Es war ausnahmsweise mal eine brauchbare Idee von Helmut Kohl, zusammen mit Francois Mitterand einen gemeinsamen Kultur-TV-Sender zu gründen. Vor 20 Jahren ging Arte TV auf Sendung.
Weit bedeutender für Deutschland war 1990 natürlich der Mauerfall, der zum morgigen Feiertag führte, aber auch das fernsehtechnische Einreißen der „Westgrenze“ war gar nicht so einfach: In Deutschland mißtraute man einem von der Politik eingesetzten Sender angesichts des Mißbrauchs des Rundfunks durch die Nazis und in Frankreich mißtraute man einem Sender mit deutscher Mitwirkung erst recht: „Arte spricht Goebbel’s Sprache“, so das Journal de Dimanche erbost zum Sendestart.
Heute hat sich Arte jedoch in Frankreich durchgesetzt, wo auch die Studios stehen, genauer gesagt in Straßburg. Moderationen, Nachrichtensendungen und Magazine werden dort produziert und dann oft deutsch synchronisiert. Andere Filme werden teils nur untertitelt, was im deutschen Fernsehen sonst kaum zu finden ist, doch von Cineasten bevorzugt wird. Und natürlich ist die Spielfilmauswahl auf Arte interessanter als anderswo, da mehr französische und andere fremdsprachige Filme laufen und nicht nur Hollywood inclusive des 100. total lustigen Highschool-Film. Noch interessanter sind jedoch die zahlreichen Dokumentationen – und auch deutsche TV-Filme werden oft in Arte zuerst ausgestrahlt, bevor sie im Letzten oder Zweiten landen.
In Deutschland ist Arte TV dagegen bis heute unverdient ein Nischenprogramm: Die hauptberuflichen Kulturpessimisten sehen sich in Selbstgeißelung lieber Dinge an, von denen sie schon wissen, daß sie ihnen garantiert mißfallen werden, vorzugsweise Schlagerconteste oder RTL2, und echauffieren sich dann lang, breit und oft darüber, wie schlecht das Fernsehen und wie dumm der Zuschauer doch ist. Das marxistisch-leninistisch gebliebene Proletariat sieht dagegen lieber Ostalgie auf mdr und weint seiner in der Wolle lila gefärbten eisernen Kultur-Lady nach.
Natürlich hat Arte dieses Wochenende ein Jubiläums-Feierprogramm installiert, doch ist diesen Monat auch noch einiges anderes Interessantes geboten:
- Frank Schätzing zeigt an den nächsten drei Samstagen um 20.15 die Verfilmung seines Sachbuchs Nachrichten aus einem unbekannten Universum. Sicher sehr zeitsparend angesichts des eloquenten Schreibstils von Schätzing.
- Kubrick, Nixon und der Mann im Mond zeigt allen Verschwörungstheoretikern, wie die Amerikaner die Mondlandung gefälscht haben.
- Am nächsten Samstag ab 22 Uhr startet die Serie „Breaking Bad„, in der ein krebskranker Chemielehrer ausgerechnet zum Drogenproduzenten wird, um seine Familie finanziell abzusichern.
- Auch neuere deutsche Filmklassiker wie Sophie Scholl – die letzten Tage oder Das Leben der anderen werden zum Jubiläum wiederholt. Und wenns sein soll, ist auch Lady Chatterley im Programm.
Wer also lieber ins Kino geht, als fernzusehen, angesichts des deutsch-französischen Sauwetters dazu jedoch keine Lust hat, könnte hier durchaus fündig werden und muß nachher auch kein schlechtes Gewissen haben, sich Schrott angeguckt zu haben.
Arte ist noch vor Phoenix einer der letzten „guten“ Sender im deutschsprachigen Fernsehen. Allein schon die Sendungen „Philosophie“ mit Raphaël Enthoven und „mit offenen Karten“ sind sehr gute Produktionen, die, im Gegensatz zu unserern dritten Programmen, auch tagsüber gesendet werden. Klar manche Filme sind ziemlich abgedreht, aber ich kann ja auch ausschalten (frei nach Peter Lustig).
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