Die Jüdische Allgemeine hat Olaf Zimmermann zum Interview gebeten, Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, des Spitzenverbandes deutscher Kulturverbände. Verlässlich ausgepegelt, diese Spitzenwelt, Zimmermann sagt: „Eigentlich dürfte niemand im deutschen Kulturbetrieb BDS unterstützen.“
Hätte man sich vor fünf Jahren gewünscht, einen solchen Satz, als BDS drauf und dran war, die Ruhrtriennale zu kapern, schon damals rief deren damalige Intendantin, Stefanie Carp, die Kunstfreiheit an und „Zensur“ als größtböses Übel auf. Derselbe Sound kurz darauf von der „Initiative Weltoffenheit“, im Dezember 2020 trat das Bündnis deutscher Kulturmittelverwalter im Deutschen Theater vors Weltpublikum und gab sich Mühe zu erläutern, dass es – man selber sei ja nun geläutert – nun BDS sein möge, die antisemitische Hetzkapagne, die befreit gehöre und inszeniert und applaudiert. Just dieser Initiative seiner Kultur-Kollegen – Zimmermann ist deren Lobbyist, das macht die Sache interessant – bescheinigt der Kulturrats-Chef jetzt einen „Denkfehler“, mehr noch: einen „fundamentalen“.
Und er bescheinigt ihnen dies öffentlich, das macht es vollends bemerkenswert: Kulturpolitik ist eigentlich ein in Ton und Inhalt ausmoderiertes Fach, man hält zusammen, wie man das Geld zusammenhält, das man gemeinsam empfängt. Wenn der erste Lobbyist der Subventionskultur nun erklärt, BDS sei dämlich und fundamental dumm, scheint etwas angekommen zu sein im Betrieb. Womöglich die Einsicht – Ruhrbarone-Leser wissen es seit Jahren – , dass „Boykott von Kunst keine Kunst ist“.
Wo keine Kunst, da keine Kunstförderung, seine lieben Kollegen, sagt Zimmermann, hätten eine „intellektuelle Schlussstrichdebatte“ angezettelt. Es ist die glatte Sechs, die er verteilt, wer immer einen Subventionsbetrieb führt – der Autor dieses Beitrags führt keinen und doch einen Kulturbetrieb – wer immer abhängt von Subventionen wie im Lumbung, für den ist „Schlussstrich“ kein Wort, das wie Ernst Nolte klänge, für den klingt „Schlussstrich“ so, wie „Haushaltsansatz“ klingt. Zimmermann, der Kultursubventionslobbyist, hat die Entfernung ausgemessen, die zwischen BDS und Haushaltsansatz klafft, und festgestellt, „wie weit diese (BDS-) Bewegung von unserem kunstfreiheitlichen Denken entfernt ist“. Und wie absurd es ist, eine, so Zimmermann, „verquere Debatte über Kolonialismus versus Antisemitismus“ anzuzetteln, nur um das Schweigen über das eine, das in der Tat skandalös ist, gegen ein antisemitisches Dauerquasseln einzutauschen, das en vogue sein möchte.
Was die derzeitige Documenta allerdings zu beweisen scheint: dass es zusammenpasst, antisemitisches Dauerquasseln und tolle Publikumszahlen. Just dieser Tage legt die Weltkunst-Ausstellung Wert darauf mitzuteilen, dass – „Plus bei Schüler*innen“ – ihre Besucherzahlen großartig seien, was ja auch toll sein könnte, die meiste Kunst dieser Documenta interessiert sich nicht für Antisemiten. Und eben jetzt, wo es diese Erfolgszahlen gibt und sich die Documenta demokratisch, also am Publikumszuspruch zu legitimieren sucht, just jetzt lässt der oberste Lobbyist die Blase platzen. Eigentlich, sagt Olaf Zimmermann, „eigentlich dürfte niemand im deutschen Kulturbetrieb BDS unterstützen, zumindest nicht, wenn er oder sie meint, dass die grundgesetzlich verbriefte Kunstfreiheit auch weiterhin eine Rolle spielen soll.“
Wer für BDS plädiere, so Zimmermann, sei „gegen Kunstfreiheit“. Vielleicht rückt sich da gerade was zurecht in der Kultur und deren Köpfen, vielleicht ist es die simple Einsicht, dass BDS und Kunstfreiheit sich wechselseitig ausschließen. Vielleicht auch die, dass BDS und Fördermittelantragsbewilligungsbescheide es ebenso tun. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass man nach all den Jahren mit BDS einfach mal einen zuversichtlichen Satz ans Ende eines BDS-Artikels setzen möchte.
„Eigentlich dürfte niemand im deutschen Kulturbetrieb BDS unterstützen.“
Dieser Satz sagt einiges aus über das Elend nicht nur des deutschen Kulturbetriebes. Man hätte ihn auch positiv formulieren können: Eigentlich muss sich in einem Kulturbetrieb jeder gegen Unterstützer von Terrorbanden und deren Vorfeldorganisationen wie BDS aussprechen.
Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Und mal wieder erweckt der Kulturbetrieb den Anschein, sie können nicht über ihren Bauchnabel hinaus denken (oder, was sie dafür halten).
„Vielleicht ist es aber auch nur so, dass man nach all den Jahren mit BDS einfach mal einen zuversichtlichen Satz ans Ende eines BDS-Artikels setzen möchte.“
Die Hoffnung stirbt zu letzt.
Der Antisemitismus der Staatskulturszene scheint endemisch geworden zu sein. In dieses herbeigefördete Milieu wieder aufgeklärte Menschen hinein zu bekommen, ist ein koloniales Projekt, gegen das die antisemitic-natives mit allen Mitteln kämpfen werden: Leugnen, Denunzieren, Korrumpieren.
Bis diese Szene wieder aufhellt, muss auch vielen Bystandern erst mal ein Licht aufgehen. Roth z.B. wirkt diesbezüglich immer noch völlig unterbelichtet.
Anonymer „Johannes“, Ihr Gequatsche ist rundweg reaktionär.
@ Wolfram Obermanns: Ich halte Claudia Roth wie geschaffen dafür, die Kehrtwende einzuläuten. In der Subventionskultur ist Kultursprech ein Nachsprechen, wenn es wen gibt, dann Roth, die, wenn sie es wollte, auf eine Weise souflieren könnte, dass alle denken, es sei noch immer der originale Text, der verlesen würde. Insofern, ja, mehr Licht auf Roth!
@ Thomas Wessel
Roth hätte Chancen und den Biss.
Aber bislang zeigt sie sich ziemlich indifferent, abwartend.