Wer schreibt ein Buch über einen „Hund, der um die Ecke pupsen kann„? Der Bulo. Zusammen mit der Frau Kastrop.
Wer karikiert den Diekmann und twittert mit ihm darüber? Der Bulo.
Wer hat mit dem „Clap-Magazin“ eines der wichtigsten Medienmagazine? Jaja. Der Bulo. Mit dem Daniel Häuser.
Wer? Der Bulo. Der Peter Böhling.
Mit Sebastian Bartoschek sprach er über Neugierde, Eitelkeit, Schadenfreude, Perspektiven in der Medienbranche und was es braucht, seine Nische zu finden: Ein wenig Augenzwinkern und neue Ideen auf zwei Beinen.
Sebastian Bartoschek (SB): Ich sitze bei Peter „Bulo“ Böhling. Wie soll ich Dich nennen – Peter oder Bulo? Was ist Dir lieber?
Peter „Bulo“ Böhling (Bulo): Was Dir lieber ist. Du kannst gern Bulo sagen.
SB: Dann sag ich Bulo. Bulo, wer bist Du? Es soll ja Leute da draußen geben, die Dich noch nicht kennen.
Bulo: Ja, genug wahrscheinlich. Ich nehme an, die meisten kennen mich nicht.
Wer ich bin? … Der Peter „Bulo“ Böhling, wie Du schon gesagt hast. Und ich mache in Menschen – sozusagen.
SB: Du machst was mit Medien.
Bulo: Ja genau. Wobei: Dieses „was mit Medien“ kann ich nicht mehr hören.
SB: Aber bei Dir würde es ja wirklich stimmen.
Bulo: Dass ich was mit Medien mache? Ja, aber es ist natürlich ein total schwammiger Begriff, „Medien“. Das ist heute ja irgendwie alles, was blinkt, piepst oder gedruckt wird.
SB: Das heißt, was machst Du?
Bulo: In erster Linie ein Magazin. Ein People-Magazin für die Medienbranche. Eine Zeitschrift, die wir vor acht Jahren gegründet haben. Sie versucht, die Macher der Kommunikationsbranche – also aus Medien, Werbung, Marketing – auf Unternehmensseite darzustellen, zu portraitieren, zu inszenieren. Aber immer mit einer gehörigen Portion Humor. Manche sagen, Satire. Wobei wir Satire in dem Fall nicht so gern hören, denn das wirkt immer so, wie mit dem Holzhammer irgendwo draufzuhauen. Das wollen wir nicht. Sondern der Branche den Spiegel vorhalten.
SB: Was ist die Branche?
Bulo: Print, TV, Radio, Online – jedes Medium. Auch Blogger und Podcaster. Also zunächst mal alle, die eine Art Sendungsbewusstsein haben. Die sagen, wir machen etwas, von dem wir gern hätten, dass es mehrere Leute mitbekommen.
SB: Und wie gerät man in Euren Fokus?
Bulo: Das ist im Prinzip gar nicht so schwer, weil wir ja tatsächlich nur etwas mit Menschen anfangen können, die ihren Kopf aus der Masse strecken. Die da so rumduckmäusern in den verschiedenen Etagen und sich nicht trauen, mal ein Statement abzugeben, das ihnen vielleicht fünf Jahre später um die Ohren gehauen werden kann, die sind für uns nicht interessant. Wir brauchen die, die schillernd und provokant sind, die anders sind als die durchschnittliche Masse, die da so rumwabert und sich ganz furchtbar kreativ findet.
SB: Ja, und einen gewissen Impact hat. Also ich denke, Ihr werdet eher weniger Leute in den Fokus nehmen oder mitberücksichtigen, die mit ihren Publikationen oder mit ihrem Medium nur zehn, zwanzig Leute erreichen?
Bulo: Es ist natürlich so, dass für unsere Leser – 2500 Entscheider aus der Kommunikationsbranche – in erster Linie die Menschen spannend sind, die ein gewisses berufliches Level haben. Oder zumindest mit dem, was sie machen, eine gewisse Aufmerksamkeit erregen. Erreicht jemand nur 20 Menschen, ist das wahrscheinlich eher nicht gegeben. Wenn es aber ein Typ ist, von dem wir glauben, dass er in ein, zwei Jahren mal 20.000 erreicht, dann werden wir ihn auch zeigen. Und wir haben auch in der Vergangenheit immer wieder Menschen im Blatt gehabt, die nicht so bekannt sind wie etwa der Chefredakteur der „Bild“ oder der Senderchef von ProSieben.
SB: Du sagtest 2500er Auflage – das ist gut, aber nicht viel für ein Magazin.
Bulo: Für ein Fachmagazin aber gar nicht so wenig.
SB: Kennst Du all Deine Kunden?
Bulo: Persönlich natürlich nicht. Aber wir haben schon eine sehr genaue Vorstellung davon, wer sie sind. Wir wissen natürlich auch, wer das Heft bekommt – klar, weil wir ja den Verteiler haben, den wir über viele Jahre hinweg aufgebaut haben. Auch mit Privatadressen von Menschen, die sagen: „Ich will das Heft unbedingt haben, auch wenn ich mal den Job wechsle“, was ja in der Branche öfter mal vorkommt. Auf den Verteiler sind wir durchaus stolz, weil er sehr hochkarätige Namen enthält. Nicht irgendwelche 20.000, die zwar oft „Entscheider“ genannt werden, es aber eigentlich gar nicht sind.
SB: War es schwer, so ein Magazin zu etablieren, das eine sehr klar definierte Zielgruppe hat? Die werden ja auch nicht nur darauf gewartet haben, dass der Bulo kommt, um jetzt ein Magazin zu machen.
Bulo: Nee, ganz im Gegenteil, wie wir im Nachhinein erfahren haben, als das erste Heft im September 2006 auf den Tischen der Menschen lag. Da haben sich viele gegenseitig angerufen und gefragt: „Hast du das auch gekriegt? Ich weiß gar nicht, was das ist.“ Das war für die Branche damals eben neu. Es gab ja nur die großen Titel „Horizont“ und „W&V“, „Meedia“ gab es damals noch nicht. Es gab „kress, „New Business“ und „textintern“. Letztere übrigens mit vergleichbaren Auflagenzahlen zu unseren. Die Titel haben sich eher als Medien-Wirtschafts-Magazine gesehen, und wir haben den People-Journalismus in die Medienbranche gebracht. Natürlich gab es auch damals schon People-Journalismus mit „Bunte“ und Co.. Aber für die Medienbranche so etwas zu machen, also herzugehen und die Menschen hinter der Kamera, hinter den Verlagsvorstandstischen nach vorn zu bringen und sehr persönlich zu inszenieren – das gab es vorher noch nicht.
SB: Ist es für die Leute eher eine Ehre oder eher „geht so“, bei Euch genannt zu werden? Wir wissen ja, Home-Stories: Alle tun immer so, als würden sie sie doof finden. Bis sie sie dann durch’s Schlafzimmer führen und man sich fragt: Wieso sind die jetzt im Schlafzimmer, wo da doch keiner reingucken darf? Wie ist das bei den Medien-Entscheidern?
Bulo: Ich weiß nicht, wer den Satz einmal gesagt hat, aber es ist tatsächlich so: Es gibt nichts Spannenderes für Menschen, als über Menschen zu lesen. Überhaupt etwas über Menschen zu erfahren. Du kannst Gesichter viel schneller identifizieren als Dinge. Ein Mensch ist am Menschen interessiert, und wer das leugnet, der blickt an der Realität vorbei. Das heißt, … wie war die Frage?
SB: Ob die Leutchen sich gerne bei Euch wiederfinden?
Bulo: Genau, es gibt manche, die fürchten sich vielleicht ein bisschen davor, dass wir sie im Heft auftauchen lassen. Denn es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder machen wir mit Menschen Geschichten oder über Menschen. Über Menschen heißt, dass – falls wir nicht direkt mit ihnen reden oder sie fotografieren können – wir uns aus einem schier unerschöpflichen Fotoarchiv bedienen, unseren eigenen Ideen folgen und sagen: Wie können wir dem jetzt mal den Spiegel vorhalten? Das ist dann im Zweifelsfall eher unangenehmer für denjenigen, als wenn er mit uns eine Geschichte macht. Weil wir dann sehr viel mehr gemeinsam – oft auch spontan – Ideen entwickeln können: Wo wir jemanden fürs Foto hinstellen, wie wir ihn ablichten, was für die Leser sonst noch spannend wäre …
SB: Wie empfindlich sind denn Medienschreibende?
Bulo: Es gibt einige, die sehr unempfindlich sind und die auch im Allgemeinen als relativ markant wahrgenommen werden. Mit denen können wir ziemlich viel anstellen. Andere sind tatsächlich bei jeder Kleinigkeit pikiert, aber das ist uns im Endeffekt egal.
SB: Kriegt Ihr denn auch Anrufe? Also das, was die Chefredakteure ja sonst nicht so toll finden? Dass dann andere auch mal bei Euch anrufen und sagen: „Ist ja ein toller Artikel, ne? Aber hömma, hier, musste das so sein?“
Bulo: Wir kennen ja die Branche sehr gut, mein Partner Daniel Häuser und ich. Auch Alexander von Spreti, der hier gerade die Fotos macht. Und Bijan Peymani, unser Chefreporter aus Hamburg ebenfalls. Wir kennen uns alle aus großen Fachmagazinzeiten, haben uns hier in München getroffen bei der „Werben & Verkaufen“ und dann irgendwann gesagt: Uns reicht das nicht an Herangehensweise. Ich wollte schon immer eine ganz spezielle, eigene Magazin-Machart entwickeln und … Jetzt hab ich schon wieder die Frage vergessen! Unfassbar!
SB: Ob Leute anrufen.
Bulo: Darauf wollt ich raus: Wir kennen also den Markt ganz gut und wissen, wie weit wir gehen können. Wir bleiben nämlich bei allem immer fair. Auch wenn in Interviews oder Portraits mal ganz harte Begriffe für jemanden verwendet werden, weil der Markt eben genau so über denjenigen spricht. Wir glauben, es gehört dazu, beide Seiten abzubilden. Wir wissen trotzdem, wo Schluss ist und gehen nicht unter Gürtellinien. Und damit sind solche Anrufe eigentlich sehr selten. Es gab mal eine Geschichte, die wir über den Xing-Gründer Lars Hinrichs gemacht haben, wo wir ihn fotografisch begleitet haben, ohne dass er es wusste. Was wir für ihn nicht besonders vorteilhaft war. Und dann hatten wir auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von ihm. Da bist Du beim Abhören erstmal gespannt: Okay, was kommt da jetzt? … Aber dann hörst du: „Ich wollte nur sagen, ich fand die Geschichte super, wir haben uns totgelacht“. Und das freut einen dann. Weil du weißt, du hast die Leute schon richtig eingeschätzt, dass sie es auch verknusen können, was du mit ihnen anstellst. Wir hatten aber auch mal einen Chefredakteur, der mit einem Supermodel zusammen ist. Den haben wir in einer Reihe abgebildet mit anderen Frauen, mit denen er mal zusammen war, und ließen die Leser entscheiden, welches Pärchen optisch am Besten passt. Wir haben bewusst gefragt: Was passt optisch am Besten. Und dann bekamen wir doch tatsächlich auf Chefredakteurspapier geschrieben, dass wir doch bitte die Privatsphäre der Lebensgefährtin achten sollen. Was aus vielerlei Hinsicht absurd war: Denn erstens gibt es eine Begleitungs-Rechtsprechung, die besagt: Ich muss als Mensch, der mit einem Prominenten zusammen ist, damit leben, dass ich auch mal mit abgelichtet werde. Und wenn zweitens die Begleitung auch noch ein Supermodel ist, dann ist es ja sogar umgedreht. Da haben wir uns schon sehr gewundert. Und drittens hatte der Kollege selber mit People-Journalismus zu tun, warum die Bitte, die Fotos aus dem Archiv zu löschen, auch irgendwie grotesk wirkte. Wir haben dann versucht, ihn zu erreichen. Allerdings vergeblich.
SB: Jetzt sagtest Du mir gestern schon, dass ihr ein sehr hochwertiges Produkt habt. Also nicht nur qualitativ vom Content her, sondern auch vom Produkt, von der Haptik her. Du sagtest, Ihr habt ein gutes Papier beispielsweise. Da stellen sich dann die Fragen: Welche Rolle hat denn Print heute noch für Euch? Und welche Rolle hat Online?
Bulo: Wir würden hier ja nicht sitzen, wenn wir nicht fest daran glauben würden, dass Print nach wie vor existieren wird. Es wird nicht mehr die Riesenauflagen geben von Zeitungen und Zeitschriften, die unantastbar sind. Aber die Nischenprodukte sind stark im Kommen. Auch wenn du in den Bereich Corporate Publishing gehst, der im Moment enorm explodiert, und wo wir ebenfalls aktiv sind. Das alles ist Print, und zwar sehr lebendig.
SB: Kannst Du mal für unsere Leser erklären, was das ist?
Bulo: Corporate Publishing sind Publikationen – nicht nur gedruckter, sondern auch digitaler Art – die man für Unternehmen macht. Dabei kommt ein Unternehmen zu uns – überwiegend Medienunternehmen – und sagt: „Mensch, Ihr inszeniert doch Menschen und Dinge ganz gut. Macht uns bitte mal ein Magazin zum einjährigen Bestehen unseres Senders.“ Oder: „Wir wollen gern unseren Kunden unsere Außenmedien bekannt und transparent machen.“
SB: Warum macht das die Unternehmens-PR nicht?
Bulo: Weil das Kommunikatoren sind und keine Kreativen. Und beim Blattmachen, egal, ob das ein Blatt ist, das der Leser bezahlt oder der Anzeigenkunde oder das Unternehmen, geht es um kreative Ideen, wie man bedrucktes Papier schöner machen kann. Wo jeder später sagt: Ich hab hier was in der Hand, das Spaß macht, es durchzublättern. Egal wo – im Wohnzimmer oder auf dem Klo oder sonst irgendwo. Aber das kann ein Unternehmenssprecher oder eine PR-Abteilung nicht per se selber machen. Weil es ja darum geht, Dinge zu transferieren, von einem abstrakten Gedanken zu etwas Konkretem. Sodass jemand sagt: „Ja, das verstehe ich. Jetzt weiss ich, was das Unternehmen mir zeigen will“. Und genau das machen wir immer mit einem speziellen Blickwinkel, mit einem gewissen Augenzwinkern. Ein Geheimnis liegt darin, eine gewisse Distanz zu sich selber aufbauen zu können und nicht alles so bierernst zu nehmen. Wenn das bei Personen, die dargestellt werden, rüberkommt, dann ist es eigentlich immer ein positiver Punkt fürs Konto desjenigen, der beschrieben wird, oder für das Unternehmen, das beschrieben wird.
SB: Und das fällt natürlich extern auch leichter, sich zu trauen, sich selbst auch ein bisschen distanzierter zu sehen?
Bulo: Das macht es natürlich ein bisschen leichter, weil der Verantwortliche auf Unternehmensseite auch sagen kann: Die haben es gemacht, das waren nicht wir.
SB: Wir waren ja gerade eigentlich beim Thema Print vs. Online und welche Rolle für Euch Online spielt.
Bulo: Zunächst eine geringere Rolle. Wir haben unser Blog erst zwei Jahre nach dem Print-Magazin gegründet. Und es liegt für uns nicht wirklich im Fokus. Sondern das gedruckte Magazin, bei dem die Leser sagen: „Mensch, wenn Clap auf unserem Schreibtisch liegt, machen wir für fünf Minuten den Rechner aus.“ Das ist tatsächlich das größte Kompliment. Begleitend dazu bringen wir einmal in der Woche fünf Online-Meldungen, immer am Freitag. Eine Mischung aus gezeichneten Storys, Exklusivgeschichten, Personalien oder auch Infos zu Zusammenschlüssen von Zeitungen, Sendern, etc.. Natürlich immer im Clap-Style. Aber wir leben hauptsächlich von Print.
SB: Wie siehst Du, wie seht Ihr denn generell die Entwicklung im journalistischen, im Medienbereich? Also mich interessiert da tatsächlich der klassische journalistische Bereich eher, wo man ja momentan nach funktionierenden Bezahlmodellen sucht, die einerseits die Verlage zufriedenstellen, aber vor allem auch die jungen Kolleginnen und Kollegen in die Möglichkeit bringen, von Journalismus zu leben. Hat der Bulo eine Lösung für das Problem?
Bulo: Es gibt nicht die Lösung, nur individuelle Ansätze. Und wenn man nach Bezahlmodellen fragt, muss man immer danach fragen, wer davon leben kann: Der, der eine Company leitet, oder der Journalist selber. Also: „Kann man als Journalist heute noch vom Journalismus leben?“ – Wenn du einen Job hast, dann kannst du eigentlich davon leben, mal blöd gesagt. Wenn du als Journalist keinen Job hast, kannst du nicht vom Journalismus leben. Aber die heutige Zeit bietet ja gerade Möglichkeiten in Bereichen, die es vor zehn Jahren noch nicht gab: zum Beispiel Podcasts. Das ist doch auch finanzierbar, wenn man jemanden findet, der einem das sponsert oder bezahlt. Das heißt ja nicht, dass man unkritisch sein muss. Du kannst heute selbst publizieren und damit, wie ich finde, grundsätzlich einem journalistischen Gedanken schon sehr nahekommen. Obgleich ich nicht glaube, dass jeder, der irgendwas ins Netz schreibt, sofort Journalist ist. Aber die Möglichkeit gäbe es, mit Ideen und Ansätzen etwas Publizistisches zu gestalten, wofür jemand zu bezahlen bereit ist, und von dem man sein Leben bestreiten kann. Man wird zwar nicht so viel verdienen wie ein Chefredakteur von „Playboy“ oder „Wirtschaftswoche“, aber hey! …
SB: Wo würdest Du denn da den Cut machen? Gerade weil diese „Wer ist ein Journalist?“-Debatte ja teilweise sehr polemisch geführt wird. Wann ist jemand für Dich ein Journalist?
Bulo: Das ist in der Tat eine sehr schwierige Frage, weil ich ganz grundsätzlich glaube, dass es zum Beispiel Objektivität nicht gibt. Es wird ja immer von „objektivem Journalismus“ gesprochen. Pustekuchen! Das ist alles Interpretation, und es fängt schon damit an, wen ich frage – das ist eine Interpretation von mir. Was ich frage, ist eine Interpretation der Wirklichkeit. Welche Antworten aus seinen Antworten verwende, ist eine Interpretation. Und der Kontext, in dem ich dann darüber schreibe, ist nochmal eine Interpretation. Journalismus ist ein Handwerk, bei dem es gilt, Positionen unterscheiden zu können. Zu sehen, dass es unterschiedliche Gründe gibt, warum jemand, den ich frage, die Situation so oder so beurteilt. Das auseinander halten zu können, lernt man beim Arbeiten, im Studieren des Journalismus, oder wie auch immer man sich dem nähert. Also einfach nur die Welt wahrzunehmen und zu sagen, ich schreibe jetzt was drüber, würde ich noch nicht als Journalismus bezeichnen. Aber wenn es jemand tut mit einer Idee, mit einer Leidenschaft und mit einem Ziel, das etwas Markantes und Eigenständiges hat, ist mir so jemand als Publizist lieber als jemand, der in großen Apparaten steckt, die heute eigentlich oft nur noch heißen „Hier hast du eine Pressemitteilung, schreib die mal ein bisschen um“. Da läuft es natürlich leider gerade drauf hinaus, weil die Zeitungen und Zeitschriften leider Gottes starke Einsparungen gemacht haben und immer weniger Leute da sind, die jetzt auch noch mit immer mehr Material umgehen müssen. Die haben tatsächlich oft nicht die Zeit. Was nicht heißt, dass es nicht genug Journalisten gibt, die sie sich trotzdem nehmen.
SB: Aber die, die sich die Zeit nehmen, sind meist diejenigen, die schon einen gewissen Status haben. Also als junger Kollege kannst Du es Dir ja nicht erlauben zu sagen: Ich will jetzt eine tolle Sozialreportage über das Elend der Dortmunder Nordstadt machen.
Bulo: Du musst in jedem Beruf für das kämpfen, was Du gern machst. Auch im Journalismus. Ich glaube schon, dass das ein gutes Stück Kraft und Durchsetzungsvermögen erfordert. Aber man muss sich eben melden. Muss in Redaktionskonferenzen auch mal das Maul aufmachen und sagen: „Das finde ich nicht gut“. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Letztlich wirst du da natürlich an sieben von zehn Ressortleitern oder Chefredakteuren scheitern, aber drei von zehn finden dich gerade deshalb gut, weil du dir nicht jeden Scheiß reindrücken lässt.
SB: Also Haifischbecken Journalismus.
Bulo: Haifischbecken Welt, Haifischbecken Leben … Ich finde es im Journalismus nicht schwieriger, als bei REWE an der Kasse zu hocken. Das ist immer so eine Filterblasendiskussion: Ach, der Journalismus! Uns geht es ja so schlecht! Winsel, winsel! Mein Gott, die Buchhändlerin, die mit 1.700 Euro brutto nach Hause geht, die jammert wahrscheinlich nicht so viel wie mancher Journalist oder Medienfuzzi. Und wenn ich einige Leute jammern höre, die 25.000 Euro plus X im Monat mit nach Hause nehmen, dann wird mir schlecht.
SB: Beobachtest Du strukturelle Fehlentwicklungen in der Medienlandschaft?
Bulo: Ich halte es für einen Fehler, dass es den Unternehmen aufgrund personeller Strukturen immer einfacher gemacht wird, ihre Botschaften redaktionell unterbringen. Das ist deshalb Mist, weil dadurch eins vollkommen außer Acht gerät: Wenn die Unternehmen es schaffen, über die Redaktion alle ihre Botschaften zu kommunizieren, wieso sollten sie dann noch eine einzige Anzeige schalten?
SB: Das habe ich letztens von Döpfner gehört, der genau das sagte. Wenn die merken, sie kriegen mit einer Spesenabrechnung eine halbe Seite, dann nehmen sie die lieber, als wenn sie eine Anzeige auf einer halben Seite kaufen müssen.
Bulo: Natürlich sind die Redaktionen angstgetrieben, sie könnten Anzeigekunden verlieren. Darum meinen sie, lieber mal schön schreiben zu müssen. Aber das ist der völlig falsche Ansatz. Wenn sie willfährig über die Unternehmen schreiben, dann sagen sich diese: „Denen kann ich redaktionell alles reinstecken, wohin ich will.“ Wie gesagt: Das wars dann mit Anzeigen! Und das ist ein struktureller Fehler.
SB: Das Spannende ist, was Du gerade sagst – und das habe ich eins zu eins bei Döpfner auch so gehört – das sagen ja alle. Also ich habe bisher noch niemanden getroffen, der das anders sieht. Und trotzdem machen sie es anders.
Bulo: Schrecklich, oder?! Obwohl es doch anders ginge. Wir haben das als kleiner Verlag schon bewiesen. In einer der ersten Clap-Ausgaben hatten wir eine Satire über die Chefredakteurin eines Modemagazins. Der Verlag hatte schon Anzeigen gebucht für die darauf folgenden Ausgaben, doch nach dieser Satire wurde ganz schnell storniert. Wir haben daraufhin im nächsten Heft die Seite weiß gelassen und darunter geschrieben: „Liebe Leser! Diese werbefreie Seite verdanken Sie dem Verlag XY. Ob die plötzliche Stornierung der Anzeige mit der Satire über eine seiner Chefredakteurinnen aus dem letzten Heft zu tun hat, wissen wir leider nicht.“ Und schon hatten wir ein paar Wochen später wieder Gespräche mit dem Verlag. Das heißt, man muss sich nur trauen, Wege zu gehen, die ungewöhnlich sind. Vielleicht kann man das in kleinen Strukturen leichter als in großen, das mag sein. Aber ich bin sowieso fest davon überzeugt, dass kleine Strukturen – egal, in welchem Bereich: Print, Radio, Online oder sonstwo – die großen Strukturen ablösen werden. Weil sie letztlich kostengünstiger arbeiten können. Weil sie oft auch nicht denken: Wie darf man es nicht machen? Sondern eben genau von der anderen Seite her kommen.
SB: Inhaltlich würde ich Dir Recht geben, aber wenn ich beispielsweise die Funke-Gruppe sehe, die sich massiv weiter vergrößert hat, Springer, der sich hier und da auf’s Kerngeschäft konzentriert hat, aber trotzdem immer noch eine sehr starke Marktstellung hat, dann habe ich eher das Gefühl, dass es zwar eine unglaubliche Fragmentierung bei den kleinen gibt – ganz viel Special Interest, der bedient wird – aber die großen Player eigentlich immer größer werden und die mittelgroßen Player schlucken. Also gerade bei uns im Ruhrgebiet, da haben wir es ja erlebt, dass verschiedene Zeitungen vom selben Newsdesk bedient und nach außen hin als verschiedene Blätter verkauft werden – de facto aber sowohl die Lokalteile als auch der Mantel eigentlich gleich sind.
Bulo: Aber je mehr von Leser- oder Nutzerseite Unzufriedenheit damit herrscht, desto intensiver werden sich diese Leser oder Nutzer eben anderen publizierenden Kleinstunternehmen widmen. Es kann ja sein, dass dann ein mittelgroßes bis kleines Unternehmen von einem ganz großen geschluckt wird. Schön für das kleine Unternehmen, denn sie haben ja da was gemacht, wofür sie – was sie wahrscheinlich auch wollten – entsprechend entlohnt wurden. Jemand, der sich nicht schlucken lassen will, muss sich nicht schlucken lassen. Ich muss ja nicht verkaufen, kann ja trotzdem als kleines Unternehmen weitermachen.
SB: Es gibt ja verschiedene Modelle, wie man im Internet mit Journalismus Geld verdienen kann. Die meisten Ideen laufen entweder auf eine freiwillige Micropayment-Sache hinaus oder auf irgendwelche Flatrate-Schrankenmodelle. Ich kenne die Zahlen der „taz“ noch nicht, aber ich habe das generelle Gefühl, dass das alles nicht so wirklich funktioniert.
Bulo: Ich bin persönlich ja kein Freund von diesem aufpoppenden: „Wollen Sie jetzt bezahlen?“ Und dann kann ich sagen, ich habe schon bezahlt, oder ich mache das später … Bin aber auch kein Experte, was den Online-Bereich anbelangt. Und kann daher nicht wirklich sinnvoll über zukunftsweisende Bezahlmodelle im Netz sprechen. Das würde ich mir nicht anmaßen. Ich weiß aber gut zu vertreten, dass man mit Print und guten Ideen nach wie vor Geld verdienen kann. Und vor allem mit spannenden Inhalten, auf die sich die Medienhäuser wieder mehr konzentrieren sollten. Online ist es sicher ein Stück schwieriger. Es wurde von allen Seiten ja zunächst mal das Gefühl vermittelt, man könne dort alles gratis haben. Das wieder aus den Köpfen rauszukriegen, dass man also bitte bezahlen möge für Dinge, die etwas wert sind, das ist grundsätzlich eine schwierige Mission.
SB: Du bist Anfang der 70er Jahre geboren, das heißt, Du bist kein ganz junger Hüpfer mehr.
Bulo: Ein alter Sack!
SB: Das habe ich nicht gesagt! Ich distanziere mich von dieser Aussage! Was empfiehlst Du als alter Sack dann den jungen Leuten, die sagen: „Ich möchte jetzt aber Journalist werden“?
Bulo: Ja, machen! Bei solchen Fragen erwartet man ja oft die Antwort: „Nein, um Gottes Willen! Journalismus, das geht gar nicht mehr!“ Und so weiter. Ich hab mir früher auch immer anhören müssen: „Fang nicht an zu malen oder zu zeichnen, das ist eine brotlose Kunst!“. Und trotzdem ist das Zeichnen von Menschen mit großen Nasen oder großen Ohren – also Cartoons und Karikaturen – eins meiner Standbeine. Man darf sich nicht immer von allen ins Hirn scheißen und sagen lassen, etwas sei jetzt tot. Wenn man in den Journalismus geht, weil man denkt, man könne damit sehr viel Geld verdienen, dann ist man wahrscheinlich zunächst mal gesehen eher schlecht beraten. Aber das heißt nicht, dass es in fünf Jahren noch genau so ist, weil dann vielleicht gerade Menschen gesucht werden, die neue Ideen haben, und die werden dann vielleicht auch händeringend gebeten, doch in das größere Unternehmen zu kommen. Auch mit dem größeren Gehalt.
SB: Jetzt sagtest Du gerade, da gäbe es eine andere Facette von Dir, die Du angedeutet hast: Du zeichnest.
Bulo: So isses!
SB: Was machst Du da?
Bulo: Das frag ich mich auch immer! Weil ich ja eigentlich von mir selbst sage, ich kann nicht wirklich zeichnen. Ich versuche nur, meinen eigenen Stil zu entwickeln, der dann so aussieht, als könne ich es, damit die Leute sagen: „Ach guck mal, das ist doch so ein ganz typischer Bulo!“ Auch da muss man den Mut zur Hässlichkeit haben und sagen, man kultiviert einfach was. Wobei es einem Wurst sein sollte, wenn andere sagen, die Hände seien viel zu klein, die man immer zeichnet. Dann ist das vielleicht genau der eigene Stil. Wenn man das entsprechend praktiziert, penetriert, nach außen trägt, dann kann man sogar mit schlecht gezeichneten Knubbelnasenfiguren anstoßen, dass jemand sich Gedanken macht über dies und das. Das Schöne am Zeichnen ist: Fotografieren kannst Du nur Dinge, die jetzt gerade passieren. Du kannst nichts festhalten, was in der Vergangenheit passiert ist, und Du kannst auch nichts fotografieren, was in Zukunft passieren wird. Du kannst nur den Moment jetzt abbilden. Als Zeichner kannst Du den Moment jetzt abbilden. Du kannst den Moment visualisieren, wie er gewesen sein könnte vor fünf Jahren. Du kannst abbilden, wie es tatsächlich war vor fünf Jahren, Du kannst aber auch sagen, so könnte es in fünf Jahren sein. Du hast also eine viel breitere Schiene, Realität passieren zu lassen oder zumindest im Kopf des Betrachters passieren zu lassen. Und das macht Spaß, weil Du damit nur eine Anregung geben musst, und jemand denkt die Geschichte für sich selbst zu Ende.
SB: Glaubst Du, dass es bei Dir auch funktionieren würde, wenn Du nicht zufällig noch parallel Chefredakteur eines Medienmagazins wärst?
Bulo: Als ich noch keine Familie hatte und nur für mich alleine bezahlen musste, hat das funktioniert. Es ist immer die Frage, mit welchen Ansprüchen du rangehst. Wenn du sagst, du musst jetzt zweimal am Tag bei „Feinkost Käfer“ speisen, dann reicht es natürlich bei weitem nicht. Wenn du sagst, ich kann auch gern mal den Tag nur im Englischen Garten liegen und mir ’ne Halbe mit Breze reinziehen, dann geht das. Geänderte Lebenssituationen erfordern natürlich andere finanzielle Ausstattungen. Aber es wäre wahrscheinlich ohne das, was ich hauptberuflich mache – „Clap“ und Co. – nicht in dem Maße möglich.
SB: Jetzt hast Du ein Comicbuch oder Satirebuch herausgebracht – ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll – das Kai Diekmann-Ding. Wie bezeichnest Du das selbst?
Bulo: Als Sammlung von 50 gezeichneten Geschichten über den Chefredakteur der „Bild“, die ich zum Teil schon hatte, aber zum großen Teil neu angefertigt habe. Um etwas zu fabrizieren, von dem ich annahm, dass es sozial-medial so seine Kreise zieht. Und das hat funktioniert.
SB: Was mir daran gefällt ist, dass Du in Deiner karikaturistischen Tätigkeit in diesem Buch meinem Gefühl nach kein klassisches „Bild“-Bashing betreibst, was ja viele im Netz mögen.
Bulo: Grundsätzlich ist Bashing immer die einfachere Variante, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn Du ein Thema hast, das Du bashen kannst, wenn es beispielswesie um die FDP geht, dann läuft das immer wie geschnitten Brot. Das hab ich ja auch ab und zu bedient mit Zeichnungen. Bashen ist immer einfacher, weil man die gefühlte Masse hinter sich hat. Für mich als Journalist gehört es aber dazu zu sagen, die Dinge sind nicht immer nur schwarz oder weiß. Es gibt eben auch Graustufen. Und für mich ist es zunächst mal völlig egal, ob die „Bild“ gut oder böse ist. Wenn da mit Diekmann ein Mensch ist, der es schafft, über seine Person so zu polarisieren, dann ist das für mich als Journalist und vor allem aber als Zeichner interessant. So einfach ist das. Man kann als Zeichner, der eine illustrierte Biographie über jemanden macht, tatsächlich alle Bashing- oder Jubel-Gedanken beiseite lassen, und sich teilweise nur auf das Optische konzentrieren und reduzieren. Das ist ja das Faszinierende an der Person Diekmann: Dass ein Mensch, der die ganze Zeit mit seiner Gelkappe rumgerannt ist, sich einfach nur die Haare schneiden und einen Bart wachsen lassen muss, und schon ist das Thema in allen Blogs und bei allen Fachmediendiensten top. Ich mache dann ja eigentlich nur eine Satire über die Satire selbst. Ich hab in einem Gespräch schonmal gesagt, dass dieser Mann für mich in erster Linie eine höchst effektive Marketingmaschine ist.
SB: Also die echte Satire ist die Realsatire, und Du satirisierst die Realsatire.
Bulo: Ja, das ist eigentlich ganz abgefahren, weil ich mich ja dann wiederum in Zeichnungen über die Menschen – Medienjournalisten zum Beispiel – auslasse, die sich wiederum über andere Menschen aus den Medien auslassen. Und ich versuche, das immer mit einer gewissen Distanz zu sehen. Weil ich weiß, dass ich ja auch nur jemand bin, der sich über einen anderen auslässt. Ich will das immer mit dieser Portion Humor machen, weil ich glaube, dass das ein Türöffner in den Bauch oder die Herzen der Menschen sein kann. Das vermisse ich tatsächlich bei sehr vielen Projekten derzeit: Die Fähigkeit, auch mal über den eigenen Anspruch zu lachen.
SB: Noch mal zum Bulo: Ein kleines schwarzes Männchen. Du sitzt mir hier gegenüber mit einem weißen Hemd, und ich vermag in einem leicht grau melierten Bart und leicht grau melierten Haaren nicht dieses schwarze Gesicht wiederzufinden.
Bulo: Ach so, du meinst das Cover vom „#BuloBuch“ … Das war ja jahrelang mein Twitter-Avatar, und dann ist der mir mal irgendwie zu blöd geworden. Darum hatte ich mich neulich mal realer gezeichnet, genau mit dem graumelierten Bart und dem weißen Hemd, das du hier siehst. Es geht ja eigentlich mehr um die latent schadenfrohe Lache, die diese Figur hat. Seit kurzem ist sie übrigens wieder mein digitales Alter-Ego. „Clap“ haben wir ja auch „Das Magazin für Neugierige, Eitle und Schadenfrohe“ genannt. Das sind für mich die Motoren dieser Branche. Alle stinkeitel, inklusive mir selbst. Ich würde mich da gar nicht ausnehmen. Neugierig sollte man in der Branche sein und schadenfroh, wenn es eine gesunde Schadenfreude ist und keine böse. Ich bin kein Freund von diesem schwarzen Neid, wo jemand denkt: „Der hat das, und ich hab das nicht, darum gönne ich dem das nicht!“ Ein weißer Neid im Sinne von „Der hat das, und ich würde das auch gerne haben“, der geht in Ordnung. Und dann darauf hinzuarbeiten und sich dadurch zu motivieren, das find ich ganz gut. Und diese Lache von dem Männchen, das Du meinst, die soll einfach ein bisschen der Schalk im Nacken sein. Der auch mal boshaft ist, aber nie bösartig.
SB: Jetzt hast Du ja in Deiner Medientätigkeit sehr viele wichtige Entscheider und auch Prominente kennengelernt. Was war denn so für Dich die faszinierendste Begegnung, die du hattest?
Bulo: Die mit Dennis Hopper. Darum hängt hier auch dieses Foto von mir und ihm. Ich hatte mal die Möglichkeit, ihn zu interviewen. Das war im Bayerischen Hof hier in München, und die Pressefrau hat gesagt: „Also eine halbe Stunde, länger nicht!“ Du gehst da natürlich schon mit einem gewissen Respekt und gesunder Aufgeregtheit rein. Dann setzt du dich und weißt, da sitzt jetzt einfach eine Ikone neben dir. Nicht so diese typische C-Promi-Mittelmäßigkeit, die du sonst hast. Die deutsche „Prominenz“ oder angebliche Prominenz ist einfach so lächerlich im Vergleich zu Menschen, die mit James Dean gedreht haben. Ich saß also neben Hopper und hatte wirklich Respekt, weil ich dachte: Indirekt hab ich jetzt James Dean kennengelernt. Es war total geil, weil dieser Typ so völlig unbeeindruckt dasaß. Dann stellte ich ihm die erste Frage, von der ich gar nicht mehr weiß, wie sie lautete. Aber ich weiß noch, was er geantwortet hat. Er saß da, zündete sich ganz, ganz langsam seine Zigarre und ich dachte nur so: „Oh Gott, oh Gott: die Zeit!“ Und dann sagte er: „Well … that’s a looong story!“ Und ich dachte nochmal: „Oh – mein – Gott!“ Ich hab alles dahinschwinden sehen, denn ich hatte einen ganzen Fragenkatalog, den ich durchkriegen musste. Und draußen wartete ein Kollege von der „SZ“ für den nächsten Slot. Und dann haben wir uns tatsächlich eineinhalb Stunden unterhalten. Ein geniales Gespräch! Am Ende habe ich ihn gebeten, mir einen Bildband über ihn zu signieren, den mein Fotograf dabei hatte. Darin war auch ein Foto aus „Easy Rider“, auf dem Hopper einen Kleiderbügel mit einem Schal auf dem Kopf trägt – und genau so eine Konstruktion hatte ich dabei und wollte damit noch ein gemeinsames Foto mit ihm. Er wusste sofort, was gemeint und hat sich totgelacht! Er sagte: „You’re totally crazy, man!“ Das war ein ganz toller Moment und eine der beeindruckendsten Begegnungen. Und ich dachte nur: Wahnsinn, was ’ne coole Sau!
SB: Wer hat Dich denn am meisten enttäuscht?
Bulo: Das kann ich nicht an einer Person festmachen. Ich versuche mich mal anzunähern: Am meisten enttäuschen mich die, die eine gewisse Marschrichtung vorgeben und sagen: „Machen wir, machen wir, alles kein Problem!“ Und wenn du sie dann beim Wort nimmst und sagst, dass sie jetzt auch liefern sollen, was sie zwei Tage oder zwei Wochen vorher versprochen haben, dann knicken sie ein – das geht nicht gar nicht. Wenn man sich von vorn herein aus dem Fenster lehnt, muss man auch bereit sein, etwas nachzuliefern. Und das tun tatsächlich nicht viele. Es gibt aber kein Erlebnis, von dem ich sage: „Was ist denn das für ein Idiot gewesen, das hat mich jetzt aber enttäuscht.“ Das sind meist ganz kleine Dinge, die jetzt im Gespräch vielleicht gar nicht nachvollziehbar wären. Etwa, wenn jemand gesagt hat, er meldet sich am nächsten Tag zu einem Thema, von dem er wusste, dass es mir wichtig ist, und dann drei Wochen später behauptet, er hätte das nie gesagt – das enttäuscht.
Transkription: Lara Gatermann
Und dieses Mammut-Gespräch zieht sich allen Ernstes jemand rein?
Na, Prost Mahlzeit!
@Bulo: Ruhrbarone-Leser sind ja keine luschigen Zeit-Leser, die Angst vor langen Texten haben 🙂
An Mammute habe ich beim Lesen so gar nicht denken müssen – großartiges Interview.
[…] Alle stinkeitel, inklusive mir selbst. – Tja, entgegen dem allgemeinen Trend hat auch Print heute noch Chancen. […]