Der VfL Bochum geht mit Thomas Letsch einen riskanten Weg

Trainer Thomas Letsch. Foto: VfL Bochum 1848

Jetzt ist es also offiziell. Nach tagelanger Spekulation hat der VfL Bochum am Donnerstag bestätigt, was alle längst ahnten. Thomas Letsch wird Nachfolger von Thomas Reis als Cheftrainer an der Castroper Straße.

Der 54-Jährige ist ein vergleichsweise unbeschriebenes Blatt. Er wechselte von Vitesse Arnheim aus den Niederlanden ins Ruhrgebiet, war zuvor eher an eher beschaulichen Standorten als Trainer tätig. Hierzulande ist seine Station bei Erzgebirge Aue (2017) darunter vielleicht noch die prominenteste. Sein Engagement dort als Nachfolger von Domenico Tedesco dauerte einst jedoch nur wenige Wochen.

Natürlich bemühte sich der VfL in seiner Pressemeldung zur Verpflichtung darum den Neuzugang als eine ‚Große Nummer‘ und den absoluten Wunschkandidaten überhaupt zu preisen. Und seine Teilnahme am niederländischen Pokalfinale 2021 ist ja sicherlich auch alle Ehren wert. Ein nicht unerhebliches Risiko ist seine Verpflichtung für die Bochumer dennoch. Schließlich liegt die vereinsinterne Messlatte durch die lange Zeit äußerst erfolgreiche Arbeit von Reis inzwischen vergleichsweise hoch.

Selbstverständlich wäre es an dieser Stelle auch nicht fair gegenüber dem neuen Übungsleiter ihn schon grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, noch bevor er seinen ersten Arbeitstag in Bochum überhaupt hinter sich gebracht hat. Nicht zu bestreiten ist jedoch, dass die erfolgreiche Aufbauarbeit von Thomas Reis an der Castroper Straße für große Fußstapfen gesorgt hat, die Letsch mit seinen Co-Trainern jetzt zu füllen hat.

Reis war bei seinem Amtsantritt beim VfL damals in einer ganz ähnlichen Position. Das können sie in Bochum vielleicht als Mutmacher nehmen. Auch ihm gegenüber gab es 2019 Zweifel, ob er den Ansprüchen der Bochumer denn in dieser fordernden Position gerecht werden könnte. Er konnte, benötigte dafür jedoch auch etwas Zeit.

Der Aufstieg der ‚grauen Maus‘ ins Fußballoberhaus nach der Saison 2020/21 war eine Art Fußballmärchen. In einer durch die Corona-Pandemie ungewöhnlich herausfordernden Spielzeit gelang es Reis mit der eher als durchschnittlich eingestuften Zweitligamannschaft den seit langem erhofften Wiederaufstieg zu realisieren. Und fast noch besser, er konnte mit einem der ‚Top-Favoriten‘ auf den Abstieg dort souverän die Klasse halten.

Dass es im zweiten Erstligajahr nun schwieriger werden würde, war eigentlich allen im VfL-Umfeld klar. Und trotzdem war die Geduld mit dem Kult-Übungsleiter in Bochum erstaunlich klein. Ihn schon nach sechs Spielen zu entlassen, kann eigentlich nur mit einer menschlichen Verstimmung begründet werden, die sich da vollzogen hat. Diskutiert wurde ja unter anderem über Gespräche des Trainers mit dem Ligakonkurrenten Schalke 04 im vergangenen Sommer. Wie groß der Anteil dieser Tatsache daran war, dass es nicht zur eigentlich erwarteten vorzeitigen Vertragsverlängerung mit Reis kam, wird jetzt wohl für immer reine Spekulation bleiben.

Vor all diesen Hintergründen muss mit Letsch jetzt ein vergleichsweise unbeschriebenes Blatt die Nachfolge auf der Trainerbank in Bochum antreten. Das kann gutgehen, muss es aber nicht. Es gibt sicherlich angenehmere Startbedingungen für einen neuen Coach. Aber das haben viele ja damals auch bei Reis gedacht, der 2018/19 auf den ebenfalls zuvor sehr geschätzten Robin Dutt folgte. Und für Letsch ist es natürlich eine große Chance sich im vergleichsweise fortgeschrittenen Alter in der Elite der Fußballehrer zu etablieren.

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Roland Mitschke
Roland Mitschke
2 Jahre zuvor

Von einer „erstaunlich kleinen Geduld“ nach sechs verlorenen Spielen mit null Punkten zu reden ist wenig sachgerecht. Bei welchem Verein hat sich ein Trainer mit vergleichbarer Erfolglosigkeit halten können? Profifußball ist ein hartes Geschäft. Erfolge von gestern sind nun einmal die von gestern. Thomas Reis war! erfolgreich mit dem VfL und das hat ja seinem eigenen Martwert gut getan.
Jetzt muss es heissen „neues Spiel – neues Glück“ für den VfL, für den neuen Trainer – und für Thomas Reis, wo auch immer.

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