Das DFB-Pokalfinale liegt gerade eine Woche zurück. Frisch sind daher auch noch die Debatten um die Halbzeitshow von Helene Fischer, die umstrittenen Pyroshows beider Fanlager, die Anti-DFB-Sprechchöre in den Kurven.
Die Ultras der Frankfurter Eintracht haben nun ganz aktuell eine Stellungnahme in Form eines Rückblicks auf die Geschehnisse vom 27. Mai 2017 veröffentlicht, mit denen sie noch einmal den Konflikt mit den DFB-Verantwortlichen befeuern, die Entfremdung des Verbandes von den Vorstellungen der Ultras von einer von ihnen gewünschten Fußballkultur beklagen.
Dort heißt es wörtlich:
„…Der DFB hat sich mittlerweile um Lichtjahre von unserer Fußballkultur entfernt. Und auch das haben wir in Berlin mehr als deutlich gemacht. …
Die Reaktion darauf ist allerdings so jämmerlich wie erwartbar. Während Spieler, Verantwortliche und sogar die – uns selten wohlgesonnenen – Medien voll des Lobes sind, kündigt der DFB-Präsident Maßnahmen und Strafen gegen die beteiligten Vereine an, sogar von erneuten Zuschauerausschlüssen bei unserer Eintracht ist die Rede. Völlig kritikunfähig demaskiert sich der DFB damit wieder selbst.
Denn wenn Funktionäre eines Verbandes, der bis zum Hals in einem Sumpf von Bestechungs- und Steuerhinterziehungsskandalen steckt, sich tatsächlich erdreisten, von „krimineller Energie“ zu sprechen, weil Fußballfans Anti-DFB-Gesänge anstimmen, Pyrotechnik zünden und den Showauftritt eines Schlagerstars in der Halbzeitpause gründlich versauen, sollte nun wirklich auch dem Letzten klar sein, woher der Wind eigentlich weht. Die hohen Herren möchten sich halt ihr einträgliches Geschäft nicht kaputt machen lassen. Welch Doppelmoral von einem Verband, der sich jeglicher Transparenz verschließt.
Bloß: Da haben sie halt nicht mit uns gerechnet. … Um es mit den Worten von Eintrachtlegende Ansgar Brinkmann zu sagen: Irgendwann holt sich die Straße den Fußball zurück! …“
Nun, ob die ‚Straße‘ sich den Spitzenfußball tatsächlich noch einmal zurückholen kann, daran muss man wohl zumindest stark zweifeln. Doch in der Tat wirkte es in dieser Woche sehr befremdlich wie naiv sich zum Beispiel DFB-Vizepräsident Dr. Raner Koch im SSNHD-Interview gab, als er partout nicht erkennen wollte, dass ein Auftritt von Helene Fischer, die dann in ihrer Not auch noch öffentlich beteuert, dass sie ja beiden Mannschaften ‚von Herzen‘ die Daumen drücken würde, so grundsätzlich nicht zu einem DFB-Pokalfinale passt.
Denn auch wenn Koch nun auf Nachfrage dann mehr oder weniger notgedrungen öffentlich zugestand in Zukunft wohl auf solch Schlagerstar-Auftritte in Berlin besser verzichten zu wollen, so wirklich verstanden scheint er das eigene Fehlverhalten noch immer nicht wirklich zu haben.
Und natürlich kann man diese Anti-DFB-Sprechchöre oder Banner im Stadion nun mehr oder weniger angemessen finden, nur wundern muss man sich nach all den Ereignissen der letzten Jahre darüber natürlich nicht. Dafür hat sich der von den Fans in den Kurven so sehr gewünschte Straßenfußball im Spitzenbereich halt zu sehr zum ‚Event‘ für Promis und Sponsorenvertreter entwickelt. Neu ist auch das natürlich nicht.
Nicht von ungefähr findet man den DFB ablehnende Transparente ja auch schon bei so gut wie jedem gewöhnlichen Ligaspiel. Und wenn der DFB nun tatsächlich glaubt in Berlin ein Event mehr oder weniger gänzlich ohne Rücksicht auf die Vorlieben der Dauerkarteninhaber und Ultras beider Fan-Lager feiern zu können, dann spricht das natürlich eine klare Sprache die den regelmäßigen Besuchern der Ligaspiele zumindest in ihrer klaren Mehrheit so eben ganz und gar nicht gefällt.
Wenn dies den DFB noch immer überrascht, dann hat er offenkundig jahrelang sehr tief geschlafen. Ob man bei der Verbandsspitze nach den jüngsten Debatten jetzt endlich mal aufgewacht ist? Zweifel sind wohl angebracht. Nur beim nächsten Mal dann bitte nicht mehr überrascht tun, meine Herren!
Naja Pyrotechnik, muss meines Erachtens nicht sein, aber sonst in Ordnung. "Meine" Eintracht hat möglicherweise die Schrift an der Wand gelesen. Im Waldstadion soll der Stehbereich um 13000 auf 20.000 Plätze erweitert werden, sogar einige Logen sollen dafür geopfert werden, weil man gerade jungen Menschen die Möglichkeit geben will, preiswert am Event Fußball teilzuhaben.
In FFM herrscht großer Ärger, Ultras haben beim Pokalfinale kostenlos 20.000 T-Shirts verteilt und schon Anfang der Woche wechselte ein erstes Textil bei ebay für knapp 100 Euro den Besitzer.
Wer trotz jahrelanger Gesprächs-Rundtische und gebetsmühlenartiger Propaganda über seine ach-so-harmlose Szene immer noch nix Anderes im Schädel hat, als seinem pubertären Selbstdarstellungsdrang mit Pyros und Gewaltausbrüchen in Fußballstadien freien Lauf zu lassen, der muss sich nicht wundern, wenn die Verantwortlichen irgendwann nicht mehr mit ihm und für ihn planen und handeln. Das war lange absehbar und ist ein nur konsequenter Schritt Richtung "englische Verhältnisse" – auch wenn dort eine Helene Fischer nicht nur ausgebuht, sondern präventiv direkt vors Stadiontor verfrachtet würde.
@Lohman
Gewalt habe ich in beim DFB Pokalspiel nicht gesehen (und auch nicht davon gelesen), Pyro haben einige dutzend Personen gezeigt, aber "Scheiss DFB" haben sehr viele gerufen.
Deine einfache Sichtweise hilft nicht weiter.
Es hat mit Fussballkultur auf den Seiten der Fans zu tun.
Und mit der Verschiebung von Seiten des DFB, DFL und vielen Vereinen zum einen Familienevent, in dessen Umfeld ein Getränkehersteller sich und seine Produkte gerne präsentiert, wo Fans nicht umgedingt nötig sind, sie auf jeden Fall nichts zu sagen haben, zu tun.
Ich kann diesen ganzen Fußballmist, diese Besitzansprüche gleichgeschalteter , fanatisierter Fanhorden und ihre Inszenierungen genausowenig ertragen, wie die Eventinszenierungen des DFB. Konsequent verweigere ich daher jedweden Stadion Besuch, jede Fernsehübertragung und bin schon vor Jahren aus meinem ehemals bevorzugten Verein ausgetreten. Und ich glaube ich bin da nicht alleine
@Norbert Krambrich: "Und ich glaube ich bin da nicht alleine"
Das mag sein. Und ich verstehe das sogar ein Stück weit. Tatsache ist aber eben auch, dass das Ganze noch immer von Jahr zu Jahr wächst und wächst. Umsätze, Zuschauerzahlen usw…..
@Marc: Die zahlreichen entlarvenden "Krieg dem DFB"-Banner (http://www.wz.de/home/sport/fussball/dfb-pokal/krieg-dem-dfb-bvb-und-frankfurt-droht-aerger-wegen-pyros-und-plakaten-1.2444341) hast Du – nicht nur beim Finale – geflissentlich übersehen? Typisch. Und voller Dummheit.
@Robin Patzwaldt #5: Es skaliert aber nicht, trotz dieser Zuwächse. Wenn Vereine jetzt schon ihren Schwanz vor der Gewalt ihre Ultras und Hools einziehen, was soll bitte noch alles passieren???
Was mit äußerster Gewaltanwendung gegen die Protagonisten auf dem Platz so alles an Konsequenzen für den Fußball, die Vereine und die immer kleiner werdende Schar "normaler Zugucker" generiert wird, haben wir doch wohl alle noch vom BvB in Erinnerung, oder?
Die Strasse holt sich in Deutschland den Fußball vorerst nicht zurück.
Wer kickt heute noch mit Coladosen? Vereine, die keine hervorragende Infrastruktur mit Kunstrasen etc. bieten, haben doch kaum noch Chancen, Jugendliche zu bekommen. Die Affenkäfige wurden zu oft wg. Anwohnerklagen abgebaut. Die Schulhöfe sind jenseits der Schulzeiten abgesperrt.
Wo soll sich da die Strasse entwickeln.
Natürlich drehen die Verbände am großen Rad und versuchen ihr Produkt immer besser zu vermarkten. Nur ist das Produkt keine Qualitätsware mehr.
WM, EM und Europapokale haben immer mehr Mannschaften, die chancenlos sind. Wen interessieren Spiele gegen "Fußballzwerge". Sie sind auch keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Selbst bei Endturnieren. Dann die langen Gruppenphasen. Selbst die CL ist in der Gruppenphase meistens uninteressant.
Die Strasse hat dennoch keine Chance. Die Alternative sind Sportstudios, die Komfort etc. bieten, keine Essener Hinterhöfe mit Bällen aus Schlachtabfällen. Zumindest nicht in D.
Die Fans sind auch nicht in der Lage, Massen zu bewegen. Vermummte Personen, evtl. noch in Flecktarn sowie Pyros werden die Massen nicht überzeugen können. Wie gefährlich Böller sind, hat das Public Viewing in Turin gezeigt.
@ Robin Patzwaldt
"Tatsache ist aber eben auch, dass das Ganze noch immer von Jahr zu Jahr wächst und wächst."
wachsen, wachsen, wachsen ist nicht immer ein zeichen von gesundheit …
@Christian: Nur wird man eben, solange das so ist, wohl nichts Grundlegendes ändern. Wetten?
@ Robin Patzwaldt
deine wette hat der kapitalismus schon lange gewonnen …
Ich schließe mal am letzten Kommentar an.
Die Fußballfans und Ultras haben es ja selbst in der Hand, solange die Stadien alle
gut gefüllt sind, solange die Vereine jedes Jahr neue Trikots zu 80 – 100 € verkaufen können,
solange werden sich DFL & Vereine gegenseitig auf die Schulter klopfen und sagen:
"Alles richtig gemacht"
Wenn Schalke einen 20 Jahre alten Erfolg abfeiern kann und damit die Arena noch
halbvoll bekommt, warum sollen die Verantwortlichen viel ändern?
Im Grunde haben es die Fans in diesem Fall wirklich mal selbst in der Hand.
Bleibt zu Hause, kauft nicht jedes Jahr ein neues t-Shirt ähh Trikot und storniert das Sky Abo.
Dann und nur dann wird es schmerzhaft für die Vereine, DFL und den DFB.
Die Verklärung "der Straße" widert mich an.
"Die Straße" war der Ort, an dem wir uns aufhielten, weil unsere Wohnungen und Häuser zu klein für vielköpfige Familien waren; wo uns unsere Mütter hinschickten, um das durch räumliche Enge entstehende Konflikt & Gewaltpotential zu verlagern.
"Die Straße" wurde beherrscht von den Schlägern, den Möchtegern-Kriminellen, den Maulhelden. Hier wurden Schwache gedemütigt, zu absurden Mutproben genötigt. Von denjenigen, die ihr zukünftiges gesellschaftliches Versagen intuitiv erahnten, wurde diese kurze Möglichkeit der Machtausübung hemmungslos ausgenutzt, oft bis im Wortsinne das Blut floß.
Der Fußball als mit einfachsten Mitteln zu betreibende Freizeitbeschäftigung war Teil dieses Kosmos' mit all seinen schönen, aber eben auch mit seinen Schattenseiten: Wenn es auf der Straße so schön war, warum sind dann alle, sobald sich ihnen die Möglichkeit bot, in die Privatheit der Gärten im Eigenheim geflohen? Warum wurde die wilde Schönheit der Aschenplätze gegen komfortable Grünrasenstadien eingetauscht?
"Die Straße" war eine aus der Not geborene, teiloffene Jugendeinrichtung ohne Betreuungsangebot, das ist sie bis heute.