum Politikschwerpunkt "Kampf gegen Rechts" habe ich mich schon öfter geäußert. Er ist und bleibt eine Slogan ohne konkreten Inhalt für die meisten Politiker.