Deutsch mich nicht voll, Jürgen Trittin

Jenseits der 20 Prozent liegt das Land, in dem die Masken fallen, und dieses Land heißt Deutschland. Jürgen Trittin, der grüne Bundestagsabgeordnete, dem wir so viele schöne Niederlagen seiner Partei zu verdanken haben, wirft der AfD vor, sie seien vaterlandslose Gesellen  – so bezeichnete Kaiser Wilhelm II Sozialdemokraten und andere Linke. Auch mangelnden Patriotismus wirft Trittin der AfD vor – interessanterweise, weil die rechtsradikale Partei seiner Ansicht nach in einem Punkt den Grünen nicht folgt. Diesen Punkt bezeichnet Trittin als Energiesouveränität – früher nannte man das einmal Autarkie und es war einer der zentralen politischen Ziele der NSDAP: Deutschland sollte unabhängig von Rohstoffen aus dem Ausland werden.  Mit ein wenig nachdenken kommt man schnell zu dem Schluss, dass Handel und Austausch wesentlich besser für das Zusammenleben der Menschen sind als Autarkiestreben oder der hippe Nationalismus, der sich hinter der Propaganda für „Produkte aus der Region“ versteckt.

Trittin spielt die nationale Karte nicht, weil er ein überzeugter Nationalist ist oder weil er in die Fußstapfen seines Vaters treten möchte, der als SS-Offizier 1945 die Kampfgruppe Trittin in Polen gegen die Rote Armee anführte. Das ist alles Unfug. Aber Trittins Tweet zeigt, dass er im Kampf um die Macht keine Grenzen kennt und bereit ist, auch an die niedrigsten Gefühle zu appellieren. Wenn SPD-Interimschef Thorsten Schäfer-Gümbel in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel sagt, dass AfD und Grüne in der Frage des hemmungslosen Populismus nah beieinanderliegen, hat er dafür gute Gründe.

Rassismus, Populismus, völkisches Denken, andere als die Grünen könnten der AfD sogar wirtschaftliche Inkompetenz vorwerfen – es gibt vieles, was man an der AfD kritisieren kann. Zu wenig Nationalismus gehört nicht dazu. Deutsch mich nicht voll, Jürgen Trittin.

 

 

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
10 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
M. Herrmann
M. Herrmann
5 Jahre zuvor

Hitlervergleich geht immer, gell?

Was bitte ist schlecht an Energiesouveränität? Wenn (heimische) erneuerbare Energien den Bedarf decken, was ist daran wie Hitlers Autarkie?
Und zum Henker: Was hat Jürgens Vater damit zu tun?

Ich ertrage euer Blog nicht mehr.
Unsubsribed

bob hope
bob hope
5 Jahre zuvor

Danke, sehe ich ähnlich!

Die Grünen sind ja nicht umsonst auf dem Weg zur Volkspartei. Sie wollen halt nur die besseren, die guten Deutschen sein (und nicht nur „Gutmenschen“). Und der Begriff „gesundes Volksempfinden“ bekommt dann plötzlich ein völlig neue – grüne – Bedeutung, mit allem was dazu gehört, inklusive Radfahrer-Mentalität: nach oben buckeln, nach unten treten.

Eine Hoffnung bleibt: Als ehemaliger Maoist hat Trittin ja schon immer auf das Volk gesetzt – damals noch in der Hoffnung, die proletarischen Massen zur (Kultur-)Revolution zu bewegen. Zum Glück ohne Erfolg. Und auch wenn Trittins Wendungen in der Folge eher taktischer/opportunistischer Natur waren, und nicht wirklich Ausdruck einer Überzeugung oder Haltung, halte ich die aktuelle durchaus für etwas gefährlicher, wie der Verweis auf Schäfer-Gümbel zeigt: Grüne und AfD als die neuen, regionalen Volksparteien – die einen im Westen, die anderen im Osten. Gruselige Vorstellung.

Thommy
Thommy
5 Jahre zuvor

Unabhängig davon, dass die "Alternative für Deutschland" eine "Alternative zu Deutschland" -nämlich zum demokratischen, pluralen und weltoffenen Deutschland-ist, verwechseln Sie hier den Trittin'schen Begriff eben dieser Nation -von der demokratischen und pluralen weltoffenen Nation Deutschland, die die Gesamtheit aller Einwohner umfasst -mit dem rassistisch-völkischen Begriff der AFD.
Das ist mehr als billig.

Und- um die ökologisch motivierte Förderung von "Produkten aus der Region" , -Bananen aus Südbaden oder Äpfel aus dem Sauerland, Windkraft, Solarenergie etc – mit NS-Ideologie gleichzusetzen, muss man schon reichlich tief ins Glas geschaut haben -zumal Sie doch sonst so sehr die "heimische deutsche " Automobilindustrie oder Braunkohleabbau und AKWS zum unabdingbaren deutschen Portfolio zählen.

bob hope
bob hope
5 Jahre zuvor

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Mein Dank und meine Zustimmung bezogen sich ausdrücklich auf den Text und nicht auf den Kommentar unter #1

Sandra Kreisler
Sandra Kreisler
5 Jahre zuvor

Auch ich finde das ein wenig albern. Ja, es fällt auf, dass alle Welt versucht, Heimatgefühl und einen gewissen Patriotismus wieder als "Problemlos" zu markieren, und das ist durchaus debattierbar. Aber die AfD auf Kosten der Grünen in Schutz nehmen? Ich bitte Euch! Gleichzeitig aber insinuiert Ihr Sippenhaftung, wenn Ihr die Verirrungen des Vaters Trittins in's Spiel bringt, und die gleichzeitige Distanzierung ist nur ein alberner Cover-up. Und in jedem Fall ist alles, was der zunehmenden Privatisierung von Grundbedürfnissen des Menschen, (Wasser, Strom, öffentlicher Verkehr et al) entgegen arbeitet, zu begrüssen. Egal, wer populistisch vor 70 Jahren damit punkten wollte. Hitler war Vegetarier. Er mochte Hunde. Na und? Trotzdem ist Vegetarismus heute hilfreich und die Liebe zu Tieren auch. Und Hitler bleibt trotzdem der Mega-Arsch. (und das exkulpiert nicht jene, die ihm nachliefen.)

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
5 Jahre zuvor

Daß ich einmal Trittin verteidigen würde, hätte ich mir bis jetzt auch nicht vorstellen können.

Was der altgrüne Exminister aus dem Kriegskabinett Schröder hier vorexerziert, ist das Durchdeklinieren von AfD-Positionen incl. der offensichtlichen inneren Widersprüche. Die Haltung der Protagonisten der AfD wird durch die Verkehrung der Perspektive bei Verwendung der selben Argumente als ebenso haltloses wie beliebiges Geschwätz vorgeführt. Was davon Trittins persönliche Position ist, bleibt davon zunächst unberührt.

Es ist nicht so, daß ich Ex-Maoisten, also Personal jenseits der politischen Vernunft, nicht grundsätzlich auch gediegene Restfaschismen zutrauen würde, aber für die Behauptung, dies ist bei Trittin im Sinne des Artikels zweifelsfrei der Fall, reicht mir das zitierte Statement nicht.
Großes Unrecht widerfährt dem alten Kämpen durch die Unterstellung aber auch nicht, hat er doch selbst in ähnlicher Weise fortlaufend agitiert. Die Krokodilstränen von M. Herrmann kann ich deswegen nicht auch vergießen, Trittin trifft, was er selbst auf genau diese Weise anderen vorgeworfen hat.

nina
nina
5 Jahre zuvor

Mir ist fast alles Recht, was der AfD schadet und ihre Wähler vielleicht zum Nachdenken bringt. Wozu also die Aufregung?
Man nehme sich eine Packung Kekse und schau gemütlich bei dem Match zu. 😀

ke
ke
5 Jahre zuvor

In letzter Zeit hatte ich Trttins Positionen gar nicht mehr auf dem Schirm. Das ist auch gut so.

Ja, Herr Schäfer-Gümbel liegt richtig, wenn er die Grünen zu den Populisten zählt.

Die Rethorik ist ja auch im gleich:
1) Irgendwas behaupten
2) Wenn kritische Fragen kommen, lauter werden bzw. schreien
3) Falls man darauf hingewiesen wird, dass schreien nicht OK ist:
4) Wenn man eine Frau ist, behaupten, dass dies erforderlich ist, um sich durchzusetzen
4a) Auf die fehlende Gleichberechtigung hinweisen, falls die Begründung nicht akzeptiert wird.

Damit ist die alte Kritik vom Tisch.

thomad weigle
thomad weigle
5 Jahre zuvor

Gestern sah ich in einer Nachrichtensendung einen TWEET von TSG, indem er eindeutig KEINE Ähnlichkeit von Grünen und AfD sieht.
Dass Herr Laurin jetzt Anleihen bei Stalinismus nimmt-Sippenhaft- nur blöd. Die Autarkie bei den Nazis hatte nur ein Ziel: Im beabsichtigten Krieg nicht wieder unter einer Seeblockade wie im ersten Weltkrieg zu leiden. Das weiß Herr Laurin natürlich, aber ihm ist mittlerweile jedes noch so dämliche Argument recht, um die Grünen zu verleumden.

Werbung