Deutsche Zumutungen I/IV

Deutsche Zumutungen
Deutsche Zumutungen

In den kommenden Wochen veröffentlichen wir jeden Sonntag Aphorismen von unserem Gastautor Emmanuel Brand-Pfeiffer. Ungewöhnliche Texte, von denen wir glauben, dass Ihr sie mit Gewinn lesen werdet.  

i

Es gibt hier Leute, die dir freundlich die Hand auf die Schulter legen und erklären, es gebe zwei Arten von Menschen: Meist riechen sie komisch.

ii

Ich lerne über dich, nicht von dir.

iii

Ist die Zeit der guten Vorsätze für das neue Jahr schon angebrochen? Ich habe einen: An die Kleinkinder von Freunden und Verwandten künftig nur noch Trommeln und Tröten zu verschenken.

iv

Unheimlich sind die chronisch gutgelaunten und soziablen Einheimischen, deren Gesichter sich für Dauerwerbesendungen eignen. Ich frage mich, wie ihre Mimik entgleist, wenn sie  sich unbeobachtet fühlen.

v

Rückblickend betrachtet war Hubal kein schlechter Gott.

§ 6

Du kannst einen interessanten twist in zwischenmenschliche Beziehungen bringen, wenn du -in einem nur scheinbar unbeobachteten Moment- eine Verhaltensbeschreibung deines Gegenüber in ein Diktiergerät sprichst und ergänzt, das Testsubjekt spreche gut auf die Behandlung an und zeige Fortschritte.

vii

Ich nehm‘ dir alles weg

Die Feilchen vor deinem Haus

Den Borretsch, den du liebst

Den Hibiscus, den du pflegst

Ich nehm dir alles weg

Ich pflücke deine Blumen

Ja, du hast recht

Das Leben ist nicht fair

§ 8

Sommer ist die Jahreszeit, in der zu viel Sonne und all das zu meiden ist, was mit dem Zusatz urban, street oder beach versehen und vermarktet wird.

ix

Mit der Winterzeitumstellung verhält es sich wie mit der Steuerrückerstattung. Ich könnte mich über eine gewonnene Stunde freuen, wenn ich nicht wüsste, dass sie mir zuvor unter fadenscheinigen Gründen und per Dekret genommen wurde.

x

Christopher Hitchens erzählte einmal von der Broadway-Umsetzung des Tagesbuchs der Anne Frank. Das Musical wurde in den 60ern aufgeführt und muss sehr langatmig gewesen sein. Als die deutschen Soldaten im dritten Akt endlich gegen die Tür des Hauses in der Prinsengracht schlugen, rief ein ungeduldiger Zuschauer aus der ersten Reihe: Sie ist auf dem Dachboden!

xi

Einem Feind auf der Bürotoilette zu begegnen, ist immer unangenehm. Die Verlegenheit und das drückende Schweigen sind belastend, wenn auch nur für wenige Sekunden. In einer Scientology-Handreichung fand ich eine praktikable Lösung: Ich lächele den Anderen freundlich an und sage im Vorbeigehen: Du bist wertlos. Niemand liebt dich.

xii

In einem gelungenen

Gedicht

Über die Deutschen

Müssten die Worte

Thermomix

Panther II und

Auschwitz

In einer Zeile stehen

xiii

37 Grad Celsius in Düsseldorf-Eller. In Eller stirbst du schneller sagen Auswärtige gern. Vor meinem Eckkiosk stehen Männer mit Bierwampen, Schnauzbart und ärmellosen Shirts. Fashionmetropole Düsseldorf. Ein Doppelkorn macht die Runde. Auf der anderen Straßenseite schlägt ein Assi seinen winselnden Schäferhund und schreit dabei: Halt’s Maul! Neben der Bushaltestelle lehnt eine Frau in langem Mantel und Kopftuch mit Gesichtsöffnung vom Kinn bis zur Stirn an einer Wand mit no-nazis-Tags und bröckelndem Putz. Die Einkaufstüte neben ihr fällt um. Hochroter Gesichtsausschnitt. Schweißgeruch. Ich strecke eine Flasche Wasser in ihre Richtung. Sie lehnt wortreich und feindselig ab. Ich verstehe kein Wort ihrer Tirade. Später lese ich, dass Muslime am Ramadan tagsüber nicht trinken dürfen, was ich für eine ausgesprochen schlechte Idee halte. Gerade bei den heutigen Temperaturen. Im Eiscafe am Ende der Straße sitzen dicke Frauen mit Delfintätowierungen auf den fleischigen Armen. Daneben Kinderwagen. Der Eiskaffee ist hier eher mittelmäßig. Zu viel Sahne und Eis. Das Eis ist geschmolzen, bevor es den Kaffee herunterkühlen kann. Ich beschließe, in meiner Dachgeschosswohnung einen feuchten Lappen ins Eisfach zu legen und ein Curry mit Banane zu kochen.

xiv

Kuchenbacken. Vollkornboden mit Zitronenabrieb und ausgekratzten Vanilleschoten. Darauf Pudding und Äpfel, ein paar schwarze Rosinen, ein Likör in Griffreichweite und gehobelte Mandeln. Wer ein Hexenwerk wie die Juristerei ausübt, sollte gelegentlich etwas herstellen, das anderen Menschen Freude bereitet.

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philter
philter
8 Jahre zuvor

gibt es im sinne von xii gut gedichte – also eine sammlung z.b.? für einen link wäre ich dankbar.
außerdem: woher stammen die aphorismen? gesammelt? von einer (oder mehreren?) einzelpersonen? berühmtheiten?
sehr inspirierend!

Prosa
Prosa
8 Jahre zuvor

#1
Eine solche Sammlung dürfte es nicht geben. Das Gedicht spielt auf der Metaebene auf Adorno an: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“

Anonymous
Anonymous
8 Jahre zuvor

Hallo Weltverbesserer!
Schon aufgefallen? In mindestens den letzten zwei Jahren, wenn nicht sogar über einen deutlich längeren Zeitraum, sind alle durch Rassismus ermordete Menschen Opfer durch Rassismus von Asylanten untereinander geworden. Selbst wenn wir die zorngezündeten Molotows auf Asylantenheime gegenrechnen – sehr viele waren noch im Bau – ist die Bilanz verheerend. Alleine in den LEAs von Stuttgart gibts jeden Monat etwa ein bis zwei Tötungsversuche mit dem Mess er- Russen gegen Gambier die sich nachts nebenan zu laut unterhalten, Marokks gegen Afghanen die Alkohol trinken und Massenschlägereien anzetteln. Die Liste ist endlos, schaut euch mal gelegentlich die Meldungen auf den Presseportalen der Landespolizeien an.

Klar werden ein paar Linke jetzt natürlich Schnappatmung bekommen und die Fakten wegzustottern versuchen. Aber unliebsame Wahrheiten gehören zur Realität halt mit dazu.

trackback
8 Jahre zuvor

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paule t.
paule t.
8 Jahre zuvor

ii

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