Der Deutsche Kulturrat hatte sich in der letzten Woche mit einem Forderungskatalog an den SPD-Konvent gewendet (wir berichteten), der die Herausnahme der Kultur aus dem Verhandlungen um das Freihandelskonzept TTIP fordert. Mit dem Ergebnis des Konvents ist der Kulturrat zufrieden. Die Sozialdemokraten hatten dem von DGB und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegten Papier zu den TTIP-Verhandlungen zugestimmt. Die Gemüter der Kulturschaffenden und Kreativwirtschaftler haben sich jetzt offenbar beruhigt. Oder auch beschwichtigen lassen.
Die SPD hat am Wochenende auf ihrem nicht-öffentlich tagenden kleinen Parteitag (die Presse wurde von der Diskussion ausgeschlossen) dem Papier zugestimmt, das Sigmar Gabriel und der DGB gemeinsam erarbeitet hatten. Das Papier lehnt nicht nur Einschränkungen bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards ab, sondern auch die umstrittenen Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen klagen können, wie auch die so genannten Schutzklauseln. Das Papier war von dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, letzte Woche gegenüber den Ruhrbaronen noch als „Beschwichtigungspapier“ bezeichnet worden.
Zum Kulturbereich heisst es, dass „Audiovisuelle Dienstleistungen dauerhaft vom Anwendungsbereich des Abkommens auszunehmen sind. Die Mitgliedstaaten der EU müssen darüber hinaus das Recht haben, die öffentliche Kultur- und Medienförderung vollständig zu erhalten.“ Mit der Entscheidung am Wochenende hat die SPD deutlich gemacht, dass sie zu den Kultur-Förderstrukturen in Deutschland steht. Wie groß die Klauen sind, mit denen dieses Thema in den Verhandlungen verteidigt wird, bleibt abzuwarten.
Ob Kultur zur allgemeinen Daseinsvorsorge zählt oder Luxus für einige Wenige ist, wird zwar diskutiert – das Europäische Parlament zählt jedoch die kulturelle Vielfalt, neben Bildung, Informationsvielfalt und sozialer Sicherheit, zu den „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“. In Artikel 151 des Amsterdamer Vertrags steht zudem, dass die EU bei Verhandlungen für internationale Abkommen, wie TTIP und CETA dafür Sorge trägt, dass die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhalten bleibt. In dem SPD/DGB-Papier heisst es zu dieser Frage: „Die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die Organisation der Daseinsvorsorge muss unberührt bleiben.“
Dass die regionale Körperschaften weiterhin frei entscheiden sollen, ist für die Kulturschaffenden wichtig. Länder und Kommunen zählen zu den so genannten Gebietskörperschaften – damit unterscheidet sich die föderale BRD deutlich von zentral organisierten Staaten, wie Frankreich. Kulturelle Einrichtungen, wie Theater und Museen, sind oft in kommunaler Hand oder werden, wie beispielsweise die Bayerische Staatsoper, vom Land getragen.
Wichtigster Punkt bleibt aber die vom Kulturrat geforderte „Positivliste“: Sie ist in dem SPD-Positionspapier schriftlich festgehalten. So hat es die SPD mit einem einfachen Satz geschafft, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen: „Wir sind der Auffassung, dass ein Positivkatalog besser ist und mehr Vertrauen schafft als der bisherige Ansatz der Negativlisten.“ Zimmermann begrüßt sehr, dass sich der Parteikonvent mit diesen Worten für einen Positivkatalog bei den Verhandlungen ausgesprochen hat, denn er glaubt, dass nur dadurch sichergestellt werden kann, dass der Kultur- und Medienbereich wirklich aus dem Abkommen ausgenommen ist.
Die SPD hat sich damit in einem ersten Schritt für eine deutsche Variante der exception culturelle, ausgesprochen und deutlich gemacht, dass sie Kultur nicht als Ware sieht. Doch forderte der Deutsche Kulturrat gestern noch mehr Sicherheit von den Sozialdemokraten ein: „Wer Positivlisten will, muss das TTIP-Verhandlungsmandat für die EU-Kommission grundlegend ändern. Hier steht die SPD nun im Wort.“
Vergessen sollte man aber nicht, dass trotz des Willensbekundung-Papiers der SPD, der Freihandel in der alleinigen Kompetenz der EU liegt. Dass die Ergebnisse der einzelnen Verhandlungsschritte von den Kulturschaffenden mit Argusaugen beobachtet werden werden, ist sicher – doch selbst Argus konnte mit seinen hundert Augen nicht hinter verschlossene Türen blicken.