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Zum Emma-Artikel, wie immer zum Thema besonders sachlich, diffrenziert, reflektiert und vorurteilslos …
Scherz beiseite: Im Artikel geht's (wie bei "Emma" zu diesem Thema gewohnt) völlig undifferenziert zwischen Bildungsferne, sozialen Problemen, Machismo und einem (natürlich problematischen) fundamentalistischem Islam munter durcheinander – was natürlich miteinander verflochten ist, aber nur bei massiven Vorurteilen gleichgesetzt werden kann.
Nur ein Beispiel: Die geschilderte Machohaltung mancher Schüler ist natürlich in der Tat hochproblematisch und muss bei einer auf Gleichberechtigung ausgerichteten Erziehung bekämpft werden. Das wird hier nun mit dem Islam verknüpft und gleichzeitig davon berichtet, dass die Schüler behaupten, regelmäßig ins Bordell zu gehen. Ja, das kann ich mir richtig vorstellen, wie den Jungs in der Koranschule beigebracht wird, dass es von der islamischen Sexualethik her voll OK ist, ins Bordell zu gehen … An diesem Unsinn erkennt man deutlich, dass die Autorin nicht einmal den Versuch unternehmen will, die verschiedenen Aspekte der problematischen Situation reflektiert und differenziert zu betrachten (wobei sich ergäbe, dass in diesem einen Beispiel der Machismo deutlich unislamisch ist), sondern sich einfach nur mit islamfeindlicher Haltung auskotzt.
Weiter sieht man, dass die Autorin offensichtlich völlig rückgratlos ist und selbst überhaupt nichts unternimmt: Weder schafft sie es, sich mit den KollegInnen auszutauschen, die islamischen Religionsunterricht erteilen, sondern "informiert" sich hinter deren Rücken bei SchülerInnen – ein derart unkollegiales und unprofessionelles Verhalten ist an sich schon ein Problem, zumindest wenn es über ein kurzes informelles Interesse hinausgeht, was ja offensichtlich der Fall ist (kollegialer Austausch geht nicht, darüber einen Artikel schreiben schon – ist das professionelle Prioritätensetzung?).
Noch unternimmt sie, jedenfalls nach dem Artikel, irgendetwas an ihrer Schule selbst. Und das ist zwar anstrengend und nervenaufreibend, wenn man Gegenwind von der Schulleitung bekommt, aber trotzdem möglich – sich unter KollegInnen und in den entsprechenden Gremien über Probleme auszutauschen, diese zu benennen und Gegenmaßnahmen vorzuschlagen ist _immer_ möglich; dagegen kann die Schulleitung überhaupt nichts unternehmen, auch wenn sie bei konkreten Konflikten falsch und gegen die LehrerInnen handelt.
Die Autorin behauptet weiter, die Inaktivität der LehrerInnen (also bei kritischer Rückfrage auch ihre eigene) läge daran, dass man aufpassen müsse, was man in der Klasse sagt, denn "alles, was man sagt, kann weitergetragen werden und den Job kosten". Erstens zeigt das, dass gemeinschaftliches, kollegiales Handeln, das nun mal zunächst im Austausch außerhalb der Klasse beginnt, völlig außerhalb ihres Blicks liegt. Zweitens ist es Unsinn – so schnell verliert man als LehrerIn bekanntermaßen nicht den Job.
Letzteres bedaure ich im konkreten Fall übrigens. Wer tatsächlich zu Schlussfolgerungen kommt wie der, dass "Integrationsunwillige […] von der Schule verwiesen werden" sollten, hat selbst dort nichts verloren. Wir haben mit guten Gründen eine Schulpflicht (in NRW bis zum 18. Lebensjahr), die gerade auch der Integration dienen soll – auch bei schwierigen Fällen, auch bei "Integrationsunwilligen". Das zumindest zu versuchen bedeutet _niemals_ "verschwendete Ressourcen von Lehrern und Schulen" (wie die Autorin behauptet). Natürlich ist das an manchen Schulen und bei manchen SchülerInnen eine außerordentlich schwierige, hochkomplexe und psychisch uU sehr fordernde Aufgabe. Wenn Schulen daran scheitern, ist das den einzelnen LehrerInnen deshalb sicher nicht persönlich vorzuwerfen.
Aber: Der "Verweis von allen öffentlichen Schulen des Landes", dem die Forderung ja inhaltlich entspricht, ist im Schulgesetz NRW die allerletzte Stufe der Ordnungsmaßnahmen, die nur verhängt werden darf, wenn " die Anwesenheit der Schülerin oder des Schülers aus Gründen der Sicherheit nicht verantwortet werden kann" und "bedarf der Bestätigung durch das Ministerium"; dürfte meiner Einschätzung nach also überhaupt nur bei schweren und Wiederholung vermuten lassenden Gewalttaten verhängt werden. Das schon für SchülerInnen zu fordern, die einfach nur von LehrerInnen als "integrationsunwillig" eingestuft werden, ist nicht nur ein Eingeständnis des Scheiterns an den Aufgaben der Schule (das wäre, wie oben gesagt, angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe nicht unbedingt persönlich vorwerfbar). Es ist darüber hinaus eine schlichte Zurückweisung der Aufgabe überhaupt – und wer das tut, sollte mit der Aufgabe dann auch nicht betraut sein.
@1 paule t.:
Der Emma Artikel ist ein Erfahrungsbericht einer Lehrerin. Also ist es keine wissenschaftliche Studie.
Damit natürlich auch subjektiv.
Insgesamt betrachte ich den Bericht als Hilferuf, der zeigt, dass es aktuell Klassenverbände gibt, die mit den Werkzeugen der Pädagogik kaum zu unterrichten sind. Ich finde dies mutig und wichtig.
Dass die Lehrerin engagiert ist, erkennt man an ihrem Tatendrang und ihren Bericht. Emma zeigt hier, dass es aktuell Probleme gibt. Das ist gut.
Es ist auch gut, wenn versucht wird, kein Kind zurückzulassen. Dies darf aber nicht auf Kosten der meisten lernwilligen Schüler gehen.
Für Erziehung ist primär das Elternhaus zuständig. Dass muss der Staat auch einfordern.
Insgesamt ist dieser Bericht auch wieder ein gutes Argument dafür, den Religionsunterricht durch einen Ethik- oder Glaubensunterricht, in dem versch. Religionen behandelt werden, ersetzt wird.
@ ke
"Der Emma Artikel ist ein Erfahrungsbericht einer Lehrerin. Also ist es keine wissenschaftliche Studie. Damit natürlich auch subjektiv."
Auch in einem subjektiven Erfahrungsbericht kann man zumindest versuchen, die verschiedenen (in meinem obigen Kommentar ansatzweise genannten) Aspekte einer solchen Problemlage auseinanderzuhalten, statt alles undifferenziert durcheinanderzuwerfen und mit einer populistischen Ursachenzuschreibung zu versehen. Sonst kommt man zu so absurden Ergebnissen wie dem genannten Beispiel, dass Besuche bei Prostituierten im Artikel als Ergebnis einer "Gehirnwäsche in den Moscheen" erscheinen.
Auch ohne gleich eine wissenschaftliche Studie zu schreiben, müsste eine durch ein erziehungswissenschaftliches Studium gegangene Lehrerin das Handwerkszeug dazu haben.
"Insgesamt betrachte ich den Bericht als Hilferuf, der zeigt, dass es aktuell Klassenverbände gibt, die mit den Werkzeugen der Pädagogik kaum zu unterrichten sind. Ich finde dies mutig und wichtig."
Ja klar, wenn ein Text sonst keinen kritischen Rückfragen standhält, ist er zumindest "ein Hilferuf" und "mutig und wichtig". Sorry, aber ich habe da höhere Ansprüche.
"Dass die Lehrerin engagiert ist, erkennt man an ihrem Tatendrang und ihren Bericht."
Erkennt man das? Ich nicht. Ich finde im Text genau null Hinweise darauf, was die Autorin an ihrer Schule unternommen hat, um den geschilderten Problemen zu begegnen oder sie auch nur gemeinschaftlich zu analysieren. Kollegial entwickelte Initiativen oder auch nur Analysen der Problemlage? Auch nur ein Ansprechen der Probleme in passenden Gremien (Klassen- oder Stufenteams, passende Fachkonferenzen wie Gesellschaftslehre/Politik, Geschichte, Religion, Biologie, Lehrerkonferenz, Lehrerrat …)? Alles Fehlanzeige. Wie oben gesagt: Noch nicht einmal zum kollegialen Austausch mit den Fachlehren für islamischen Religionsunterricht reicht es ja offenbar.
"Es ist auch gut, wenn versucht wird, kein Kind zurückzulassen. Dies darf aber nicht auf Kosten der meisten lernwilligen Schüler gehen."
Die Autorin plädiert aber exakt für das Zurücklassen von Kindern, und zwar in der schärfsten denkbaren Form. Nur so als Idee: Sie könnte ja stattdessen für geeignete Unterstützungsmaßnahmen plädieren, die dafür sorgen, dass Maßnahmen, um den benannten Problemen zu begegnen, möglich sind und nicht zulasten der anderen Schüler gehen. Stattdessen fordert sie den Schulverweis, allein aufgrund einer Zuschreibung von "Integrationsunwilligkeit" (bei Kindern bzw. Jugendlichen, wohlgemerkt!).
"Insgesamt ist dieser Bericht auch wieder ein gutes Argument dafür, den Religionsunterricht durch einen Ethik- oder Glaubensunterricht, in dem versch. Religionen behandelt werden, ersetzt wird."
Da jegliche Analyse des Zusammenhangs der Probleme mit dem Religionsunterricht fehlt, ja sogar dessen Inhalt nur durch beiläufiges Fragen von SchülerInnen bekannt ist, kann ich das nicht erkennen.